Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 6 -Jahrgang 1918/19
Kol 1,12 - „Passend für den Himmel“Kol 1,12 - „Passend für den Himmel“
Wie kann ein sterblicher Mensch, dem die alte Natur noch anklebt, sagen, daß er passend für den Himmel sei, während die vier lebendigen Wesen Tag und Nacht nicht aufhören, zu sagen: „Heilig, heilig, heilig, Herr Gott, Allmächtiger, der da war, der da ist und der da kommt!“ (Off 4,8)?
Andererseits, wie kann jemand in den Himmel aufgenommen werden, ohne daß er für ihn passend geworden ist? Wie konnte der Herr am Kreuze zu dem Übeltäter sagen: Heute wirst du mit Mir im Paradiese sein!, ohne daß dieser arme, schuldbeladene Sünder passend geworden wäre, dort zu sein? Oder wie kann Paulus mit solcher Gewißheit sagen, er wünsche ausheimisch aus dem Leibe und einheimisch bei dem Herrn zu sein?
Manche Menschen denken, die Bereitschaft für den Himmel sei abhängig von einer gewissen geistlichen Vollendung während des irdischen Lebens oder es müsse auf dem Sterbebett noch eine innere Umwandlung und Zubereitung vor sich gehen; andere erwarten einen Reinigungsprozeß, der im Jenseits stattfinden werde. Für diese Meinungen gibt es aber in der Schrift keine Spur von Anhalt, und können wir Zuverlässiges über die Zukunft wissen, außer dem, was Gott uns in Seinem Wort geoffenbart hat?
Es ist aber durchaus wünschenswert, über die Frage der Bereitschaft für den Himmel nicht in Ungewißheit zu leben. Wir sind ganz gewiß, daß dort eine herrliche Schar von Seelen sein wird; auch sind wir ganz sicher, daß sie im Himmel keinen Platz haben würden, wenn sie nicht dafür passend wären; die Frage ist nur die, wann und wie wird man passend gemacht, um dort zu sein?
Wir müssen zuerst hören, was Gott selbst über unsere Bereitschaft für den Himmel sagt, denn Er allein kann darüber urteilen. Der Apostel schreibt Kol 1,12: „Danksaget dem Vater, der uns passend gemacht hat zu dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem Lichte, der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes Seiner Liebe, in welchem wir die Erlösung haben, die Vergebung der Sünden.“ - Hier wird uns also gesagt, daß wir nicht erst passend werden sollen, sondern ganz ausdrücklich wird erklärt, daß wir passend gemacht sind. Und das ist nicht für einige besonders hochbegnadigte Christen, die etwa auf eine ganz einzige Weise, von allen anderen verschieden, dazu gelangt wären, sondern diese Worte sind an alle Heiligen in Kolossä gerichtet, und wenn sie von ihnen allen gelten, sollten sie dann nicht gleicherweise von allen Gläubigen gelten?
Die Worte bedeuten auch nicht, daß sie passend gemacht seien zur Anwartschaft, sondern zum Anteil am Erbe, also passend gemacht, in dies Erbe einzutreten, es in Besitz zu nehmen, das Erbteil, das uns erworben ist und bereitgehalten wird (1. Petrus 1,4), das wir aber jetzt noch nicht besitzen.
Es ist das „Erbteil der Heiligen im Licht“, wo auch der kleinste Flecken und Fehler gänzlich aufgedeckt sein würde, denn das Licht macht ja alles offenbar (Eph 5,13); und so gewiß kein Flecken in dem Reich des Lichts geduldet werden würde, so gewiß sind alle, die in Christo Jesu sind, passend gemacht zum Anteil am Erbe der Heiligen im Licht und sind ein Teil der Gemeinde, welche der hochgelobte Herr vor Sich Selbst verherrlicht darstellen will ohne Flecken, ohne Runzeln oder etwas dergleichen (Eph 5,27).
Nun könnte vielleicht jemand sagen: Wie ist das möglich? Ich sehe doch, daß das Fleisch mir noch anhaftet; es ist zwar zum Tode verurteilt und am Kreuze gerichtet, aber dennoch ist es immer bereit, wieder in Tätigkeit zu treten. - Richtig! - aber diese selbe Epistel unterscheidet zwischen dem Wandel des Christen und der Stellung, in welche Gott ihn gebracht hat. Der Apostel bittet für die Kolosser, daß sie erfüllt sein möchten mit der Erkenntnis des Willens Gottes (Kol 1,9), um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, und er verbindet damit viele andere Ermahnungen zu einem gottseligen Wandel, welcher nach allgemeiner Übereinstimmung der Gläubigen einen Christen kennzeichnen sollte.
