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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 18 - Jahrgang 1933
Hiob 3 - Hiobs WehklageHiob 3 - Hiobs Wehklage
Drei Freunde Hiobs - Eliphas, Bildad und Zophar - kamen einige Monate nach Beginn seiner Krankheit zu ihm. Bei ihrem Eintreffen war die Krankheit schon so weit vorgeschritten, daß sie ihn bis zur Unkenntlichkeit entstellte. Sie waren gekommen, ihren Freund Hiob zu trösten - aber Worte des Trostes fanden sie nicht. Das Schweigen seiner Freunde bringt ihm zum Bewußtsein, wie furchtbar sein Zustand ist. Obwohl er noch nach Kap. 1,21.22 bei allem Verlust und bei aller Krankheit ausrufen kann: „Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen; der Name des Herrn sei gelobt!“, beginnt hier schon leise der Vorwurf gegen Gott. Das dauernde Schweigen und das trübe Verstummen seiner Freunde vermehrten seine an sich schon furchtbaren Schmerzen noch mehr.
Die langandauernde Leidensnot, deren Ende nicht abzusehen ist, dazu das unverständige Verhalten der Freunde, erschöpften völlig die Widerstandskraft des tapferen Hiob. Aus seinem Munde ist nun die ergreifende Wehklage nach Vers 1-10 zu hören: Die Verwünschung des Geburtstages, der Lobpreis der Todesruhe nach 11-19, die Klage über die nutzlose Verlängerung eines überaus qualvollen Lebens nach 20-26.
Die kalten Mienen seiner Freunde und die stummen Vorwürfe, daß er nicht ohne Grund so von Gott geschlagen sei, machen den Beginn seiner Versündigung aus. Er verflucht nicht, wie Satan es wollte, seinen Gott; er folgt auch nicht dem Rat seines Weibes, seinem Gott abzusagen, aber den Tag seiner Geburt und die Nacht seiner Empfängnis verflucht er. Der Tag seiner Geburt war und soll ein Unglückstag bleiben.
Nach Vers 11-13 spricht Hiob in vierfacher Weise über die Vernichtung seines Lebens: daß er schon vor der Geburt gestorben wäre, daß er gleich nach der Geburt sterbe, daß der Vater das Kind nicht auf die Knie nahm und anerkannte, daß ihm die natürliche Nahrung nicht zuteil wurde.
Mit dem Verfluchen seines Geburtstages verflucht Hiob zwar nicht Gott, aber doch wendet er sich gegen den Tag der Geburt und gegen die Nacht seiner Empfängnis. Beides ist aber von Gott geschaffen.
Aus seinem tiefen, qualvollen Schmerz und dem Verfluchen seines Geburtstages und damit aus seinem Auflehnen gegen Gottes Ordnung werden weitere ungöttliche Gedanken geboren. Der Tod erscheint ihm in seinem Schmerz als Ruhebringer, während sonst im Alten Testament der Tod ganz anders gesehen wurde. Nach dem Tode folgt ein düsteres Schattenleben, aus dem es keine Erlösung gibt (Kap. 7,9) und man Gott nicht preisen kann. (Ps 6,5; 30,9)
Er bedenkt nicht, daß der Herr auch dort ist (Ps 139,8) und daß die Bewohner des Totenreiches vor Ihm erbeben (Kap. 26,5f).. Dies ist der Zustand der Abgeschiedenen ohne die Erlösung durch Christum.
Hiob gibt dem Satan in wesentlichen Punkten recht, stimmt ihm bei: Leben müssen sei eine schlechte Gabe Gottes für den Betrübten. Ihm wäre der Tod der begehrenswerteste Schatz. Er betrachtet sich als einen Unglücksmann, den alles nur denkbare Unheil trifft. Vor sich sieht er ein aussichtsloses, leeres, ja qualvolles Dasein. Ein schmerzlicher Schlag nach dem anderen kommt über ihn. Hiob bleibt bei der äußerlichen Schilderung seines großen Leidens stehen. Den Weg Gottes sieht er nicht mehr - den Blick nach oben hat er verloren.
