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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 12 -Jahrgang 1927
Lk 18,7 -„ Das Recht der Auserwählten“Lk 18,7 -„ Das Recht der Auserwählten“
„Gott aber, sollte Er das Recht Seiner Auserwählten nicht ausführen, die Tag und Nacht zu Ihm schreien?“ (Lukas 18,7).
Haben denn Gottes Auserwählte überhaupt in dieser Welt Rechte? Sollen sie sich mit irdischen Mitteln wehren, wenn ihnen ein Unrecht geschieht? Ist es im Einklang mit ihrem Bekenntnis als Nachfolger des Herrn Jesus, wenn sie solche, die ihnen Gewalt antun, vor's Gericht zerren? Unser Herr Selber sagte: „Widerstehet nicht dem Bösen, sondern wer irgend dich auf deinen rechten Backen schlagen wird, dem biete auch den anderen dar; und dem, der mit dir vor Gericht gehen und deinen Leibrock nehmen will, dem laß auch den Mantel.“ (Mt 5,39.40). Es sieht so aus, als ob die Gläubigen niemals für ihre irdischen Rechte einstehen sollen, daß sie einfach wie Schafe unter Wölfen ihren Weg zu gehen haben.
Wenn wir unseren Herrn Selber betrachten, so sehen wir, daß Ihm das allergrößte Unrecht geschah, dessen diese Welt überhaupt fähig ist, ja, sie verurteilte das fleckenlose Lamm Gottes zum schändlichsten Tode, zum Tode am Kreuze; Er antwortete nichts darauf, sondern neigte Sein Haupt und ließ sich stumm zur Schädelstätte hinführen, betend für Seine Peiniger, als grausam die Nägel durch Seine Hände und Füße getrieben wurden.
War Er denn absolut ohne Rechte in der Welt, die durch Ihn gemacht wurde? Petrus schrieb: „Der, gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern Sich Dem übergab, der recht richtet.“ (1Pet 2,23). War Er denn als volgelfrei von der Welt erklärt? Es scheint, als ob es so wäre; ein jeder erlaubte sich, mit Ihm zu tun, was man wollte. Rechte? Haben denn die Gotteskinder Rechte, wo ihr Herr gar keine hatte? Darf nicht jeder kecke Straßenbub spöttische Bemerkungen über sie machen? Werden sie nicht als Schlachtschafe gerechnet werden? (Römer 8,36). Können Schafe überhaupt auf ihre Rechte pochen? Das wäre einem Schafscherer lächerlich, wenn sie das täten; ohne einen Funken von Gefühl schert er die Wolle ab, und ohne Empfinden stößt man das Schlachtmesser in den zitternden Hals.
Isaak, der ein köstliches Vorbild des Herrn Jesus ist, litt oft Gewalt in dem Lande, welches Gott ihm verheißen und auch tatsächlich gegeben hatte. Ais der König der Philister zu ihm sagte: „Ziehe weg von uns!“, zog er von dannen; hatten seine Knechte einen Brunnen gegraben und Wasser gefunden, so zankten die Hirten von Gerar darüber und nahmen ihn weg. Zweimal wenigstens geschah das, bis Gott endlich es dem nachgiebigen Isaak ermöglichte, einen Brunnen ohne Hader für sich zu behalten (1Mo 26,18ff). Ja, diese Welt möchte den Auserwählten Gottes alles wegnehmen, nicht nur Hab und Gut, sondern auch den ehrlichen Namen und den guten Ruf, und dann sagt die Schrift dazu: „Rächet nie euch selbst, Geliebte ... denn es steht geschrieben: ‚Mein ist die Rache; Ich will vergelten, spricht der Herr‘.“ (Römer 12,19). „Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr', Kind und Weib,
Laß fahren dahin, sie haben‘s kein' Gewinn;
Das Reich muß uns doch bleiben.“
