Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 10 -Jahrgang 1925
1Kön 16,34 - „Der Wiederaufbau Jerichos“1Kön 16,34 - „Der Wiederaufbau Jerichos“
Alles, was wir uns selbst erlauben, das fördern wir auch in anderen. Wenn wir den Grundsätzen der Welt huldigen, so bauen wir sie auch in anderen auf; aber wir werden dadurch sicher früher oder später Gottes Gericht über uns bringen. Gott ist nicht gleichgültig über das, was Sein Volk tut. Wohl läßt Er die Welt in Mißachtung Seines Namens und Seines Wortes dahingehen, nicht aber so Sein Volk; auf dieses legt Er Seine züchtigende Hand. Aber auch für die Welt ist schon der Tag bestimmt, an dem sie gerichtet werden wird. (Apg 17,31).
Jericho war die Burgfeste des Feindes. Seine Mauern dienten ihm dazu, Gottes Plänen zu widerstehen. Gott vernichtete die Stadt und ließ den Fluch aussprechen über den, der sie wieder aufbauen würde. Der Mann, der Jericho wieder aufbaute, war ein Betheliter. Gott erwähnt dieses besonders, und es liegt eine große Bedeutung für uns darin. Bethel heißt in unserer Sprache: „Gotteshaus“ (1Mo 28,16-19). Dieser Mann, Hiel, war ein Betheliter - er gehörte dem Hause Gottes an. Zweierlei lernen wir von ihm: 1. Er befand sich abseits, fern vom Hause Gottes, und 2. er baute dem Feinde wieder die Stadt des Widerstandes.
Jericho und sein König ist ein Bild von der Welt und ihrem Fürsten. Sein Volk hatte im Glauben gesungen: „Du wirst Dein Volk bringen und pflanzen auf den Berg Deines Erbteils, die Stätte, die Du, Jehova, zu Deiner Wohnung gemacht“ (2Mo 15,17), und Gott war willens, dieses jetzt Seinem Volke zu erfüllen und ihm das Land zu geben. Aber der Widersacher, der König von Jericho, sagte gleichsam: „Mein Land ist dies! Hier ist mein Haus! Ich widersetze mich Deinen Plänen mit diesem Volke.“ Gott aber führt Seinen Vorsatz aus. Die Mauern Jerichos fallen, seine Stadt wird zerstört, und Gott bestimmt, daß sie nie wieder aufgebaut werden solle.
Das Land, das Gott damals für Sein Volk erwählte, war Kanaan. Dort richtete Er Sein irdisches Heiligtum auf, dort wohnte Er in der Mitte Seines Volkes. Dies ist ein Vorbild von dem Ort, den Gott jetzt für Sein Volk erwählt hat.
Jakob wandte sich einst weg von diesem Lande, von dem Gott schon Abraham gesagt hatte, daß Er es seinem Samen geben wolle. Nach vielen Wegen der Kümmernisse und Sorgen wandte Gott Jakobs Blick zurück nach der von Ihm bestimmten Stätte und sprach: „Mache dich auf, ziehe hinauf nach Bethel und wohne daselbst“ (1Mo 35,1). Hier sehen wir schon aus der frühesten Zeit, daß Gott die, die Sein sind, dort haben will, wo Sein Haus ist; sie sollen gleichsam bei Ihm in Seinem Hause sein.
Die Stätte, wohin Gott uns haben will, ist nicht die Erde, sondern der Himmel. Dieses Ziel Seines Herzens, uns so nahe bei Sich zu haben, konnte Er nur vollführen auf der Grundlage eines vollkommenen Erlösungswerkes.
Dieses Ziel Seines Herzens sehen wir auch im Neuen Testament in dem Gleichnis vom verlorenen Sohn in Lukas 15. Die Freude des Vaters war nicht eher voll, bis der Verlorene in Sein Haus geführt und an Seinem Tische saß. Die Freude „vor“ den Engeln Gottes, von der in diesem Kapitel geredet wird (V. 10), ist diese Freude des Vaters. Sie sind Zeugen, daß Sein Herz erfreut und befriedigt ist.
In der Stelle, die wir betrachten, finden wir Hiel, einen Betheliter. Einen Mann, dessen Platz Bethel, das Haus Gottes war. Aber Hiel war nicht mehr dort. Er hatte sich weggewandt und baute nun dem Feinde wieder die Burgfeste.
