Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 20 - Jahrgang 1935
1Kön 17,7-24 - Elia in Zarpath1Kön 17,7-24 - Elia in Zarpath
Am Bache Krith hatte Elia die Treue seines Gottes erfahren. Gehorsam der Anweisung des HErrn: „Aus dem Bache wirst du trinken“, hatte er aus dem Bache getrunken. Dann aber lesen wir Worte, die uns fast unmöglich erscheinen: „Da vertrocknete der Bach.“ Konnte der Bach vertrocknen, wenn Gott bestimmt hatte, daß Sein Prophet daraus trinken sollte? Was konnte das bedeuten? War Elia nicht an dem rechten Platze? War er verkehrt gegangen und nicht an dem richtigen Bache? Unmöglich! Denn Gott hatte den Raben geboten, ihn daselbst zu ernähren, und das war geschehen. Und dennoch vertrocknete der Bach! Wie prüfend sind solche Erfahrungen und wie geheimnisvoll Gottes Wege! Man ist sich gewiß, nach dem Worte des Herrn zu stehen und zu wandeln und erfährt dann scheinbar ein Versagen von seiten Gottes. Wie wird in solchen Umständen unser Glaube geprüft! Kühn hatte Elia vor dem König bezeugt, daß er vor dem lebendigen Gott stehe, und nun vertrocknet der Bach. Wird sein Glaube nun noch ausharren? - Gott ist größer als die Quellen, die Er gegeben. Sie mögen vertrocknen, Gott aber bleibt! Hier, an dem vertrocknenden Bache mußte der Prophet lernen, Gott mehr zu vertrauen als den dargebotenen Gaben.
Ähnliche Erfahrungen machten einst die zwei Schwestern in Bethanien. (Joh 11) Krankheit und Tod hielten in ihrem stillen Hause Einkehr. Ihres Bruders beraubt, befanden sie sich gleichsam dem vertrockneten Bache gegenüber. Dieser Trübsalsweg aber diente zur Herrlichkeit Gottes, damit der Sohn Gottes verherrlicht werde. Und das, wodurch der Sohn Gottes verherrlicht wurde, brachte Segen den Heiligen. Der Tod mochte Lazarus hinwegnehmen, aber Jesus, der Sohn Gottes, blieb! Das Aufhören der Quelle des irdischen Lebens diente zur Offenbarung der Quelle der Liebe, die nie versagt, einer Quelle der Kraft ohne Grenzen.
So war es auch in den Tagen des Propheten. Der vertrocknete Bach diente zur Entfaltung größerer Herrlichkeit Gottes und reicherer Segnung Elias. Gott ließ es geschehen, um den Propheten von dem versagenden Bach hinweg zu dem Mehl, welches nie versagt, und dem Öl, welches niemals mangelt, zu führen und um Sich ihm dort als den Gott, der Tote auferweckt, zu enthüllen. Der Bach vertrocknete, damit Elia neue Erfahrungen von der Herrlichkeit, Macht und Gnade seines Gottes machen sollte.
Ist es heute anders? Wir alle gebrauchen irdische Quellen, und Gott weiß, daß wir sie für unser irdisches Leben bedürfen, und doch läßt Gott das Vertrocknen unseres Baches oft zu. Krankheiten, Verluste kommen, Unterstützungen hören auf, Quellen versiegen, und wir stehen gleichsam vor dem vertrockneten Bach. Wie gut, in solchen Tagen des Zusammenbruches unserer irdischen Hoffnungen dem lebendigen Gott zu vertrauen und zu Seinem Willen und Seinen Wegen im Glauben „ja“ zu sagen! Trübsalswege werden von Gott oftmals gebraucht, um uns die Quelle Seiner Liebe und uns Segnungen zu öffnen, die wir zuvor nicht kannten. Möchten wir es mehr im Glauben erfassen, daß Gott in allen Lagen genug ist und es Ihm nie an Mitteln und Wegen fehlt, Seine Macht und Hilfe zu offenbaren, wenn Seine Absichten bei uns erreicht sind.
Gott vergaß Seinen Knecht nicht. Als der Bach vertrocknet war, gab Er ihm weitere Wegweisung. Die Art und Weise aber, wie Er für ihn sorgte, diente dazu, ihn auf dem Wege des Glaubens zu erhalten. Sein Auftrag lautete: „Mache dich auf, gehe nach Zarpath, das zu Zidon gehört, und bleibe daselbst; siehe, Ich habe daselbst einer Witwe geboten, dich zu versorgen.“
Wie im Anfang, so finden wir auch in diesem Befehl des Herrn wieder die bemerkenswerten drei Worte: „Daselbst“, „geboten“ und „versorgen“. Er, der einst den Raben gebot, gebot jetzt einer Witwe - der für das „daselbst“ den Bach Krith bestimmte, bestimmte dafür jetzt Zarpath - und der die Versorgung Seines Knechtes damals Raben übertrug, übertrug sie jetzt einer armen Witwe. Die Umstände wurden verändert, Jehova aber blieb derselbe.