Was für Rechte haben denn Gottes Auserwählte? Gewiß, sie haben solche, denn ihr Herr spricht von solchen. Wir müssen sie aber auf einem anderen Gebiete suchen, in einer anderen Sphäre finden wir sie. Nicht in den weltlichen Dingen liegen sie, sondern auf dem geistlichen Gebiete. Unsere Rechte liegen auf dem Gebiete, das der Herr uns durch Seinen Opfertod und Seine Auferstehung erworben hat. Gottes Auserwählte haben das Recht, von ihren Sünden errettet zu werden, d. h. nicht nur von der Strafe der begangenen Übertretungen, sondern auch von der Macht und Herrschaft der Sünden in dem täglichen Leben. Der Apostel schrieb: „So herrsche denn nicht die Sünde in eurem sterblichen Leibe, um seinen Lüsten zu gehorchen. - Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen.“ (Röm 6,12.14). Aber es muß oft geklagt werden, daß die Sünde doch die Übermacht hat; sie verkürzt das Recht der Auserwählten Gottes. Hier denn dürfen die Gläubigen nicht ruhig sein in bezog auf ihre geistlichen Rechte; nein, sie schreien Tag und Nacht zu Gott, weil es ihr Recht ist, auf Grund des Triumphes ihres Herrn auf Golgatha über die Sünde zu herrschen. Und unser Herr fügt sofort hinzu: „Ich sage euch, daß Er ihr Recht schnell ausführen wird.“ (Lk 18,8).
Unser Widersacher, der Teufel selber, will immer die Auserwählten in ihren Rechten kürzen; er setzt sich gern in den allerauserlesensten Plätzen unseres Erbes in Christo fest; er will nicht zulassen, daß die Gläubigen zum vollen Genuß ihres Heils in Christo gelangen; ja, er behauptet sich sogar in Jerusalem, der Hauptstadt. Wohl nahmen die Kinder Judas die Stadt ein und steckten sie in Brand, doch trotzdem waren bald die Jebusiter wieder dort, denn es steht geschrieben: „Aber die Kinder Benjamin trieben die Jebusiter, die Bewohner von Jerusalem, nicht aus“ (Ri 1,21). Viele Jahre später zog David mit seinen Männern nach Jerusalem wider die Jebusiter, doch hohnweise riefen sie ihm zu: „Die Blinden und die Lahmen werden dich wegtreiben“. Aber der, welcher den Goliath geschlagen hat, nahm die Burg Zion ein; und er wohnte in der Burg, denn David war ein Mann nach dem Herzen Gottes, also wurde er immerfort größer, und Jehova, der Gott der Heerscharen, war mit ihm. (2Sam 5,6-10).
Wie viele sind zufrieden, jenseits des Jordans zu bleiben, wie Ruben, Gad und der halbe Stamm Manasse. Sie besitzen nicht geistliche Energie genug, um das verheißene Land in Besitz zu nehmen; andere kommen noch weiter und ziehen über den Jordan, doch ist die Burg in der Macht der Jebusiter, und leider lassen sie ihre Rechte in Christo fahren.
Gottes Auserwählte müssen damit rechnen, daß der Feind sich ihnen widersetzt, damit sie in ihren himmlischen Rechten verkürzt werden. Ist es im Einklang mit unseren geistlichen Rechten in Christo, daß wir so oft gleichsam in Ohnmacht sagten, daß der Feind bei dem Wiederaufbau des Tempels uns zur Einstellung der Arbeit bringt, daß die Kinder bis an die Geburt gekommen sind und keine Kraft, zu gebären, da ist? Oder daß sogar die Könige und Führer nach Babel in die Gefangenschaft geschleppt werden? Im Grunde genommen hat der Feind alle Rechte über die Gotteskinder ein für allemal verloren, indem unser Herr ihn mit seinem eigenen Schwert - nämlich durch den Tod - zunichte gemacht hat.
Wie kommen wir denn zur Verwirklichung des Sieges am Kreuze? Wie können wir dazu gelangen, daß wir nicht mehr in unseren geistlichen Rechten verkürzt werden? Unser Herr sagt uns klar, daß wir dazu kommen, indem wir Tag und Nacht zu Gott schreien. Paulus schrieb: „Der Gott des Friedens aber wird in kurzem den Satan unter eure Füße zertreten“ (Röm 16,20). Petrus ermahnte: „Dem widerstehet standhaft im Glauben“ (1Pet 5,9 ). Und Jakobus schrieb: „Widerstehet dem Teufel, und er wird von euch fliehen“. (Jak 4,7).