Welch ein trauriger Rückgang! Und doch, müssen wir nicht, ach, gestehen, daß solche Rückgänge auch in unseren Tagen geschehen? Die Anfänge sind gar klein. Sie finden verborgen im Herzen statt. Unbemerkt wendet sich das Herz von Bethel weg; man achtet nicht mehr mit Sorgfalt auf das Wort des Herrn, und bald beginnt man nach dem eigenen Willen zu bauen, wie es in den eigenen Augen recht ist, und damit hat man angefangen, dem Feinde die Mauern Jerichos aufzurichten.
In Lukas 10,30ff. zeigt uns der Herr, daß Jericho die „gegenwärtige böse Welt“ ist (Gal 1,4). „Ein Mensch ging ... nach Jericho hinab.“ Dorthin ist von Natur das ganze Menschengeschlecht hinab gegangen; hilflos, hoffnungslos in der Gewalt des Feindes. Als der Mensch am tiefsten Punkte anlangte, dann stieg auch der „barmherzige Samariter“ zu ihm herab. Er kam aus Mitleid herab. Er kam dahin, wo jener „war“. Er rettete den Halbtoten, um ihn von nun an für immer in Seine Sorge zu nehmen. Wie der Hirte hat Er Sein Schaf mit Freuden auf Seine Schultern gelegt. Er allein kannte den rechten Platz für das Schäflein, und Er bringt es heim. Und wenn Er es „nach Hause“ gebracht hat, ruft Er die Freunde und Nachbarn zusammen und spricht zu ihnen: „Freuet euch mit mir, denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war.“ (Lk 15,6). Es ist wieder in Bethel, dem Hause
Gottes, und das Haus ist voller Freude. Ist es nicht köstlich zu hören, daß dieses die Heimstätte des Gläubigen ist? Ist es nicht selig, von Ihm eingeladen zu werden, „daselbst zu wohnen“? Haben wir Teil daran, Teil an der „Musik“ - an dem „Reigen“ in jenem Hause? Wissen wir nicht schon jetzt etwas davon?
Die Grundzüge, die Ordnungen, die Freude des Hauses Gottes droben finden jetzt ihren Widerspiegel in dem Hause Gottes auf Erden. Viele mögen dieses heute vergessen haben, deswegen bleibt es doch das „Muster“, das Gott nicht beiseite gesetzt hat (Vergl. 2. Mose 25,40 mit der Ordnung in Eph 5,24.25 usw. und 1Tim 3,15). „Heiligkeit ist die Zierde Seines Hauses ewiglich.“ (Psalm 93,5 lutherische Übersetzung).
Jemand möchte fragen: Was ist, seitdem der Höchste nicht mehr in Tempeln wohnt, die mit Händen gemacht, heute das Haus Gottes? Zunächst wohnt Er in jedem Gläubigen einzeln durch Seinen heiligen Geist; dann aber wohnt Er in der Gemeinde, die Sein Haus ist - „dessen Haus wir sind“ (1Tim 3,15; Heb 3,6), und an diesem Bau sind wir gewürdigt, „Mitarbeiter“ zu sein.
Jede Gleichgültigkeit oder Nachlässigkeit über das, was und wie wir bauen, ist für uns, die wir dem Hause Gottes angehören und es bilden, eine sehr ernste Sache. Wir sehen, wie Gott in dem Falle Hiels Seine strafende Hand auf das Haus dieses Betheliters legte. In Seinen Wegen abseits vom Hause Gottes (wie wir es im Herzen und in unseren Zielen sein können) baute Hiel dem Feinde die Stadt wieder.
Gottes Wort hatte auf Hiel jede Kraft und Wirkung verloren. Er achtete nicht den Gerichtsausspruch Gottes: „Verflucht vor Jehova sei der Mann, der sich aufmachen und diese Stadt Jericho bauen wird! Mit seinem Erstgeborenen wird er ihren Grund legen und mit Seinem Jüngsten ihre Tore aufstellen.“ (Jos 6,26). Dies Gericht ging buchstäblich an dem Betheliter in Erfüllung, wie uns unser Text 1. Könige 16,34 berichtet; denn (ob ein Mensch ein Kind Gottes ist oder nicht) das Wort des Herrn bleibt fest für alle: „Was ein Mensch sät, das wird er auch ernten.“ (Gal 6,7). So sicher wie das Wort Gottes war, das Er über Jericho geredet hatte, so sicher ist auch Sein Wort, das Er über diese Welt und ihren Fürsten geredet hat. „Alles, was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens, ist nicht von dem Vater, sondern ist von der Welt. Und die Welt vergeht und ihre Lust, wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.“ (1Joh 2,16.17).