Wie alles Ungöttliche zusammenwirkt! Hiob wird durch den Blick auf seine stummen Freunde in sieben Tagen so weit gebracht, daß er selbst den Blick auf und zu Gott verliert. Die göttlichen Gedanken treten mehr und mehr zurück, an ihre Stelle drängen sich menschliche, aus der Sünde geborene Gedanken und veranlassen ihn, daß er seinen Mund auftut - zur Klage, zum Fluche gegen Gottes Weisheit und Ordnung. Damit kommt er ganz in den Gegensatz zu dem Lamm Gottes, das Seinen Mund nicht auftat. (Jes 53,7)
Woher kommt das Unglück? Diese Frage bewegt den geprüften Hiob. Nicht von Gott, das ist ihm innerlich gewiß. In sich selbst, in seinem Leben fand er aber auch keinen Grund, womit er die überaus ernsten und schmerzhaften Zorngerichte verdient hätte. Er sucht also den Grund seines Unglückes wie so viele Menschen damals und heutzutage in dem Tage seiner Geburt. Ja, wie bleibt sich die Welt doch so gleich! Die unerlöste, unerrettete Welt! Statt auf Gott zu hoffen, verfällt der Mensch den verkehrten Gedanken, die aus dem menschlichen Herzen heraus geboren werden und hofft sich - unglücklich!
Aus Hiobs Klagen können wir lernen, wie der Mensch, auch der frömmste, in Zeiten der Anfechtung, der Trübsal und Leiden, der Versuchungen und Nöte über Gott und Gottes Wege, über sich selbst und über die Welt, über alle Dinge denkt und - urteilt. Wenn der Herr dem Menschen alles nimmt, was Er ihm vorher gegeben hat, wenn der Mensch allein gelassen wird, ganz allein, wenn er nichts weiß von der Güte und Gnade Gottes, wenn ihm alles genommen und nichts gegeben wird, wenn er nicht weiß, wohin er sich wenden soll, ja, was ist dann der Mensch? Der Mensch allein - ohne Gott - was für ein armes, jammervolles Bild!
Wohl kommen über jeden Menschen trübe Tage und Zeiten und Stunden, in denen er wünscht, lieber nicht geboren zu sein. Der Grund solchen Jammers liegt darin, daß das Herz von dem Irdischen und Vergänglichen so eingenommen war, daß es das Unsichtbare und Ewige aus dem Auge verloren hat und nur dem Vergänglichen, dem Verlorenen nachweint und keinen Ersatz sieht und weiß. Es ist eine der schwersten Proben, auch das Leid, das dem eigenen Denken und Meinen nicht Genehme geduldig zu ertragen. „Lerne leiden - ohne zu klagen.“ Lernen! Wohl dem, der guten Willens ist, willens zum Lernen, zum Leidenlernen, zum Nichtklagen! Kinder Gottes müssen das lernen, wenn auch oft - meist - allermeist gegen ihren Willen. Auch in solchen Zeiten der Leiden bleibt der Weg Gottes Liebe, lerne das begreifen, erfassen, im Glauben nehmen! „Soll doch - trotz Kreuz und Pein - dies meine Losung sein:
Näher, mein Gott zu Dir! Näher zu Dir!“
Möchten wir in der Nachfolge Jesu mehr und mehr verstehen lernen, daß ohne den Willen Gottes auch kein Haar vom Haupt fällt, daß wir uns aber andererseits vor vielem Leid bewahren können, wenn wir dem Willen Gottes nicht erst unser Nein entgegensetzen. Es ist wohl selten ein Mensch durch so tiefes Leid hindurchgegangen wie Hiob, es ist wohl auch kein Gedanke gedacht oder ausgesprochen worden, den nicht auch Hiob gedacht und ausgesprochen hat; es ist aber auch kaum ein Mensch solange geduldig geblieben wie Hiob.
Ach, wie ist der Mensch so arm, so elend, so jämmerlich, wenn er nur nach unten schaut und in sich und um sich nichts als Unwertes sieht. Mag uns allen mit des Herrn Hilfe möglich werden, mehr und mehr, insbesondere auch in Zeiten der Trübsal, des Leides und der Heimsuchung den Blick aufzurichten zu Ihm, unserem verherrlichten Herrn, der uns kennt, uns erziehen und passend machen will, rechte Streiter Christi zu werden! Der Herr schenke uns, daß wir, wo und wie irgend Er uns erziehen will, stille werden und unseren Mund nicht auftun, sondern nur flehen und beten: „Ja, Vater - Dein Wille geschehe!“
Sein Wille ist, daß wir hindurchgebracht werden zur Herrlichkeit. Ehre sei dem Herrn! Sein Weg ist und bleibt Liebe.
B. (N. a. R).