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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 6 -Jahrgang 1918/19
Gal 5,22 - Gedanken über den Text
Gal 5,22 - „Gedanken über den Text“ (2)Gal 5,22 - „Gedanken über den Text“ (2)
In der vorigen Betrachtung habe ich zu zeigen versucht, daß wir in dem Herrn Jesus als dem Sohn des Menschen die echte „Frucht des Geistes“ (Mt 1,20) schauen und daß, weil in dem geschriebenen das fleischgewordene Wort (Joh 1,14) gesehen wird, wir im Anschauen der Herrlichkeit Jesu Christi, d. h. Seiner Selbst in Seinem Wort, durch den Geist verwandelt werden in Sein Bild (2Kor 3,18), welches wir in Gal 5,22 wie in vielen anderen Stellen der Schrift, überhaupt in der Schrift im ganzen und so auch in den jene Stelle widerspiegelnden Geschichten der Evangelien, vor uns haben. Der Herr Jesus als „Sohn des Menschen“ tritt uns darin vor Augen, alles, was wir an Ihm sehen, ist die „Frucht des Geistes“, und indem wir in Sein Bild verwandelt werden, sind auch wir instand gesetzt, selber die Frucht des Geistes an uns zu tragen.
Heute nun liegt es mir am Herzen, noch einen mir seit langem wichtigen Punkt zu erwähnen, der wenig Beachtung findet, leicht sogar übersehen wird, wenigstens von vielen.
Es heißt in Gal 5,22 „die Frucht des Geistes“. Sehr häufig hört und liest man, auch bei im Worte wohlbewanderten Gläubigen, von den „Früchten des Geistes“. Aber die Schrift spricht nicht so, und hier anders als die Schrift denken und reden öffnet, wie überall, den Weg zu falschen Folgerungen. Wohl ist vorher (V. 19-21) die Rede von den „Werken des Fleisches“, da dieses je nach den verschiedenen Lüsten, die in ihm herrschen, bald nach dieser, bald nach jener Seite sich tätig erweist in „unfruchtbaren Werken der Finsternis“ (Eph 5,11). So ist es aber nicht mit der „Frucht des Geistes“, sondern, wie der Geist vollkommen ist und in gottgemäßer Vollkommenheit wirkt und schafft, so ist auch das durch Ihn Hervorgebrachte in sich selbst vollkommen, und so gehören jene dreimal drei Stücke unbedingt zusammen. Gewiß sehen wir solche vollkommene Frucht des Geistes eben nur in dem Menschen Christus Jesus, aber das schließt nicht nur nicht aus, sondern hat vielmehr zur Folge, daß überall, wo durch den Geist das Leben ist (5,25), auch das in sich geschlossene Wesen der Frucht des Geistes zutage tritt, wenn auch in Schwachheit. Jene Stücke aus Gal 5,22, welche Merkmale des Lebens aus Gott genannt werden dürfen, gehören so völlig zusammen, daß, wenn es möglich wäre, daß eines durchaus fehlte, die Frucht des Geistes eben nicht vollkommen wäre, sondern nur Stückwerk (vgl. die Weintraube: lauter einzelne Beeren zusammengeschlossen zu einer Traube: der Frucht des Weinstocks)!.. Und könnte wohl gesagt werden, daß irgend eines dieser Merkmale bei unserem hochgelobten Herrn Jesus in Seiner Menschheit auch nur weniger strahlend vorhanden gewesen wäre als ein anderes? Nicht wahr, schon solcher Gedanke wäre eine Verunehrung der kostbaren Person des Sohnes Gottes in Seiner Menschheit. Wir mögen in den Geschichten des Evangeliums, von denen ich voriges Mal zur Beleuchtung der einzelnen Merkmale einige angeführt habe, hier dieses, dort jenes mehr hervortreten sehen - jedoch vorhanden waren und sind in Ihm alle jene köstlichen Stücke in gleicher Kraft und Schönheit. Sehen wir uns nur einmal einzelne Geschichten daraufhin an, z. B. Joh 4! Tritt auch nur eines der Merkmale so zurück hinter den anderen, daß wir es nicht zu finden vermöchten? Und finden nicht demgegenüber wunderbarerweise verschiedene forschende Gläubige in solchen Geschichten wieder Verschiedenes: dem einen ist dieser Zug kostbarer, dem anderen jener? Beide Seiten, sowohl die Gleichheit des Hervorhebens der Züge wie die Verschiedenheit derselben in der Wirkung auf unser Gemüt und unser Herz, zeigen uns die Vollkommenheit der „Frucht des Geistes“, wie sie im Sohne des Menschen in die Erscheinung tritt. Aber wie ist es bei uns? Du sagst vielleicht: „Ach, bei mir ist gar nichts Rechtes zu sehen von dieser Geistesfrucht, ich bin zufrieden, wenn nur eine der ‚Früchte‘ sich findet.