Da nun dieses Gebet in derselben Epistel steht, und zwar in nächster Verbindung mit der Erklärung über die Bereitschaft der Gläubigen zum Anteil am Erbe der Heiligen im Licht, so geht daraus deutlich hervor, daß diese beiden Dinge unterschieden werden und daß das eine durch das andere nicht aufgehoben wird. Ein heiliger Wandel sollte sicherlich eingeschärft werden, aber er muß auf der Stellung beruhen, in welche Gott uns gebracht hat. Was meinen wir mit einem würdigen Wandel anders als einen Wandel, der mit der Stellung übereinstimmt, in welche Gott uns ein für allemal durch Seine Gnade gebracht hat?
Wir wollen nur auf einige Punkte achten, die uns zeigen, wie wir für den Himmel passend gemacht worden sind: Wir stehen vor Gott als Schuldige, Er aber erklärt uns, daß wir gerechtfertigt sind (1Kor 6,11), wir sind „umsonst gerechtfertigt durch Seine Gnade durch die Erlösung, die in Christo Jesu ist“ (Röm 3,24). - „Vielmehr nun, da wir jetzt durch Sein Blut gerechtfertigt sind, werden wir gerettet werden vom Zorn“ (Röm 5,9). - „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott“ (Röm 5,1). - „Gott ist es, welcher rechtfertigt, wer ist es, der verdamme?“ (Röm 8,33.34). Was kann uns mehr beruhigen als diese Tatsache? Sie beruht auf dem kostbaren Blute Christi, welches die ganze Schuld bezahlt und getilgt hat, und da Gott Selbst dies alles bewerkstelligt hat, wie kann da noch ein Zweifel entstehen, daß Er völlig befriedigt ist?
Sicherlich, im Besitz einer solchen Rechtfertigung dürfen wir vollkommen Frieden mit Gott haben, da Er in Seiner Gnade ihn für uns zustande gebracht hat, und sicherlich macht eine so vollständige Rechtfertigung uns passend für den Himmel.
Wir waren befleckt, aber Gott erklärt, daß der Gläubige abgewaschen und geheiligt ist (1Kor 6,11), und was Gott gereinigt hat, das dürfen wir nicht gemein oder befleckt nennen, sondern wir können sagen: „Dem, der uns liebt und von unseren Sünden gewaschen hat in Seinem Blute ... Ihm sei die Herrlichkeit und Macht“ usw. (Off 1,5). - Was Gott getan hat, das hat Er sicherlich vollkommen getan, auch daß Er uns passend gemacht hat für die Herrlichkeit.
Wir haben viele Sünden begangen, aber Gott hat uns alle unsere Übertretungen vergeben (Kol 2,13; 3,13). - „Ich schreibe euch, Kindlein, weil euch die Sünden vergeben sind um Seines Namens willen“ (1Joh 2,12). Unsere Sünden können demnach kein Hindernis sein an unserem Anteil am Erbe der Heiligen im Licht, denn ihre Sünden sind durch Christus hinweggetragen worden, und uns sind sie vergeben worden.
Wir waren Feinde, aber wir lesen 2Kor 5,18: „Alles aber von dem Gott, der uns mit Sich Selbst versöhnt hat ,durch Christum' ...“, und Kol 1,21: „Und euch, die ihr einst entfremdet und Feinde waret nach der Gesinnung in bösen Werken, hat Er aber nun versöhnt in dem Leibe Seines Fleisches durch den Tod, um euch heilig und tadellos und unsträflich vor Sich hinzustellen.“ Was kann vollkommener sein? Gott hat uns durch den Tod Seines Sohnes versöhnt, und wir wiederholen: was Er getan hat, das hat Er vollkommen getan.
Wir waren auch in der Gewalt Satans, aber dies gehört zu den Tatsachen, für welche wir dem Vater ganz besonders danksagen sollen, daß Er uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes Seiner Liebe (Kol 1,13). Diese Versetzung war eine vollständige, aus dem Machtbereich des einen in das Machtgebiet des anderen, und wir sind nun nicht mehr unter der Gewalt des Gottes dieser Welt.
