Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 21 - Jahrgang 1936
Die KostbarkeitDie Kostbarkeit
Um zu Kostbarkeiten zu gelangen, muß der Mensch oft einen langen mühseligen Weg gehen. Es stellen sich ihm oft Hindernisse in den Weg, die er nicht meistern kann, und mancher kommt dabei nie zum Ziel. Hier aber soll nicht von Kostbarkeiten der Erde gesprochen werden, sondern von „der Kostbarkeit“. Es gibt nur diese eine! Diese ist so groß, so unbestritten herrlich, daß sie alle irdischen Kostbarkeiten übertrifft und weit in den Schatten stellt.
Diese „Kostbarkeit“ ist der Herr Jesus Christus, der wahrhaftige Gott und das ewige Leben (1Joh 5,20). Wie aber komme ich zu diesem Besitz? Wir lesen dazu 1Pet 2,1-10.
Muß es nicht verwundern, daß der Apostel Petrus im Anfang dieses Kapitels vom Ablegen redet, nachdem er den Fremdlingen von der Zerstreuung im 1. Kapitel bereits gesagt hat, daß sie durch den Glauben an den Herrn Jesus Christus zu einem unverweslichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbteil gekommen sind (V. 4), daß sie den Herrn liebten, obgleich sie Ihn noch nie gesehen haben (V. 8), daß sie mit dem kostbaren Blut Christi, als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken, erlöst worden sind (V. 18 und 19) und daß sie durch den Gehorsam gegen die Wahrheit zur ungeheuchelten Bruderliebe gekommen sind? (V. 22) Warum die Aufforderung des Ablegens? -
Die Eigenschaften, die abgelegt werden sollen, sind kurz gesagt: das Element des natürlichen Menschen! Bosheit, Trug, Heuchelei, Neid und übles Nachreden sind die Dinge, in denen sich die Empfänger des Petrusbriefes ursprünglich bewegten und in denen sie lebten. Dies alles soll durch Ablegen aus ihren Herzen verschwinden. Die Aufforderung des Ablegens des alten Menschen gründet sich auf die höchste Gnade Gottes, weil Er ein vollkommen Neues im Herzen des Gläubigen schafft.
Es ist doch keine Frage, wenn ich einem Kinde in der einen Hand einen Stein anbiete und in der anderen Hand eine schöne Weintraube, daß es, ohne zu überlegen, nach der köstlichen Traube greift. So will uns unser Gott das Böse nehmen und unser Herz von innen heraus gänzlich erneuern.
Im April d. J. sah ich einem Gärtner zu, der Bäume veredelte. Er schnitt ihnen zunächst die Kronen ab und dann setzte er in die frisch blutende Rinde das Edelreis. Das alte „Ich“ muß sterben, dann kann der „Christus“ in mir geboren werden. - Diesem Schnitt des himmlischen Gärtners möchten sich manche Kinder Gottes entziehen und ihren eigenen Willen nicht aufgeben.
Ja, mein teurer Leser, so hoch der Himmel über der Erde ist, sind die Weisheit und Wege Gottes höher als die des Menschen. Ist dies Sein Weg mit uns und sind Seine Segnungen für uns mit dem Sterben des alten Menschen verbunden, so wollen wir den Weg willig gehen, denn Sein Weg ist heilig und führt zum herrlichen Ziel.
So bekommen alle, die abgelegt haben, einen neuen Trieb - „wie neugeborene Kindlein seid begierig nach der vernünftigen unverfälschten Milch des Wortes Gottes“. Haben wir früher eine Begier nach den Dingen dieser Welt an den Tag gelegt, so jetzt durch den göttlichen Gnadenakt von oben eine Begier nach dem Worte Gottes.
