Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 10 -Jahrgang 1925
Tit 1,1 - „Gottseligkeit“Tit 1,1 - „Gottseligkeit“
Das2 Wort Gottseligkeit finden wir nur in den Briefen an Timotheus und Titus und in dem zweiten Petribrief.
Gottseligkeit bezeichnet nicht gerade den allgemeinen äußeren Wandel, sondern vielmehr die Lebensart des Glaubens, die sich aus der Erkenntnis des seligen Gottes ergibt. Diese Lebensart, die gleichsam in der Seele durch die Erkenntnis der Wahrheit gebildet wird und so von innen heraus in dem äußeren Betragen in Erscheinung tritt.
Gottseligkeit kann deshalb auch nicht durch Ringen und Anstrengungen unsererseits hervorgebracht werden. Gar manche, besonders im Katholizismus, versuchen durch Anspannung des Fleisches, in religiösen Übungen, Kasteiungen usw. gottselig zu leben. Aber Gottseligkeit läßt sich nicht durch die Kraft des Fleisches hervorbringen, sondern nur durch den Heiligen Geist. Gottseligkeit ist ein Resultat des Ruhens der Seele in Gott, wie Er Sich in Christo geoffenbart hat. Die Erkenntnis Gottes, die Freude und das Ruhen in Seiner Liebe übt eine Wirkung in unserer Seele aus, die dann in unserem äußeren Leben hervorkommt. Das ist das Leben der Gottseligkeit.
Dieses Glaubensleben der Gottseligkeit muß immer gemäß der Offenbarung sein, die Gott von Sich gibt. Die Offenbarungen Gottes waren nicht zu allen Zeiten die gleichen. Gott offenbarte Sich z. B. Adam anders als Abraham, und Abraham anders als Mose, und den Gläubigen des Alten Testamentes anders als uns. Aber immer muß, wie schon gesagt, die Gottseligkeit der Gläubigen gemäß der Offenbarung sein, die je in den verschiedenen Zeitaltern Gott von Sich gab, denn sie muß ihr Gepräge, ihren Charakter von dem Licht empfangen, in dem es Gott gefiel, Sich den Menschen zu offenbaren.
Gott offenbarte sich Abraham als der allmächtige Gott, und Abrahams Glaubensleben bewegte sich in dieser Erkenntnis Gottes. Die Gottseligkeit Abrahams empfing ihren Charakter und Stempel von dieser Gottesoffenbarung. Sein Glaube ruhte in dem Gott, der die Allmacht besaß, und er wandelte demgemäß. Er konnte mit wenigen Knechten fünf Königen nachjagen und sie besiegen. Als der König von Sodom dann an ihn herantrat und ihm für seine Tat Anerkennung und Reichtum anbot, konnte er in dieser Versuchung ihm antworten: „Wenn ich vom Faden bis zum Schuhriemen, ja, wenn ich irgend etwas nehme von dem, was dein ist ...! Auf daß du nicht sagest: Ich habe Abraham reich gemacht.“ (1. Mose 14,23). Er ruhte in der Allmacht seines Gottes, der fähig war, ihm alles zu geben. Um das zu erhalten, was ihm angeboten wurde, bedurfte er nicht des Königs von Sodom. Der allmächtige Gott konnte ihm, wenn Er wollte, alles das geben. Aber Sodoms König sollte nicht sagen: „Ich habe Abraham reich gemacht.“ Mose offenbarte Sich Gott als Jehova. Mose und die Väter nach ihm wandelten in Gottseligkeit gemäß der Offenbarung Gottes als Jehova.