Wir sehen so, welche wunderbaren Dinge durch den Herrn Jesus Christus für uns vollbracht worden sind. Es ist gegenwärtige Wirklichkeit, was wir Heb 10,14 lesen: „Denn durch ein Opfer hat Er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden.“ Erwäge die Worte „vollkommen gemacht“. Kann dem, was vollkommen gemacht ist, und zwar vollkommen gemacht durch den Herrn Selbst, noch irgend etwas hinzugefügt werden? - Unmöglich! Und das ist eine abgeschlossene Sache; sie ist vollendet für ewig, nicht unsicher und veränderlich, sondern eine Vollendung, die nie mehr rückgängig gemacht werden kann. - Ist nun das, was der Herr Jesus vollkommen gemacht hat, nicht passend für den Himmel? Und was könnten wir zu dieser Tauglichkeit noch beitragen über das hinaus, was Er bereits durch Sein Opfer auf Golgatha vollbracht hat?
Es gibt aber noch Schriftstellen, welche über alle diese wunderbaren Dinge sogar noch hinausgehen. Lesen wir Eph 1,5.6: Gott hat uns „zuvorbestimmt zur Sohnschaft durch Jesum Christum für Sich Selbst nach dem Wohlgefallen Seines Willens, zum Preise der Herrlichkeit Seiner Gnade, worin Er uns angenehm gemacht hat in dem Geliebten“ und Eph 2,5.6: „Gott aber ... als auch wir in den Vergehungen tot waren, hat uns mit dem Christus lebendig gemacht - durch Gnade seid ihr errettet - und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu.“
Wir sind also „angenehm gemacht“ in Christo und wir sitzen mit in den himmlischen Örtern in Christo; und diese Stellen zeigen, daß diese Dinge gegenwärtige Wirklichkeiten sind - damit ist aber unsere Frage vollkommen beantwortet: Wir müssen passend sein für den Himmel, weil wir angenehm gemacht sind in dem Geliebten, in der ganzen Würdigkeit Seiner heiligen Person und Seines unermeßlich großen Werkes, und weil wir bereits mitsitzen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu, nicht nur einst mit Ihm, sondern jetzt bereits in Ihm; wir brauchen niemals mehr in eine andere Stellung gebracht zu werden und brauchen niemals noch passender gemacht zu werden, als Seine vollkommene Gnade uns bereits gemacht hat.
Manche Gläubige finden es schwierig, diese herrlichen Dinge bereits jetzt als wirklich anzusehen, weil sie sich noch in diesem Leibe befinden, der von Schwachheit umgeben ist, und weil sie noch das Fleisch in sich haben und oftmals fehlen, aber dieselbe Epistel, welche feststellt, daß Gott uns passend gemacht hat zum Anteil am Erbe der Heiligen im Licht, spricht auch von unserem Zunehmen oder Wachsen durch die Erkenntnis Gottes, und der Apostel bittet für die Gläubigen, daß sie möchten in jedem Werke fruchtbringend sein, ja, daß sie würdig des Herrn wandeln möchten zu allem Wohlgefallen.
Diese beiden Linien der Wahrheit widersprechen sich nicht. Gott hat alle diese großen Dinge für uns getan, sagt uns, was sie bedeuten und zeigt uns die Stellung, welche Er uns durch diese Taten Seiner Gnade gegeben hat; dann aber begründet er mit dieser Stellung die Aufforderung, in allen Dingen so zu wandeln, daß wir unserem hochgelobten Herrn wohlgefallen.
Er wünscht gewiß, daß wir die großen Dinge, die Er für uns getan hat, nicht nur kennen, sondern Er will uns auch die volle Glaubwürdigkeit derselben versiegeln, damit wir uns ihrer freuen, während unsere Herzen in tiefer Dankbarkeit vor unserem Heiland sich beugen, der uns dies um einen so kostbaren Preis erworben hat. Dann wird in uns ein ernstes Verlangen entbrennen, in völliger Absonderung von der Welt zu leben, von welcher Er uns befreit hat, und würdig zu wandeln des Herrn, der uns zu Seinem eigenen Reiche und zu Seiner eigenen Herrlichkeit beruft (1Thes 2,12).
C. H. M.