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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 16 - Jahrgang 1931
3Mo 23,26-32 - Die Feste Jehovas - Der Versöhnungstag (9)3Mo 23,26-32 - Die Feste Jehovas - Der Versöhnungstag (9)
Der Tag der Versöhnung.
Zweiter Teil.
Nun möchten wir die Bedeutung dessen, was an dem großen Versöhnungstage stattfand, näher betrachten und ebenso auch den Platz, den dieses Fest in der Reihe der Feste Jehovas einnimmt. Es ist sicher noch mehr darin enthalten als nur das Sühnungswerk Christi in seiner zweifachen Bedeutung: 1. für Gott und 2. für das Volk.
Die Ziegenhaar-Teppiche der Stiftshütte.
Diese zweifache Bedeutung wird sehr schön durch die Ziegenhaar-Teppiche zum Ausdruck gebracht, die die ganze Stiftshütte überdeckten und die über die inneren Teppiche aus gezwirntem Byssus gehängt wurden. Diese inneren Byssus-Teppiche bildeten von innen gesehen die Decke der Hütte und wurden die „Wohnung“ genannt (2Mo 26,1.6). Die nach außen sichtbaren Ziegenhaar-Teppiche dagegen wurden das „Zelt“ genannt (V.11-13). In ersteren sehen wir Christus in Seiner Bedeutung als das Brandopfer, und, wie gesagt, damit in Verbindung wird die Stiftshütte „die Wohnung Jehovas“ genannt. In letzteren (den Ziegenhaar-Teppichen) sehen wir Christus als das Sündopfer, und in Verbindung mit diesen wird die Hütte das „Zelt“ - das Zelt der Zusammenkunft - genannt.
Die Ziegenhaar-Teppiche wurden (gleich den Byssus-Teppichen) in einer Breite von je vier Ellen gemacht. Zusammengefügt überragten sie durch ihre größere Länge von der Rück- bis zur Vorderseite der Hütte die inneren Teppiche um vier Ellen. Der Herr gebot, daß dieses überragende Maß der Ziegenhaar-Teppiche an der Vorderseite des Zeltes verdoppelt werden solle. Somit hing der eine Teil davon über die Vorderseite der Hütte und schaute sozusagen innenwärts nach dem Thron Gottes, und der andere Teil schaute gleichsam auswärts nach der Gemeinde Israel. So finden wir hier ein beständiges Zeugnis von dem zweifachen Charakter der Sühnung, wie sie den Forderungen Gottes und auch den Bedürfnissen des Sünders begegnet.
Der Richterstuhl Christi.
Wir bemerkten schon, wenn alles dieses wieder am zehnten Tage des siebenten Monats geschah, daß es nicht bloß in einer allgemeinen Weise auf die kostbare Wahrheit, die wir betrachteten, hinwies, sondern daß auch eine ausgesprochen bildliche Bedeutung durch diesen besonderen Tag zum Ausdruck kam.
Laßt uns nun den Platz dieses Tages in der Reihe der Feste beachten. Ihm ging vorauf das Fest des Posaunenhalles, und ihm folgte in kurzem Abstand das Laubhüttenfest. In dem ersteren (dem Fest des Posaunenhalles) sahen wir bereits ein Vorbild der Sammlung des Volkes Gottes - sowohl des himmlischen Volkes (in dem Entrücktwerden in Wolken dem Herrn Jesus entgegen) als auch des irdischen Volkes in Verbindung mit Seinem Herniederkommen auf den Ölberg.
Das Laubhüttenfest stellt, wie wir etwas später sehen werden, die vollkommene Freude der Erlösten bei dem Herrn dar: Zwischen diesen beiden Festen (Posaunenhall und Laubhütten) lag der große Versöhnungstag. In bezug auf die, welche entrückt werden dem Herrn entgegen in die Luft, ist kaum ein Zweifel möglich, daß derselbe auf den Richterstuhl Christi hinweist, denn wenn wir all die Einzelheiten dieses Tages beachten, wie wir sie in 3Mo 16 finden, können wir darin eine vollkommene Übereinstimmung mit dem Richterstuhl Christi erkennen.
