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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 20 - Jahrgang 1935
Röm 12,21 - Ein beherzigenswerter Rat (1)Röm 12,21 - Ein beherzigenswerter Rat (1)
„Laß dich nicht von dem Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit dem Guten!“ (Röm 12,21).
Ich höre, noch ehe die ersten Zeilen des Aufsatzes gelesen sind, den Einwand: „... aber sind denn nicht alle Ratschläge der Schrift beherzigenswert, sonderlich die vielen in Röm 12?!“ - Gemach! Natürlich sind sie es, und wenn jeder, der obigen Einwand macht, nur alle Ratschläge, Gebote des Herrn und Seiner Apostel und erst recht Seine Befehle als für sich so beherzigenswert ansehen wollte, wie sie es sind, und sich dann tatsächlich nach ihnen richten würde, so sähe es ein gut Teil anders auf der Welt aus, denn dann würden die Kinder Gottes einen viel stärkeren Einfluß auf unserer armen Erde haben und auf die Menschen ausüben. Aber leider ist es ganz anders in der Praxis des Christenlebens: Eine Unzahl sehr einfacher Vorschriften, Ratschlage, Aufträge, Befehle wird wenig oder gar nicht beachtet, und - unendliche Segnungen bleiben aus! Unsere Schuld! Und so ist es mit dem Schriftwort, das ich an die Spitze zu setzen mir erlaubte und das uns nun, so der Herr mit Seinem Kommen noch verzieht und Gnade gibt, in den nächsten Monaten eingehender beschäftigen soll.
Röm 12 enthält wahrlich viele köstliche Ermahnungen, und zwar von Anfang an, und dann ab V. 9 in 13 Versen eine herrliche Fülle von Worten praktischer Liebe. Zuerst ist unsere Haltung untereinander und von V. 17 an unsere Haltung in der Öffentlichkeit behandelt. Dem widerspricht nicht V. 14, denn diese gottgemäße Ermahnung für uns bezieht sich wenigstens ebenso sehr wie in bezug auf Ungläubige auf Gläubige, die andere verfolgen (und wie)!; leider gibt's das! In den 5 Versen von V. 17-21 aber haben wir eine Reihe ernster Worte, die sich auf unser Verhalten gegenüber dem uns zugefügten Bösen beziehen, doch beabsichtige ich nicht, jene näher zu betrachten, ich will vielmehr nach dieser kleinen Einleitung unmittelbar zu der paulinischen Mahnung von V. 21 übergehen.
Dieser Vers enthält in seinen im deutschen 14, im griechischen Grundtext nur 12 Wörtern fünf zu beachtende Tatsachen: a) Das Böse (kann auch heißen „der Böse“ - „der Gute“, doch ist wohl besser zu sagen „das Böse“)! kämpft gegen uns; b) es kommt aber auf uns an, was es gegen uns erreicht oder nicht erreicht; c) jedoch wir sollen nicht nur uns nicht überwinden lassen, d) sondern mehr als das: wir sollen überwinden! e) noch mehr: mit dem Guten! - Einige Vergleiche mit anderen Mahnungen seien hier kurz angefügt: „auch den anderen Backen“, „auch den Mantel“, „zweite Meile“ in Mt 5,38-42 oder V. 46.47 oder 1Pet 4,19: nicht nur uns stille Ihm befehlen, sondern außer diesem uns Ihm „befehlen im Gutestun!“ u. a. Es wird also von uns Gläubigen mehr erwartet als etwa nur ein stilles uns Gefallenlassen dessen, was mit uns geschieht! Kinder Gottes sollen nicht nur - wenn auch im besten Sinne - passiv (leidend) sein, sondern im höchsten Sinne aktiv (handelnd). Beides miteinander verbunden ist das rechte echt christliche Verhalten. Das ist sehr wichtig, da es z. B. den Menschen „den Wind aus den Segeln nimmt“, die - falsch verstanden! - handeln nach dem Liede: „... lasse still die andern breite, lichte, volle Straßen wandern.“ Das ist ja unter Umständen sogar herzlos, wenn auch der Dichter (Scheffler) es anders meinte. Nein, echte, reine, heilige Aktivität wird von uns erwartet, und je näher das Kommen des Herrn ist, desto mehr sollten wir auf dem Posten sein, das uns umgebende Böse mit dem Guten zu überwinden, d. h. also es nicht etwa „totzuschlagen“ (das können wir in den wenigsten Fällen, und es ist nicht unsere Aufgabe, das tat der Herr ja nicht einmal)!, nicht zu vertilgen - es ist noch nicht an der Zeit, das zu tun, das wird der Herr tun zu Seiner Zeit -, sondern zu überwinden, also womöglich etwas Positives, Gutes, geradezu Wertvolles dabei zu erreichen durch unser Überwinden! Wir müssen da bei dem Herrn Selbst und in Seinem Wort in die Schule gehen (und wenn Er will, werden wir das auch nach und nach tun), dann werden wir sehen, welch große Dinge, geistliche Erfolge sich zeitigen lassen, wenn wir dieses gottgemäße Tun beobachten. Denn Gott Selber handelt, wie wir noch genauer sehen werden, in Vollkommenheit so, und Jesus Christus handelte hienieden so, und dementsprechend sehen wir, wieviel Mühe Er Sich gibt, in den Seinen diese Gesinnung hervorzubringen. Die Schrift gibt uns herrliche Zeugnisse hiervon, und wir werden vielleicht noch viel mehr Beispiele finden, als ich hier besprechen kann, wenn wir erst einmal durch Seine Gnade Augen dafür bekommen haben.
