Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 22 - Jahrgang 1937
1Thes 5,1-11 – Der Tag des Herrn1Thes 5,1-11 – Der Tag des Herrn
Über zwei Dinge hatte der Apostel nicht nötig, den Thessalonichern zu schreiben: 1. über die Bruderliebe und 2. über den Tag des HErrn; denn sie waren von Gott gelehrt, einander zu lieben, und über den Tag des Herrn waren sie unterrichtet worden. (1Thes 4,9; 5,2)
Das Licht der Liebe Gottes hatte ihnen geleuchtet. Diese göttliche Liebe, die durch den Heiligen Geist in ihre Herzen ausgegossen war, begann in ihnen zu wirken und floß nun von ihnen auf ihre Brüder über. Der Apostel hatte deshalb nicht nötig, ihnen über die Bruderliebe zu schreiben.
In ähnlicher Weise schreibt der Apostel Johannes den Kindlein: „Die Salbung, die ihr von Ihm empfangen habt, bleibt in euch, und ihr bedürfet nicht, daß euch jemand belehre, sondern wie dieselbe Salbung euch über alles belehrt und wahr ist und keine Lüge ist, und wie sie euch belehrt hat, so werdet ihr in Ihm bleiben.“ (1Joh 2,27) Durch den Heiligen Geist war in ihnen göttliches Empfinden geweckt worden. Sie hatten gewissermaßen das Empfinden eines kleinen Kindes, das sich an der Mutter Brust schmiegt und von einem Fremden, den es nicht kennt, wegwendet. Aber doch hielt es der Apostel für notwendig, sie vor Verführern zu warnen. Ihre Sicherheit lag in der Tatsache, daß sie von Gott Selbst gelehrt und durch die Kraft und Wirkung der göttlichen Liebe gebildet und umgestaltet worden waren.
Durch diese Umgestaltung trugen sie den Charakter von Söhnen des Lichtes und Söhnen des Tages. „Ihr alle seid Söhne des Lichtes und Söhne des Tages; wir sind nicht von der Nacht, noch von der Finsternis.“ (1Thes 5,5) Nacht und Finsternis sind die Kennzeichen der Welt; und mit diesen beiden verbunden sind noch zwei andere Kennzeichen, nämlich Schlaf und Trunkenheit. „Die da schlafen, schlafen des Nachts, und die da trunken sind, sind des Nachts trunken.“ (V. 7) Diese Charakterzüge drücken das völlige Versunkensein der Welt in Finsternis über Gott aus und zeigen andererseits, wie die Berauschung an den Dingen der Welt jedes nüchterne Denken und Urteilen über göttliche Dinge zerstört. Wie scharf auch der Verstand eines Menschen und wie groß auch seine Willenskraft sein mögen, kennt er Gott nicht, so ist seine Seele in Finsternis, und „wer in der Finsternis wandelt, weiß nicht, wohin er geht“. (Joh 12,35)
Aus diesem Zustand ist der Gläubige durch das Licht Gottes herausgeführt worden. Und soweit dieses Licht durch den Heiligen Geist in uns wirkt, scheinen wir als Lichter in der Welt, stellen das Wort des Lebens dar (Phil 2,15.16) und verkündigen die Tugenden dessen, der uns berufen hat aus der Finsternis zu Seinem wunderbaren Licht (1Pet 2,9). Und nicht allein das, wir werden auch durch den Heiligen Geist bekannt mit der Herrlichkeit jenes Tages, der die lange Nacht der Torheit und Sünde des Menschen beendet. In einem gewissen Maße tragen wir schon etwas von den Kennzeichen jenes Tages an uns, an dem die ganze Erde Seiner Herrlichkeit und Seines Ruhmes voll sein und in ungestörtem Frieden und Freude ruhen wird (Hab 2,14; 3,3). Alsdann werden die Menschen Gott kennen und sich Seiner freuen. So wie jetzt alle Dinge in einem gewissen Maße den Stempel des gefallenen Menschen tragen, so wird dann alles zum Segen der Menschen das Wesen Gottes widerspiegeln. Wunderbarer und herrlicher Weg! Die Erlösten des Herrn werden zurückkehren „und nach Zion kommen mit Jubel, und ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; sie werden Wonne und Freude erlangen, und Kummer und Seufzen werden entfliehen“ (Jes 35,10). Der Tod wird verschlungen sein auf ewig, und die Tränen werden von jedem Angesicht abgewischt werden. (Jes 25,8)
Die gläubigen Thessalonicher besaßen die prophetischen Schriften, die die Herrlichkeit und die Segnungen jenes Tages des Herrn bezeugen. Aber erst durch die Erkenntnis Gottes waren sie befähigt, die Weissagungen zu erfassen und Verständnis von dem Tage des Herrn zu haben. Wenn der Tag anbricht und der Morgenstern in dem Herzen des Gläubigen aufgeht, entfalten sich die Weissagungen in einer Fülle, Vollständigkeit und Klarheit, in der wir sie zuvor nicht sahen.