Als ich vor 13 Jahren Brüder kennenlernte, die den Herrn Jesus und Sein Wort liebten und deren Speise das Wort Gottes war, sagten sie zuweilen: „Ich habe gegessen.“ Sie wollten damit zum Ausdruck bringen, daß der Herr ihnen wieder Stellen aus Seinem Wort klargemacht hatte, und diese Entdeckung war ihnen wie Milch, die Neugeborene mit Behagen trinken. Durch solches Aufnehmen des Wortes Gottes wachsen wir heran zur Errettung. Nicht als ob die Errettung durch das Blut Jesu noch einer Vervollkommnung von seiten des Menschen nötig hätte, sondern das „Wachsen zur Errettung“ ist das persönliche Inanspruchnehmen des Heils durch den Glauben des einzelnen. Der Glaube ist immer die Hand, die in Empfang nimmt, was Gottes Gnade ihm darreicht.
Darum redet auch der Apostel in diesem Zusammenhang von der Güte des Herrn, die die Fremdlinge damals geschmeckt haben. Ja wahrlich, es ist nur unverdiente Güte und Barmherzigkeit Gottes.
Und nun erst kommt der Heilige Geist zu dem erhabenen Gegenstand, wohin Er die Kindlein im Glauben bringen will. „Zu welchem kommend, als zu einem lebendigen Steine, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar.“ Alle Wiedergeborenen sind zu dem Herrn Jesus Christus gekommen als zu dem Grund- und Eckstein. Wenn der Heilige Geist uns hier den Herrn Jesus als den lebendigen Stein vor Augen führt, so will Er damit andeuten, daß dieser wunderbare Herr von „unerschütterlicher Festigkeit“ ist. Er hat nichts mit irdischen Größen gemein. Sie alle sind leicht erschütterlich und vergänglich. Er aber, unser Herr Jesus Christus, bleibt derselbe gestern, heute und in Ewigkeit - immer derselbe! Er konnte sagen: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Unerschütterliche Majestät in der Höhe und im Heiligtum! Der Prophet Jesajas bringt dies zum Ausdruck, Kap. 28,16: „Siehe, ich gründe einen Stein in Zion, einen bewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, aufs festeste gegründet.“ Solchen Verlaß braucht der Mensch! Wir, die wir doch nichts sind, sollen gegründet werden auf diesen unseren Gott!
Von den Menschen zwar verworfen; ja, von den Menschen wurde dieser wunderbare himmlische Herr nicht erkannt. Sie kreuzigten Ihn, und so hielten sie Ihn für beseitigt (Mt 27,66). Aber Gott hat Ihn auferweckt von den Toten, Er lebt! - Und alle, die an Ihn glauben, werden ebenfalls „lebendige Steine“! - Das ist eben das wunderbare Werk Gottes, daß Er aus Nichtigkeiten lebendige Steine macht. Ein Petrus vor dem Kreuz konnte Ihn verleugnen: „Ich kenne den Menschen nicht.“ Ein Petrus nach der Auferstehung des Herrn sagte: „Denn es ist uns unmöglich, von dem, was wir gehört und gesehen haben, nicht zu reden.“ (Apg 4,20) Und Apg 5,29: „Man muß Gott mehr gehorchen als Menschen.“ Als Luther auf dem Wege zum Reichstag nach Worms war, klopfte ihm der Ritter Frundsberg auf die Schulter und sagte: „Mönchlein, Mönchlein, Ihr geht einen Gang, dergleichen ich und meinesgleichen nie gegangen sind.“ Luther antwortete: „Und wenn soviel Teufel in Worms wären wie Ziegel auf den Dächern, so will ich doch hinein.“ Und so stand er da, ein lebendiger Stein: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir! Amen!“ Und Gott half ihm hindurch. Hundert Jahre früher ließ sich ein Johannes Huß, ein geistesmächtiger Professor, lieber auf dem Scheiterhaufen verbrennen, als daß er von seinem Herrn Jesus Christus gelassen hätte. - So hat der Herr Sein Wort wahrgemacht zu aller Zeit. Diese Kostbarkeit „besitzen“, das ist Leben und Seligkeit. Jeder, der diesen unerschütterlichen Glauben an den Herrn Jesus Christus hat, der besitzt diese Kostbarkeit und hat damit mehr als alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit.
J. Mwz.