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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 21 - Jahrgang 1936
Philippus' vierfache BelehrungPhilippus' vierfache Belehrung
Die Schrift ist zu unserer Belehrung, Tröstung und Ermahnung geschrieben. Darum hat es dem Heiligen Geiste gefallen, gewisse Ereignisse der Jünger Christi zu berichten. Philippus wird im Johannesevangelium viermal erwähnt.
Das erstemal berichtet uns die Schrift (Joh 1,43) über Philippus, wie er von dem Vater zum Sohne gezogen wird. Der Gute Hirte sucht Sein Schaf. Jesus wollte nach Galiläa gehen „und findet Philippus“. Ist das nicht auch ebenso mit uns geschehen? Können wir nicht auch sagen: „Eh ich Dich suchte, fandest Du mich
Und nahmst mich gnädig an.“?
Der überglückliche Philippus erzählt voll Freude dem Nathanael sein Erleben: „Wir haben Den gefunden, von welchem Moses in dem Gesetz geschrieben und die Propheten, Jesum, den Sohn des Joseph, den von Nazareth.“ Und er ladet ihn ein mit den Worten: „Komm und sieh!“
Das Sehnen seines Herzens, die tiefe Not seines Gewissens wurden gestillt, denn er hatte nicht allein den Messias, sondern auch das Lamm Gottes, den eingeborenen Sohn im Schoße des Vaters gefunden. Er hatte den Einen kennengelernt, der allen seinen Nöten begegnen konnte.
Ist dies nicht die Weise des Vaters, wie Er mit uns allen handelt? Ist es nicht Seine größte Freude, wenn Er uns zeigen kann, daß alle unsere Not als arme und verlorene Sünder in Jesus, dem Sohn Seiner Liebe, vollkommen gestillt werden kann? Erst dann, wenn wir den Wert Seines Werkes als des Lammes Gottes erfassen, sind wir geistlich frei, Seinem Ruf: „Folge Mir nach!“ gehorsam zu sein.
Als Gott zum ersten Male Abraham die Frohbotschaft verkündigte, ihn zu segnen, sagte Er nicht nur: „Ich will dich ... segnen“, sondern auch: „Und du sollst ein Segen sein.“ Wenn wir in Christo noch nicht volle Genüge gefunden haben, daß wir gleich Philippus gedrängt werden, andere an dem Segen der Erkenntnis des Einen, den wir gefunden haben, teilhaben zu lassen, so beweisen wir damit deutlich, daß wir Philippus' erste Lektion noch nicht gelernt haben.
Wie kann uns geholfen werden? Joh 7,37.38 lesen wir: „Jesus stand auf, rief und sprach: Wenn jemand dürstet, so komme er zu Mir und trinke. Wer an Mich glaubt, gleichwie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Wenn wir den dürstenden Menschenherzen kein Lebenswasser zu bringen vermögen (sei es den Heiligen oder den Sündern), so ist es uns not, zu des Meisters Füßen zu sitzen, um mit Philippus zu erfahren, daß Er uns so zu füllen vermag, daß es auf andere überfließt.
Das zweitemal wird Philippus in Joh 6 erwähnt. Jetzt hat er eine Lektion in der Wüste zu lernen. Wenn wir bei unserem ersten Kommen zum Herrn die Fülle entdecken, die in Ihm für uns vorhanden ist, und die Ketten unserer ägyptischen Knechtschaft für immer zerbrochen sehen, so ist unsere nächste Aufgabe, zu erfassen, daß derselbe, der unsere Sünden in Seinem Tode gesühnt hat, uns auch durch die Wüste dieser Welt sicher hindurchführt. Mit Philippus müssen wir lernen, daß Er für alle unsere Bedürfnisse sorgt.
In unserem Kapitel finden wir die Jünger in einer Schwierigkeit. Sie haben nichts zu essen und sehen auch keinen Weg, wie sie der Not abhelfen könnten. Da wendet der Herr Sich an Philippus mit der Frage: „Woher sollen wir Brot kaufen, auf daß diese essen?“ Philippus und Andreas antworten beide, aber sie machen ihre Berechnungen ohne den Herrn. Der eine schaut auf die Größe der Schwierigkeit, der andere auf die kargen Mittel. Sind wir in schwierigen Lagen ihnen nicht oft sehr ähnlich? Wie tröstlich aber ist es, zu wissen, daß, wenn in den Prüfungen der Wüste unser Herz offenbar wird, auch das Herz und die Hilfe des Herrn offenbar werden. Denn wir lesen: „Er Selbst wußte, was Er tun wollte.“ Das will uns sagen, daß Er den Weg aus den Prüfungen weiß, ehe sie über uns kommen. Wenn unser Glaube mit Ihm rechnet, so werden wir erfahren, daß es für Ihn keine Schwierigkeit gibt, aus der Er uns nicht herauszuführen vermag.