Wir erinnern uns noch einmal der drei großen Züge dieses Tages: Versöhnung, Beugung und Ruhe. An diesem Tage wurden die Sünden des Volkes, die während eines ganzen Jahres geschehen waren, mit einer völligen und außerordentlichen Genauigkeit überprüft. Die einzelnen hatten zwar ihre Sünd- und Schuldopfer von Zeit zu Zeit dargebracht und auch persönlich diese oder jene Sünde bekannt. Doch wie unvollständig konnte dies in den einzelnen Fällen gewesen sein! Wie viele Sünden mochten vielleicht übersehen oder, wenn man sich ihrer erinnert hatte, nicht für groß genug gehalten worden sein, besondere Notiz davon zu nehmen. An diesem Tage aber geschah das Bekenntnis der Sünde nicht nach dem schwachen Gedächtnis oder der mangelhaften Einschätzung des einzelnen, sondern der Hohepriester selbst, göttlich befähigt und belehrt, enthüllte sie alle.
Das Bekenntnis der Sünden durch den Hohenpriester.
Mit dem feierlichen Bekenntnis des Hohenpriesters wird dreimal das Wort „alle“ in Verbindung gebracht. „Und Aaron lege seine beiden Hände auf den Kopf des lebendigen Bockes und bekenne auf ihn alle Ungerechtigkeit der Kinder Israel und alle ihre Übertretungen nach allen ihren Sünden.“ (3Mo 16,21) Aber trotzdem folgte nach diesem Bekenntnis kein Blutvergießen, noch ein neues Werk der Sühnung. Zu keiner Zeit und bei keiner Gelegenheit finden wir die unermeßliche Wirkung der Sühnung so klar enthüllt wie hier. Das Blut nur eines Opfers für das Volk wurde am großen Versöhnungstage in das Allerheiligste getragen und auf Gottes Thron gesprengt.
Darauf folgte dann das Bekenntnis der Sünden des Volkes durch Aaron, und dies Bekenntnis mußte wieder in einer ganz besonderen Weise geschehen, durch welche dem Volke deutlich vor Augen geführt wurde, daß seine Sünden nie wieder erwähnt und ihrer nie wieder gedacht werden würde. Das Blut war ins Heiligtum getragen, und dies Bekenntnis der Sünden fand in dem alles überstrahlenden Glanze der Vollkommenheit der geschehenen Sühnung statt, die offenbarte, daß Gott, der alles wußte, auch für alles völlige Vorsorge dadurch getroffen hatte, daß das Blut zuvor ins Heiligtum getragen werden mußte.
Gewiß fand hier noch einmal ein Erinnern der Sünde statt, und es war sogar ein außerordentlich ernstes, aber die ganze Zahl der Sünden, derer gedacht wurde, konnte nur den Wert des Sühnungsblutes in einem um so helleren Licht erstrahlen lassen, denn es legte vor dem Gnadenstuhl das Zeugnis ab, daß Gottes Forderungen vollkommen befriedigt waren.
Und ist es nicht gerade dieses, was vor dem Richternstuhl Christi stattfinden wird? Wir lesen in 2Kor 5,10: „Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden.“ Und damit stimmt auch überein, was wir in 1Kor 4,5 lesen: „So urteilet nicht etwas vor der Zeit, bis der Herr kommt, welcher auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Ratschläge der Herzen offenbaren wird.“ In dieser letzten Stelle wird das, was am Richterstuhl geschieht, in engste Verbindung mit dem Kommen des Herrn gebracht, so daß wir daraus schließen können, daß das eine unmittelbar dem anderen folgt.