Durch die Erkenntnis Gottes und im Lichte der Herrschaft Christi sehen wir, daß gewisse Dinge geschehen müssen, weil sie durch Gottes Herrlichkeit und Gerechtigkeit bedingt sind. Unsere Fähigkeit im Verstehen des Wortes der Wahrheit steht ohne Zweifel im Verhältnis zu unserer Gotteserkenntnis. Die Thessalonicher mußten deshalb auch mit der anderen, sehr ernsten Seite dieses Tages bekannt gemacht werden. Sie wußten genau, daß für die schlafende Welt der Tag des Herrn wie ein Dieb in der Nacht kommen werde.
Jeder, der Gott und Sein Wort kennt, weiß und versteht, daß Gott jetzt an dem Tage Seiner Gnade noch nicht in den Lauf der Welt eingreift, um sie in Ordnung zu bringen. Heute ruft Gott durch das Evangelium die einzelnen aus der Welt heraus, rechtfertigt sie von Schuld und versiegelt sie mit dem Heiligen Geist. Diese Herausgerufenen sind Seine Untertanen, die Ihm dienen. In ihnen wird Sein Königreich jetzt gesehen, aber es ist noch nicht öffentlich aufgerichtet und kundgemacht. Diejenigen aber, die von Gott gelehrt sind, kennen die Ziele Gottes und wissen, was sich ereignen muß, wenn Er in den Lauf der Welt eingreift.
So wie Gott es einst Saulus von Tarsus zuließ, bis zu einem gewissen Punkt in Eigenwillen seinen Weg zu gehen, ihn dann aber in einem Augenblick durch das Licht vom Himmel demütigte, zerbrach und zu Seinen Füßen niederbeugte, so läßt Gott es auch der Welt zu, in Eigenwillen und anmaßendem Stolz ihre erstrebten Ziele zu erreichen. Aber in einem Augenblick wird auch sie gedemütigt und zum Schemel Seiner Füße gelegt werden.
In dem ersten Falle (Saulus) offenbarte sich die unterwerfende Kraft des Herrn in Gnade - im anderen dagegen wird
Seine unterwerfende Kraft Sich im Gericht offenbaren: „Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit, dann kommt ein plötzliches Verderben über sie, gleichwie die Geburtswehen über die Schwangere, und sie werden nicht entfliehen.“
Kennen wir Gottes Gedanken und Vorsätze, die Er über diese Welt hat, so ist die Folge, daß der Gläubige sich von der Welt und ihrem Wesen trennt. Als Söhne des Lichtes und des Tages stößt uns die Welt mit all ihrem Prahlen und ihren Anmaßungen ab. Unser Herz wünscht allein die Erhöhung des Herrn, und alles, was dem widerspricht, bewirkt in unserem Herzen Schmerz und Widerwillen. Der Apostel setzt in seinem Briefe voraus, daß es so bei den Thessalonichern ist, und ermahnt sie, darin zu verharren und das, was sich für sie als Söhne des Lichtes schickt, festzuhalten. „Also laßt uns nun nicht schlafen wie die übrigen, sondern wachen und nüchtern sein.“ „Wir aber, die von dem Tage sind, laßt uns nüchtern sein.“ Wir sollen einer Wache gleichen, die während der Nacht wacht - und sollen uns von jedem berauschenden Einfluß frei halten, damit wir nicht in Gefahr kommen, den nüchternen Sinn zu verlieren. Nichts ist gefährlicher als religiöse Berauschung irgendwelcher Art.
Die Waffenrüstung, die uns gegen die uns umgebenden Einflüsse schützt, besteht in drei Dingen: Glaube, Liebe und Hoffnung. Der Brustharnisch und der Helm bedecken die lebenswichtigen Körperteile des Menschen. Unser Schutz liegt in dem vom Geiste Gottes gewirkten Zustand. Wenn Glaube und Liebe in unserem Herzen wirksam sind, werden wir nicht schlafen. Und wenn das Licht der Hoffnung hell in unseren Seelen leuchtet, so werden die berauschenden Einflüsse der Welt uns den nüchternen Sinn nicht benebeln noch der Glanz und Schimmer der Welt uns betrügen.
Der Glaube führt uns in das Licht der unsichtbaren Welt, und wir leben in den Dingen, die geistlich sind und außerhalb dieser Welt sich befinden, und wenn göttliche Liebe uns umgestaltet, dann nimmt der Herr den ersten Platz in unserem Herzen ein, und wir suchen und finden unsere Verbindung in dem Kreise der Seinigen. Und in der Hoffnung erwarten wir nichts Geringeres, als Anteil zu haben an dem Erbe Dessen, Der für uns gestorben ist. Und wir schätzen diesen Anteil, weil es Seine Freude ist, ihn uns zu geben; denn Er starb, damit wir zusammen mit Ihm leben möchten. (1Thes 5,10)
Das ist unser sicheres, herrliches Los, welches uns erwartet. Es macht deshalb nichts aus, ob wir noch längere Zeit auf unserem Wachtposten zu verharren haben oder ob wir entschlafen; nie ist Gottes Zorn unser Teil, sondern die Seligkeit und ein Anteil mit Ihm, der für uns gestorben ist.
Eins ist gewiß, der Herr ist nahe. O möchten wir unseres Gottes würdig wandeln, der uns zu Seinem Königreich und Seiner Herrlichkeit berufen hat!
A. d. Engl. übers. v. A. Brachmann.