Mit diesem Auftrag mußte Elia das verheißene Land verlassen und in eine Stadt der Heiden gehen. Manche Beispiele der Schrift zeigen uns, daß, wenn Menschen oder Völker Gott und Sein Wort verlassen, Gott Sich in der Unumschränktheit Seiner Gnade solchen zuwendet, die bereit sind, ihr Herz Seiner Stimme zu öffnen und von Seiner Gnade Gebrauch zu machen. Als der Herr in Mt 15 Sein Urteil
über die blinden Leiter der Blinden ausgesprochen und das heuchlerische Herz des Volkes bloßgelegt hatte, ging Er in die Grenzen von Tyrus und Sidon und brachte Seine Gnade einem kananäischen Weibe, die kein Anrecht darauf hatte. (Vgl. Apg 18,46.48)
In dieses Gebiet wurde jetzt Elia gesandt. Israel hatte auf die züchtigende Hand Jehovas nicht geachtet. Nun wurde Elia zu einem Weibe gesandt, das, entfremdet dem Bürgerrecht Israels, keine Hoffnung hatte und ohne Gott in der Welt war (Eph 2,12). Diese sollte ihn versorgen, und er sollte ihr zu einem Kanal der Gnade Gottes werden.
Für Elia war dieser Weg eine nicht geringe Prüfung. Können wir verstehen, was es für Elia sein mußte, daß er, der Prophet Jehovas, Jehovas Land verlassen und in das Land der Heiden gehen sollte, und noch dazu in das Land, dem die gottlose Isebel entstammte, die den Baalsdienst in Israel eingeführt und die Propheten Jehovas ermordet hatte?! Und nicht allein das, er, der Knecht Jehovas, sollte sich dort von einer Witwe versorgen lassen! Wenn er die Witwe hätte ernähren sollen, so wäre die Probe für Elia nicht so hart gewesen. Nun aber war es umgekehrt. Wie sehr mußte ein Aufenthalt in Zidon seinem jüdischen Empfinden und seine Ernährung von einem Weibe seiner Mannesehre entgegenstehen! Das aber war der Weg, den Gott ihn wies. Wahrlich, ein schwerer Weg!
Nun kam die Entscheidung für Elia. Wird er den Weg gehen? Macht er Einwendungen? Keine Widerrede kommt über seine Lippen, Gott hatte geredet, und er macht sich auf und geht. Dieser einfache und sofortige Gehorsam bewies, daß er vor Jehova, dem Gott Israels, stand. Das Kennzeichen eines Knechtes ist, dem Willen seines Herrn unterworfen zu sein. Tragen wir dieses Kennzeichen? - Gewiß, der Weg des Gehorsams ist kein leichter Weg. Er erfordert beständige Selbstverleugnung, und wir können ihn nur gehen, wenn unser Glaube auf Gott ruht und Herz und Gewissen und Wandel mit Seinem Wort und Willen übereinstimmen.
Wie köstlich ist Elias Gehorsam! Können wir nicht etwas von ihm lernen? Warum finden wir soviel Schwäche bei uns? Ist es nicht, weil wir lieber unseren eigenen Willen als den Willen des Herrn tun? Gehorsam, Kraft und Segen gehen im Glaubenswandel zusammen. Aber unsere Überlegungen und unser Besserwissen machen uns oft zu unnützen Knechten.
Im Glauben, gehorsam dem Worte des HErrn, machte Elia sich auf und geht nach Zarpath. Nun handelt es sich für ihn darum, die Witwe zu finden, die seine Wirtin werden soll. Am Eingang der Stadt begegnet ihm eine Witwe, die gerade daran ist, ein paar Holzstücke aufzulesen. Ihre dadurch offen zutage tretende Armut stört ihn nicht. Er weiß, daß es für Jehova kein Hindernis gibt, durch viel oder wenig zu helfen (1Sam 14,6). Und ebenso weiß er, daß Jehova schon mit der Witwe, die ihn versorgen soll, geredet und Auftrag dazu gegeben hat. Auf Grund dieser Tatsache ruft er ihr zu: „Hole mir doch ein wenig Wasser im Gefäß, daß ich trinke!“ Was wird sie nun tun? Mit welcher Aufmerksamkeit mag Elia sie beobachtet haben!