Dies stimmt genau mit den Belehrungen des großen Versöhnungstages überein. Im Vorbilde ging der Hohepriester allein in das Heiligtum, obwohl er für das Volk hineinging. Aber wenn Christus für die Seinigen kommt, dann wird das Verlangen Seines Herzens gestillt werden: „Vater, Ich will, daß die, welche Du Mir gegeben hast, auch bei Mir seien, wo Ich bin.“ (Joh 17,24) Alsdann wird der unermeßliche Wert des Sühnungsblutes Christi wie nie zuvor geschaut werden, denn die Schar der erlösten Sünder wird nicht mehr als „Geister der vollendeten Gerechten“ geschaut, sondern als Personen, die, gleichförmig Seinem Leibe der Herrlichkeit, Gott nahegebracht sind. Alle Forderungen der Heiligkeit Gottes sind befriedigt, und das Recht des erlösten Sünders, in Gottes Gegenwart zu sein, ist für immer vollkommen festgestellt. Dann folgt der Richterstuhl. Das Verborgene der Finsternis wird ans Licht gebracht, und die Ratschläge der Herzen werden offenbar. Jeder einzelne wird vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden. - Alles dieses stimmt überein mit dem Bekenntnis aller Übertretungen Israels durch Aaron, dem dennoch kein Opfer folgte. Erst als der vollkommene Wert der vollbrachten Versöhnung sichtbar war, folgte in dem Lichte ihres unermeßlichen Wertes das Bekenntnis.
Das Bild einer Familie.
Durch den Gebrauch eines Bildes kann man oft eine Sache verständlicher machen. Nehmen wir an, ein Vater wäre längere Zeit von seiner Familie und seinem Hause abwesend. Während seiner Abwesenheit unterrichtet die Mutter ihn von allem, was im Hause geschieht, und teilt ihm auch alles eingehend über das Verhalten der Kinder mit. Zuweilen betrugen sie sich schlecht und mußten bestraft werden. Alles dies berichtete sie dem Vater, ebenso aber auch ihr gutes Betragen, ihren Fleiß in der Schule, ihren allgemeinen Gehorsam, und die Kinder wußten dieses. Schließlich nahte der Tag der Rückkehr des Vaters. Er schreibt ihnen, daß er kommen werde, ohne jedoch den bestimmten Tag anzugeben. Alle sind in froher Erwartung, und als er kommt und seine Stimme gehört wird, eilen alle, mit Freuden ihm zu begegnen. In dem Jubel, den Geliebten zu sehen, ist alles vergessen, denn alle, ohne Ausnahme, haben ihn von
Herzen lieb. Nachdem die erste Begrüßung vorüber ist, steigen in ihren Herzen Gedanken an ihre Verfehlungen in der Abwesenheit ihres Vaters auf. Nicht, als ob sie Strafe fürchteten, sie hatten diese seinerzeit empfangen, und dieselbe wurde sicher nicht wiederholt, aber sie sind nicht ganz glücklich, bis alles geordnet ist. Bald hernach nimmt der Vater Gelegenheit, mit jedem einzelnen zu reden. Er hat Geschenke für die Kinder mitgebracht, und in der Zuteilung derselben bringt er jedem seine Anerkennung wie auch Verurteilung ihres Verhaltens zum Ausdruck. Es wäre ihm Freude gewesen, ihnen noch größere Belohnung zu geben, aber gewisse Vorkommnisse in ihrem Betragen ließen dieses nicht zu. - Damit ist nun alles zum Abschluß gekommen, obgleich manche Beugung und Beschämung Platz gefunden hatte, als Letztes aus dieser ernsten Stunde des Rückblickes über alle Geschehnisse der Vergangenheit blieb nur die dankbare Freude über alle Liebe und Geduld des Vaters zurück. Nichts aus ihrer Vergangenheit wird je wieder berührt, und kein Schatten vermag je wieder den Genuß der Liebe des Vaters zu trüben.
Ein Blick auf den Richterstuhl.