Laßt uns acht haben auf unsere Herzen und auf unser Reden und Wirken, daß wir nicht Jericho wieder aufbauen; daß nicht die Grundsätze und Wege, die Gepflogenheiten und Bestrebungen dieser armen Welt unsere Grundsätze und Wege, unsere Gepflogenheiten und Bestrebungen werden. „Seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes“ (Röm 12,2; 2Kor 3,18)., damit „das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.“ (2Kor 4,10).
Alle Menschen sind Bauende. Die Ungläubigen sind oft sehr fleißig, aber sie bauen ihr Haus auf Sand (Mt 7,24-27). Die Gläubigen bauen auf dem Felsen. Ihre Aufgabe ist, die Gemeinde zu erbauen (1Kor 14,12). Sie können aber, was sie einst abgebrochen haben, wieder aufbauen (Gal 2,18). Wie wachsam sollten wir sein, daß das, was wir bauen, dem Feuer standhält. Wir können „Holz, Heu, Stroh“ bauen, und das Feuer des kommenden Tages wird alles verzehren. Möchten wir alle und jeder sich vor dem Herrn klar sein, was er in seinem eigenen Herzen und in den Herzen anderer baut. Das Feuer wird das Werk eines jeden offenbaren (1Kor 3,13). Bauen wir an Jericho oder am Hause Gottes? Laßt es uns tief ins Herz fassen; Ein Betheliter baute Jericho!
Ach wie vieles, was heute mit „christlich“ bezeichnet wird, ist nur Aufbau Jerichos, und wie viele „Betheliter“ sind daran beteiligt!
Sind wir uns bewußt, daß wir, so oft wir mit anderen zusammen sind, Bauarbeit tun, entweder göttliche oder weltliche, entweder für den alten Menschen oder den neuen Menschen? „Glückselig, die da wohnen in Deinem Hause! stets werden sie Dich loben.“ (Ps 84,4). Solche erbauen sich selbst und andere. Die, von denen hier gesprochen wird, sind nicht gelegentliche Besucher Seines Hauses, sondern solche, die dort wohnen, die ihren ständigen Ruheplatz dort haben, wo Gott wohnt. Gott hat sie Seinen Ruheplatz finden lassen, wo keine Wolke oder Sorge oder Tod kommen kann, denn Gott ist dort, und es ist Seine Freude, auch uns dort zu haben.
Als einst zwei Jünger den Herrn fragten: „Wo wohnst Du?“, da lud Er sie ein: „Kommet und sehet“! (Joh 1,38.39). Dasselbe sagt Er zu einem jeden von uns. Aber statt daß wir Seiner Einladung folgen, muß der Geist Gottes uns oft wie Jakob ermahnen: „Mache dich auf und ziehe gen Bethel und wohne daselbst!“ (1. Mose 35,1). Jene zwei Jünger blieben jenen Tag bei Ihm. Wenn wir in Bethel wohnen, können wir Jericho nicht aufbauen, und bauen wir an Jericho, so sind wir abseits von Bethel. Wir bauen dort, wo wir sind, und unser Bauen trägt die Merkmale von dem, womit wir selbst erbaut und beschäftigt sind.
Der Psalmist spricht von einem „Sitzen“ unter dem Schirm des Höchsten und einem „Bleiben“ unter dem Schatten des Allmächtigen. (Ps 91,1). Dieses „Sitzen“ und „Bleiben“ sehen wir in Vollkommenheit in dem Leben unseres Herrn auf Erden, als Er der „Schlinge des Vogelstellers“, dem „Schrecken der Nacht“, „dem Pfeil, der bei Tage fliegt“ ausgesetzt war. Sein Sitzen unter diesem Schirm droben läßt uns etwas von der Quelle sehen, aus der Sein Leben als des abhängigen Menschen hienieden floß. Er „wohnte daselbst“. „Der Sohn des Menschen, der im Himmel ist.“ (Joh 3,13).
Möchten wir im „Hause des Herrn“ droben so wohnen, daß all unser Verhalten in Seinem Hause hier auf Erden die Merkzeichen unseres Wohnens dort oben tragen!
Ich freute mich, als sie zu mir sagten: „Lasset uns zum Hause des Herrn ziehen.“ (Psalm 122,1).
R. - v. d. K.