In bezug auf unsere irdischen Rechte dürfen wir wohl mit den drei Glaubenshelden antworten: „Wir halten es nicht für nötig, ein Wort darauf zu erwidern“ (Dan 3,16). Doch in den unsichtbaren Sachen, wo der Feind uns nicht zu unseren Rechten in Christo gelangen lassen will, da dürfen wir uns bis zum Äußersten versteifen; denn er hat kein Recht, Gottes Auserwähle zu beunruhigen, ihre geistliche Sehkraft zu verdunkeln, ihre Freude zu dämpfen, ihren Eifer im Dienst des Herrn zu lähmen und ihr Leben und ihren Wandel in den Kot zu ziehen. Nein, Gott wird ihre in Christo erworbenen Rechte in ihrem täglichen Wandel durch Seine Gnade und Kraft sichtbar hervorkommen lassen, wenn sie nur die Glaubenshände beständig zu Ihm ausstrecken; ja, Er wird das Recht Seiner
Auserwählten schnell ausführen. Warum gehen sie trauernd einher wegen der Bedrückung des Feindes? (Psalm 42,9). Ach, wie schade ist es, daß so manche von uns eingeengt und gehemmt werden von unserem Widersacher, da er doch den Todesstoß von unserem Herrn bekommen hat! Rufen wir nur aus: „Möge Gott aufstehen! Mögen sich zerstreuen Seine Feinde!“ (Psalm 68,1). Und dann erfahren wir, daß die Könige der Heere fliehen, sie fliehen, und die Hausbewohnerin verteilt die Beute.
Und dürfen wir nicht auch sagen, daß jede Ortsgemeinde geistliche Rechte hat? Zunächst die Gegenwart des Herrn in der Mitte zu haben, wenn auch nur zwei oder drei schwache Seelen in Seinem Namen versammelt sind. Weiter die Leitung und Führung des Heiligen Geistes, Gaben und Dienste austeilend, wie Er will. Andere Rechte sind wohl, Licht auszubreiten in der Finsternis dieser Welt, Salz der Erde zu sein, helfende Hände in jeder Richtung auszustrecken. Wieviel sind der geistlichen Vorrechte und Rechte der Gemeinde der Heiligen!
Aber gerade hier setzt der Feind seinen Widerstand ein, und leider durch Betrug, List und teufliche Schlauheit sind viele Gemeinden in ihrem himmlischen Recht verkürzt. Das Recht der Auserwählten in jeder Gemeinde ist es, daß ihre Herzen mit der Liebe zusammengeschmiedet sein sollen, denn die Liebe ist das Band der Vollkommenheit. Es ist ihr Recht, daß sie einmütig und eines Sinnes sind und einer den anderen höher achtet als sich selbst.
Der Widersacher will nicht, daß solches zustande komme, aber sein Recht, es zu verhindern, hat er verloren, nur tut er es noch, weil er ein Lügner ist und weil die Auserwählten Gottes in ihrem gemeinschaftlichen Leben geistlich zu träge oder gleichgültig sind, ihm auf ihren Knien zu widerstehen und die Stirn zu bieten. Es sollte nicht die ständige Erfahrung oder der ständige Zustand einer Gemeinde sein, ein halbkrankes Dasein zu fristen, und daß kein Jubelgeschrei wie um einen König in ihrer Mitte vernommen wird und die Mannschaft nur stehend den Schritt markiert, um dann schmählich das Terrain zu verlieren. Nein, jede Gemeinde soll wissen, was für geistliche Rechte sie in Christo besitzt, und dann dieselben bis zum äußersten verteidigen und behaupten. Dann werden die Ältesten der Gemeinde lernen, gemeinschaftlich die Füße auf die Hälse der fünf überwundenen Könige zu setzen und sie ohne Erbarmen an fünf Bäume zu hängen. (Jos 10,24-26).
F. Btch.