Philippus entdeckte dies, als er den Herrn sagen hörte: „Machet, daß die Leute sich lagern.“ Das viele Gras an diesem Ort mag uns daran erinnern, daß Er Seine Schäflein gern auf grünen Auen und an stillen Wassern weidet. Die Mühsal des Weges ist Ihm oft gerade das Mittel, uns Seine unumschränkte Macht zu offenbaren, mit der Er uns aus jeder Schwierigkeit herausführen kann.
Danach unterweist Er uns, daß Er nicht nur unsere zeitlichen Bedürfnisse befriedigen will, sondern daß Er das wahrhaftige Brot aus dem Himmel - das Brot Gottes ist, der der Welt das Leben gibt. Und indem wir uns von diesem Brote nähren, haben wir das hohe Vorrecht, die Gemeinschaft mit dem Vater zu genießen.
In Joh 12 finden wir Philippus ein drittes Mal erwähnt. Er ist mit einer Anzahl suchender Griechen im Gespräch, die Jesus zu sehen wünsche. Er weist sie nicht einfach zurück; er hat Interesse an ihren Seelen und teilt ihren Wunsch, Jesum zu sehen, Andreas mit. Beide gehen alsdann miteinander zum Herrn, um es Ihm zu sagen. Wie groß aber mag ihr Erstaunen gewesen sein über die neue Lektion, die der Herr ihnen jetzt erteilt!
Zu keiner Zeit Seines Erdenwandels schienen die Umstände so günstig für die Aufrichtung Seines Königreiches und die Offenbarung Seiner Herrlichkeit zu sein wie an jenem Tage. Sein Weg wurde mit Palmzweigen bestreut, Hosiannarufe schallten Ihm entgegen, und in Erfüllung des prophetischen Wortes: „Siehe, dein König kommt, sitzend auf einem Eselsfüllen“, ritt Er in Jerusalem ein. „Die Welt läuft Ihm nach“, sagten die Pharisäer in ihrem Haß. Und nun suchten auch die Heiden Ihn und vollenden somit das erhebende Bild des Willkommens.
Der Herr aber barg in Seinem Herzen ein Geheimnis, das ihnen noch fremd war. Er wendet Sich von dem strahlenden Vordergrund des Königreiches weg und dem dunklen Hintergrund des Kreuzes und des Grabes zu. Können wir uns die Verwunderung des Philippus angesichts seiner glühenden jüdischen Hoffnungen vorstellen, als der Herr jetzt von Sich als von einem Weizenkorn redet, daß in die Erde fallen und sterben muß, damit es nicht allein bleibe?
Wir wissen, was der Herr meinte, aber für Philippus war es ein neues Offenbaren des göttlichen Zieles. Wie lassen uns diese Worte tief in das Herz unseres Herrn schauen! Es befriedigte Ihn nicht, Seine Herrlichkeit allein zu besitzen; Er will Seine Geliebten bei Sich haben; sie sollen das Erbe mit Ihm, dem wahren Erben, teilen. Wie öffnet uns dies den Blick in das zukünftige Zeitalter, da wir als Kinder, geliebt vom Vater - als Braut, geliebt vom Bräutigam - in Herrlichkeit werden offenbar werden als die Frucht jenes Weizenkornes, das in die Erde fiel und starb! -
Noch einmal, das viertemal, in Joh 14 sehen wir den Meister und Philippus beisammen. Wenn wir über die Unterredung nachdenken, überrascht uns die Geduld und die Herablassung des Lehrers Seinem Schüler gegenüber. Wie freundlich und ergreifend beantwortet der Herr die Bitte des Philippus, ihm den Vater zu zeigen: „Solange Zeit bin Ich bei euch, und du hast Mich nicht erkannt, Philippus?“
Während der ganzen Jahre der Jüngerschaft hatte der gesegnete Sohn des Vaters den Vater kundgemacht. Jedes Wort, jedes Wunder, jede Handlung Seines Lebens waren der lebendige Ausdruck des Vaters. Wer Ihn gesehen hatte, hatte den Vater gesehen. Welch ein Trost für uns, die wir so langsam lernen, daß der Herr, anstatt zu tadeln, die Lektion noch einmal mit Philippus durchgeht! Er sucht es seinem Glauben faßbar zu machen, daß Er in dem Vater und der Vater in Ihm sei und dieser die Worte spreche, die Er zu ihnen rede, und auch die Werke vollführe, die Er tue. Alsdann ermutigt Er Seine Jünger durch den Hinweis, daß alle Hilfsquellen des Vaters ihnen - den Bittenden - geöffnet seien.
Und nun wollen wir uns fragen: Haben wir die vier Lektionen des Philippus gelernt? Haben wir Ihn gefunden als den Heiland unserer Seele und auch als den Helfer in jeder Not und Schwierigkeit? Schauen wir aus nach dem Tage Seiner Herrlichkeit, an dem wir als Miterben Seinem Herzen nahe sein sollen? Wenn dies der Fall ist, so laßt uns täglich mehr im Glauben das wunderbare Offenbarwerden des Vaters im Sohne erfassen, damit Er nicht auch zu uns sagen müsse: „Solange bin Ich bei euch, und du hast Mich nicht erkannt!“
H. N. - H. K. W.