Ehe ich diese kurzen einleitenden Bemerkungen schließe, möchte ich uns allen zur Ermunterung sagen, daß wir ja vielleicht täglich an uns selber Erfahrungen machen (können) betr. unseres Schriftwortes, indem wir das Böse in uns nicht besser überwinden können als durch das Gute, welches darin besteht, daß wir den Blick richten aufs Kreuz, und im Glauben verwirklichen, daß unser alter Mensch mitgekreuzigt ist mit Christo. (Röm 6)
Ist es nicht sehr „ beherzigenswert“, daran zu denken, danach zu tun?! Ist es nicht so, daß viele, und nicht nur junge, Gläubige auf diesem Gebiet immer wieder die schmerzlichsten Rückschläge erleben, weil sie sich in einen nutzlosen Kampf mit der Sünde in ihnen, d. h. also mit ihrem alten „Ich“ und seinem Wirken, einlassen, ja, sich darin verzehren? Und dann meinen sie noch biblisch zu handeln auf Grund von Heb 12,4, und sie sehen nicht, daß es sich hier durchaus nicht um einen Kampf gegen „die Sünde in uns“ handelt, sondern um den gegen die uns umgebende Sünde (vgl. V. 3)!, einen Kampf, der bis zum Blutvergießen um der Wahrheit willen führen kann. Nein, gegen den alten Menschen zu kämpfen ist uns nirgends geboten! Und warum sollten wir gegen etwas kämpfen, was - in Gottes Augen - nicht mehr lebt, keine Lebensberechtigung mehr hat (weil unverbesserlich)! und darum zum Tode verurteilt und, noch mehr, tatsächlich für Gott tot ist?! Unser alter Mensch mit seinem „Ich“, mit seiner innewohnenden Sünde, ist nach Gottes Gedanken mit Christo gekreuzigt und gestorben und „begraben in der Taufe“ (Kol 2,12), und für uns ist er auch gestorben, sobald wir uns im Glauben mit dieser einzigartigen Tatsache göttlicher Weisheit, Gerechtigkeit und Gnade eins machen. „Haltet euch (darum) der Sünde für tot, Gott (3. Fall) aber lebend in Christo Jesu!“ (Röm 6,11) Dieses „haltet euch“ geschieht im Glauben. Glauben aber ist Vertrauen und Gehorsam! So, indem wir dieses Gute anwenden, also in Glaubenshingabe und Glaubensannahme, uns hängend gleichsam an den einzig Guten, an Christus, mit diesem Guten das absolut Böse (uns selbst, unser „Ich“ und die Sünde in uns) bekämpfen, werden wir es überwinden und Sieger sein in der Praxis des täglichen Lebens. Und die fortgesetzte Erfahrung eines solchen Siegeslebens auf Grund des einzig Guten von Röm 6 wird uns ein „festes Herz“ geben, das sich nicht so leicht betrügen läßt durch die Versprechungen des sich nicht unter den Tod Christi beugen wollenden alten „Ichs“. Wir werden es in seine Todesschranken zurückweisen und den Glaubensblick unentwegt gerichtet halten auf den herrlichen Sieger von Golgatha und auf das, was Er uns erwirkt hat: ein im Vertrauen auf Ihn Wandelnkönnen auf den Höhen Seines Sieges; ein Wandeln nach Röm 8!
Möge der Herr uns Gnade schenken, tatsächlich täglich neue Glaubens-Erfahrungen zu machen in der praktischen Anwendung von Röm 12,21, im Überwinden des alten Menschen usw. auf der Grundlage des siegreichen Kampfes, den unser geliebter Herr Jesus Christus auf Golgatha ausgefochten hat - für uns, d. h. uns zum Nutzen und auch stellvertretend für uns, also an unserer Stelle.
So sei unser apostolisches Schriftwort uns wirklich ein beherzigenswerter Rat unseres teuren HErrn!
(Fortsetzung folgt, s. G. w).
F. K.