Wenn wir die Geschichte der Männer Gottes des Alten Bundes und die Psalmen lesen, so finden wir, daß sich die Gottseligkeit jener Tage in vielen Dingen von der in unseren Tagen unterscheidet. Dieses muß sein, weil wir in dem Lichte einer größeren Offenbarung leben als sie. Wir besitzen die Offenbarungen Gottes nicht mehr in Schatten und Vorbildern, sondern in Christo Jesu. In Ihm haben wir die vollkommene Offenbarung Gottes. Gottseligkeit heute muß deshalb der Offenbarung gemäß sein, die wir jetzt von Gott besitzen, nämlich gemäß der Offenbarung Gottes in Christo. Diese Gottseligkeit können wir nur in dem Anschauen dessen hienieden lernen, in dem die Offenbarungen uns gegeben wurden. Soviel wir auch aus dem gottseligen Leben der Heiligen des Alten Testamentes als Vorbildern lernen können, so ist doch „das“ Vorbild für uns Christus, in dem uns die letzte und vollkommene Offenbarung Gottes geworden ist. Gottseligkeit in unseren Tagen muß sich deshalb in gar manchen Stücken unterscheiden von der Gottseligkeit in den früheren Zeitaltern, weil sie immer der jeweiligen Offenbarung Gottes gemäß sein muß, denn die Erkenntnis Gottes ist es, die unserem Leben Charakter und Gepräge gibt.
Wie wichtig ist es deshalb, in der Erkenntnis Gottes zu wachsen. Sind wir darin unwissend und verkehrt, so kann unser Leben wohl ein ehrbares oder auch ein gesetzliches usw. sein, aber nicht „nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist“.
Gott will in unserem Leben gesehen sein. An uns sollen die Menschen Gott lesen. Unser Leben muß deshalb fließen und gebildet werden aus der Erkenntnis Gottes in Christo. Die Erkenntnis Gottes übt ihre wirkende Kraft auf unseren Geist und auf unsere Seele aus, und so kommt von innen, vom Herzen aus ein Leben hervor, das nach dem Bilde Christi gestaltet ist. Gottseligkeit ist somit die Praxis der Erkenntnis Gottes, und sie zeigt, wie weit die Wahrheit in unserem Herzen gewirkt und Wurzel gefaßt hat. Ist es nicht eine ernste und prüfende Frage für uns, ob Gott Seiner Offenbarung in Christo gemäß in unserem Leben gesehen wird? Geben wir den Menschen das rechte Bild von Gott, so wie Er sich in Christo geoffenbart hat? Wie verschieden werden wir dann von der Welt sein, die nach Geld und Lust jagt und deren Sinn auf das gerichtet ist, was unten ist! Durch uns soll die Welt erfahren, daß Gott in Christo Sich in Gnade geoffenbart hat und daß Er will, daß der Sünder gerettet und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen soll. Ein Bild geben wir immer von Gott, entweder ein rechtes oder ein falsches. Wie verantwortungsvoll und ernst ist es für uns, wenn wir den Menschen ein falsches Bild von Gott geben. Zeigt unser Leben nicht das rechte Bild Gottes, dann stimmt etwas nicht in unserem Herzen, und dann sind Dinge dort, die nicht gerichtet sind. Und ebenso ist es in dem Zusammenkommen der Kinder Gottes. Die Gemeinde ist Sein Haus, in dem Er gesehen und erkannt werden will. Wenn ein Mensch aus dem Heidenlande, der gehört hätte, daß wir den lebendigen Gott kennen, in unsere Versammlung hereinkäme, würde er dann Gott sehen? Würde es ihm so gehen, wie wir in 1Kor 14,25 lesen, daß er auf sein Angesicht fällt und Gott anbetet und verkündigt, das Gott wirklich unter uns ist? Würde ein solcher in dem, wie wir uns benehmen, was wir reden, kurz an dem ganzen Ton und der Art, Gott sehen? Gott schämte Sich nicht, Abrahams Gott genannt zu werden, müßte Er Sich schämen, unser Gott genannt zu werden? Wie wichtig ist deshalb die Ermahnung Petri: „Wachset aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi!“ (2. Petrus 3,18). v. d. K.
2 Bruchstücke aus einer Ansprache.↩︎