Ähnlich war es einst bei dem Knechte Abrahams, der die Braut für den Sohn seines Herrn suchen und heimführen sollte. Als Rebekka an die Quelle kam, bat auch er um ein wenig Wasser aus ihrem Kruge (1Mo 24), um an ihrer Willigkeit zu erkennen, daß sie die für Isaak bestimmte Braut sei. Und daran, daß die Witwe willigen Herzens hinging, um Wasser zu holen, mußte auch Elia erkennen, daß Gott ihr Seinen Auftrag, ihn zu versorgen, ins Herz gegeben habe, denn dem natürlichen Herzen entspricht eine solche Bereitwilligkeit nicht, sondern vielmehr das Verhalten Nabals: „... Soll ich mein Brot und mein Wasser nehmen ... und es Männern geben, von denen ich nicht weiß, woher sie sind?!“ (1Sam 25,11) Wenn bei der herrschenden Dürre der Bach vertrocknete, so hatte die Witwe sicher keinen Überfluß an Wasser, und ihre Bereitwilligkeit, den Propheten damit zu versorgen, mußte Elia deshalb ein sicheres Erkennungszeichen sein, die von Gott bestimmte Witwe vor sich zu haben. Auf ihrem Gange, ihm das Wasser zu bringen, ruft er ihr nun nach: „Hole mir doch einen Bissen Brot in deiner Hand!“
Diese weitere Forderung brachte die wahre Lage dieser armen Witwe ans Licht. Sie verbirgt ihm nichts und spricht: „So wahr Jehova, dein Gott, lebt, wenn ich einen Kuchen habe außer einer Handvoll Mehl im Topfe und ein wenig Öl im Kruge! Und siehe, ich lese ein paar Holzstücke auf und will hineingehen und es mir und meinem Sohne bereiten, auf daß wir es essen und dann sterben.“
Sie erkennt in dem Fremdling einen Juden und spricht zu ihm von Jehova, seinem Gott, nicht ihrem Gott. Sie hatte gleich Tausenden heute eine gewisse Kenntnis von dem lebendigen Gott, aber diese Kenntnis war ohne Nutzen für sie. Ihr Vertrauen war nicht der lebendige Gott, ihr Vertrauen ruhte auf dem Mehl im Topfe und dem Öl im Krug. Darüber hinaus gab es für sie kein Leben. „Essen und sterben“ war ihre Sprache. Und gleichen wir nicht oft noch der Witwe und sehen nur auf das Vorhandene und nicht auf den lebendigen Gott, in dessen Hand unser Leben ist? Als der Herr die Volksmenge speisen wollte, da zählten die Jünger das Geld, die Brote und die Fische, aber mit dem Herrn in ihrer Mitte rechneten sie nicht. Sind sie unser Bild?
Die Witwe war am Ende ihrer Hoffnung auf Erhaltung ihres Lebens und enthüllte ihre verzweifelte Lage offen dem Propheten. Darauf ruft Elia ihr zu: „Fürchte dich nicht!“ Wie tröstlich mochten diese Worte ihr Herz berührt haben! Aber dann folgt sofort: „Gehe hinein, tue nach deinem Worte, doch bereite mir zuerst einen kleinen Kuchen davon und bringe ihn mir heraus; und dir und deinem Sohne bereite danach.“
Wie hart, ja unverschämt erscheint es dem natürlichen Herzen, von einer vor Hunger sterbenden Witwe zu verlangen, einem Fremden zuerst und danach sich und ihrem Sohne Speise zu bereiten. Warum sollte sie den Propheten vorgehen lassen und ihm zuerst bereiten? Sie sollte Gott in der Person Seines Knechtes sehen und erkennen, daß alles, was sie besaß, ihr von Gott anvertraut war und Er somit auch den ersten Anspruch daran hatte. Dieses göttliche Anrecht an das Mehl und Öl der Witwe beanspruchte Gott jetzt durch Seinen Knecht. Wir sind so geneigt, den uns anvertrauten Besitz als unseren eigenen anzusehen, anstatt uns zu erinnern, daß alles, was wir sind und haben, dem Herrn gehört und wir schuldig sind, es Ihm auf Seinen Wink zurückzugeben. Die Forderung, zuerst dem Propheten zu bereiten, war eine Prüfung sowohl für die Witwe als auch für Elia. Menschlich gesprochen mußte es für Elia unendlich schwer sein, der Witwe, deren Lebenshoffnung an diesem letzten Mehl und Öl hing, den göttlichen Anspruch daran zu stellen, und noch schwerer, auch von ihr anzunehmen. Er aber stand jetzt hier als Jehovas Knecht, der seine Person und seine Gefühle ganz beiseite zu setzen hatte. -
So hatten einst zwei Jünger dem Herrn ein Füllen zu bringen. Er war der Herr, und als solcher fordert Er es von den Besitzern mit den Worten: „Der Herr bedarf seiner.“ Die Besitzer des Füllens beugten sich widerspruchslos unter Seine Oberhoheit und Forderung und überließen es dem Herrn. Ebenso sollte jetzt die Witwe die Oberhoheit und die Ansprüche Jehovas an ihren Besitz in der Forderung anerkennen, Seinem Knechte zuerst und sich und ihrem Sohne danach zu bereiten.