Dieses Beispiel mag uns, wenn auch in schwacher Weise, ein Bild von dem Richterstuhl geben und zugleich auch eine Vorstellung von dem, was in besonderer Weise in Verbindung mit dem Fest der Versöhnung ausgedrückt wird. Wie wir bemerkten, kommen in dem Feste drei Dinge in besonderer Weise zum Ausdruck: Versöhnung, Beugung und Ruhe, und diese drei Dinge sind es gerade, die auch in Verbindung mit dem Richterstuhl hervortreten. Der Wert der Sühnung ist so völlig enthüllt, daß das Offenbarwerden der verborgenen Dinge im Leben der Gläubigen und der Gedanken des Herzens nicht sein Anrecht, vor Gott zu stehen, berühren kann. Und doch ist eine Beugung notwendig. Die letzte Betrübnis eines Kindes Gottes über seine Vergangen wird am Richterstuhl Christi sein. Nun folgt die Ruhe, denn es ist das letzte Mal, daß diese Dinge berührt werden. Geradeso wie der Bock, auf dessen Haupte alle Sünden Israels bekannt wurden, in die Wüste getrieben, nie wieder gesehen wurde, so hat alsdann auch jede Erwähnung oder jedes Gedenken unserer Sünden für immer aufgehört.
Aarons Bekenntnis für ganz Israel am zehnten Tage des siebenten Monats war die Ergänzung ihres sehr unvollkommenen Bekenntnisses in der Zeit eines vergangenen Jahres. Wohl waren im Laufe des Jahres Sünd- oder Schuldopfer gebracht worden, je nachdem das Gewissen den einzelnen betreffs besonderer Übertretungen dazu gemahnt hatte. Jedesmal war das Opfer geschlachtet und etwas von seinem Blut an den ehernen Brandopfer-Altar gebracht. So vereinigte sich das Bekenntnis der Sünde mit dem Sühnungsblut zur Befriedigung der göttlichen Forderung und der Erhaltung des Opfernden in seiner Stellung zu Gott. Alles dieses aber war sehr unvollkommen, und über viele Sünden mochte hinweggegangen sein. Jede Mangelhaftigkeit, alles Versäumte, wurde am großen Versöhnungstage nachgeholt. Daher wurde das Blut nicht an die Hörner des ehernen Altars im Hofe, noch an die Hörner des goldenen Rauchaltars vor dem Vorhang, sondern hinter den Vorhang zum Throne selbst getragen. Und dann bekannte derselbe Hohepriester, der das Blut für das Volk ins Heiligtum getragen hatte, ohne etwas zu übergehen, alles auf das Haupt des Sündenbockes. Wohl mochte sich jedes Haupt in Israel in tiefster Demütigung beugen, während dies geschah, aber alle wußten auch, daß das Blut im Heiligtume vor dem Gnadenstuhl war. Und wenn alles vollendet war, so war die letzte Erwähnung ihrer Sünden geschehen, und nichts war geblieben, welches die vollkommene Segnung des Laubhüttenfestes hindern konnte.
In der gleichen Weise wird der Richterstuhl Christi die Ergänzung und Vervollständigung unseres, ach, so oft unvollkommenen Selbstgerichtes hienieden sein. Wenn wir unsere Sünden im Selbstgericht bekennen, so blicken wir hin nach dem Kreuz auf Golgatha. Selbstgericht bewirkt wahre Beugung der Seele und ein tiefes Bewußtsein von der Abscheulichkeit der Sünde. Und so kommen wir zur Ruhe, weil keine Erinnerung an die Sünde mehr die Seele an der Gemeinschaft mit Gott hindert. Die zweifache Wirkung des Blutes Christi, Vergebung der Sünden und Gemeinschaft mit Gott, ist dann unser gesegnetes Teil. Wohl uns, wenn dieses ernste Selbstgericht in unseren Seelen immer mehr und immer treuer ausgeübt wird!
Fortsetzung folgt, s. G. w.