“ Du irrst, teures Kind Gottes! Auch bei dir, bei jedem von den geliebten Seinigen ist diese Frucht zu finden, und zwar in allen ihren Merkmalen, nur nicht in ihrer Herrlichkeit wie bei unserem teuren Herrn. Wohl sehen wir untereinander mehr das eine oder andere Stück, und das hängt unter anderem zusammen damit, daß bei uns im natürlichen Leben bald diese, bald jene Lieblingsneigung mehr hervortrat, so daß das entsprechende Gegenteil im neuen Leben umso heller hervorstrahlt - und wie schön, wenn z. B. aus einem Jähzornigen ein Sanftmütiger wird! -, aber tatsächlich ist bei uns Wiedergeborenen gewissermaßen die ganze völlige Frucht des Geistes vorhanden, und je treuer wir im Geist wandeln, im Anschauen der Herrlichkeit des Herrn in Seinem Wort, und je weniger wir den Geist betrüben (Eph 4,30), desto vollkommener wird sie sich zeigen im praktischen Leben. Frucht ist etwas Organisches, nichts Gemachtes, sie ist ein Ergebnis des Lebens (vgl. die Frucht des Baumes: je gesunder und kräftiger das Leben des Baumes, desto vollkommener auch seine Frucht)!.. So ist die Frucht des Geistes bei uns das Ergebnis und Zeichen unseres Lebens aus Gott. Bei Unwiedergeborenen können sich wohl Nachahmungen einzelner dieser Stücke zeigen, und oft werden untreu wandelnden Gläubigen solche edlen Ungläubige als Vorbilder und zur Beschämung vorgestellt, aber es ist nicht die Frucht des Geistes bei ihnen, sondern entweder die Folge guter Erziehung oder eiserner Energie, oder auch fleischlicher Absichten, oder, wie gesagt, Nachahmung, wenn auch oft unbewußt, der bei Gläubigen gesehenen vermeintlichen „guten Eigenschaften“. Die Frucht des Geistes ist etwas unendlich Höheres, selbst wenn sie noch so unvollkommen dargestellt ist. Gott erkennt sie als „Frucht des Geistes“ an, während nie auch die besten Eigenschaften der Unwiedergeborenen von Gottes Seite Anerkennung finden (Röm 3), mögen sie auch für diese Welt gut und nützlich sein! Unser Gott und Vater in Christo sieht in der durch den Heiligen Geist in uns hervorgebrachten Geistesfrucht etwas von dem Wesen, von der Kostbarkeit dessen, der „Seine Wonne“ ist (Spr 8), und hat darum Seine Freude daran, und „Er wird die ehren, die Ihn ehren“ (1Sam 2,30). Darum, Kind Gottes, freue dich dessen, daß auch in dir durch die Gnade etwas gefunden wird von dem, der hienieden Gott geoffenbart hat, und wenn du schon trauern mußt, daß jene Frucht so wenig vollkommen in deinem Leben zu sehen sei, so trauere nicht darum, als ob nur die eine oder andere Frucht dein Teil geworden sei, sondern darüber, daß, obwohl die ganze vollkommene Frucht des Geistes in uns hervorgebracht wird - ohne Abstrich, ohne ein Stück, da alle zusammengehören -, du zu wenig im Geist wandelst, zu wenig Ihn, den Herrn, anschaust, zu sehr mit dir und der Not des Lebens beschäftigt bist, zu sehr in den Dingen dieser Welt zu Hause bist usw.! Da heißt‘s für uns, handeln nach 1Joh 1,9 und uns nach Joh 13 (vgl. Fr. 27, Jahrbuch V 1917)!. die Füße waschen und uns reinigen zu lassen von Ihm durch Sein Wort, damit wir „mehr“, ja „viel Frucht“ bringen (Joh 15,2.5.8). Dann wird immer völliger an uns gesehen werden, was Christus ist!
Noch einmal: Wohl mag dies oder jenes Merkmal der Frucht des Geistes an uns für andere mehr auffallend sein - vorhanden ist jedes, denn wo Liebe, da ist auch Freude - oder etwa nicht?! -, wo diese beiden, da ist auch Friede, wo diese drei, da ist auch Langmut und nicht minder Freundlichkeit, ja auch Gütigkeit; und kann da die Treue fehlen? die Sanftmut, die Enthaltsamkeit? Nicht wahr, alles gehört zusammen und geht und ist zusammen bei dir und mir, wenn anders der Geist Gottes in uns wohnt! Das Leben des Wiedergeborenen ist einheitlich, weil aus einer Quelle herstammend (Joh 7,37-39), durch einen Geist getränkt (1Kor 12,13), von einem Herrn regiert: dem Geist Christi (Röm 8,9.14), und von einem Ziele beseelt (Phil 1,21 und Kap. 3)!. -
Darum laßt uns nicht mehr nur von Früchten des Geistes reden, wie die Schrift es nicht tut! Möchte vielmehr die herrliche „Frucht des Geistes“ in unserem Leben geschaut werden und die Welt solche in uns sehen, in denen, nachdem sie „durch das teure Blut Christi erlöst sind von dem eitlen Wandel nach väterlicher Weise“ (1Pet 1,18.19), Christus Gestalt gewonnen und immer mehr gewinnt (Gal 4,19)! Ach, daß Er doch gesehen werde hienieden, Er, von dem die Welt so wenig weiß! Daß Er doch durch das „Haus Gottes, welches ist die Gemeinde des lebendigen Gottes“ (1. Timoth. 3,15), und in jedem Seiner Hausgenossen hienieben gesehen werde! Daß wir doch Seine lebendigen Zeugen seien (Joh 15,26.27; 16,14; Apg 1,8) in Wort und Werk, in Wandel und Wesen! Er Selbst wirke durch Seinen Geist in uns Sein Bild: „die Frucht des Geistes - Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit“ zu Seiner Verherrlichung!
F. K. (z. Zt. b. Militär).