Was Gott auch immer fordern mag, Er reicht auch zum Gehorsam die dafür nötige Kraft dar. Als Gott der Witwe Seine Forderung stellte, stärkte Er auch gleichzeitig den Glauben der Witwe durch die sichere Zusage: „Das Mehl im Topfe soll nicht ausgehen und das Öl im Kruge nicht abnehmen bis auf den Tag, da Jehova Regen geben wird auf den Erdboden.“ Wenn alle Dinge Gott möglich sind, dann ist auch dem Glaubenden alles möglich (Mk 9,23; 10,27). Die Witwe vertraute Jehova und tat nach Seinem Wort, und die Folge war, daß ihr Haus keinen Mangel kennenzulernen brauchte.
Eine ernste Glaubensprobe war überstanden. Sie versorgte Gottes Knecht und Gott versorgte sie. Überall um sie herum war Not und Tod, in ihrem Hause Leben und Genüge. Glückliche Witwe! Hätte sie erst für sich selbst und ihren Sohn gesorgt, sie würde für den Knecht Gottes nichts übrig behalten haben, und sie selbst wäre vor Hunger umgekommen.
Laßt uns von der Witwe lernen, das vom Herrn uns anvertraute Gut Ihm zur Verfügung zu halten, so wird Er es vermehren, und wir werden keinen Mangel haben. So war es bei der Witwe. Das Mehl im Topfe ging nicht aus, und das Öl im Kruge nahm nicht ab, nach dem Worte Jehovas, das Er durch Elia geredet hatte. So stand das Haus der Witwe unter der segnenden Hand Gottes. Ja, es ist so, wir können dem Herrn nichts geben, ohne von Ihm zu empfangen. Tag für Tag war in ihrem Hause für jedes Bedürfnis zur Genüge vorhanden. Gott gab keinen Vorrat für den morgenden Tag, kein Sack Mehl, kein Faß Öl kam ins Haus. Das hätte unserem Herzen entsprochen. Der Herr aber weiß, was wir für Gebilde sind, und Er hält uns Tag für Tag von Seiner Gnade abhängig.
Das Haus der Witwe soll aber noch eine Stätte weiterer Offenbarung der Herrlichkeit des lebendigen Gottes werden. Elia und die Witwe haben noch größere Proben des Glaubens zu bestehen; sie sollen nicht nur Gott als den Erhalter des Lebens, sondern als den Gott der Auferstehung erfahren, der das Leben aus dem Tode wiedergeben kann. Die Witwe hatte Ihn bisher als den Gott der Gnade kennengelernt, jetzt sollte sie Ihn auch als den Gott der Wahrheit erleben, der Sünde in Sein Licht stellt und richtet. Ihr einziger Sohn erkrankt und stirbt. - Angesichts des Todes erwacht ihr Gewissen. Der Tod ist der Sünde Lohn, und sie gedenkt nun ihrer Sünden. Solange alles ungestört im Leben dahingeht, stellen wir uns kaum in das Licht Gottes, um Selbstgericht zu üben. Kommen aber Prüfungen über uns, dann stehen wir still; unser Gewissen wird wach, und wir überdenken unsere Worte, Gewohnheiten und Geschehnisse und beugen uns vor dem HErrn.
Elia blickte nicht auf die Krankheit als Ursache des Todes, sondern er sieht in dem Tod des Knaben die Hand des lebendigen Gottes. Für ihn war es Gott, der das Leben des Sohnes der Witwe hinweggenommen hatte. Er weiß, Gott allein kann es wiedergeben. Er ist kraftlos, aber sein Gott lebt, und er kann beten! Und er tut es - er berührt die mächtigen Hände des lebendigen Gottes - und betet: „Jehova, mein Gott, laß doch die Seele dieses Kindes wieder in dasselbe zurückkehren.“ Wie einfach, wie ungekünstelt und kurz ist sein inbrünstiges Gebet!! Er machte nicht viele Worte (Vgl. Mt 6,7.8; Pred 5,2). Und Gott erhört sein Gebet. Er offenbart Sich als der Gott der Auferstehung, der nicht nur die Quelle und der Erhalter des Lebens ist, der auch dem Tode die Macht nehmen und das Leben wiedergeben kann. „Und Jesus antwortet und spricht zu ihnen: Habet Glauben an Gott!“ (Mk 11,22)