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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 20 - Jahrgang 1935
Jona - Blicke in Gottes Erzieherweisheit
Jona 4 - Blicke in Gottes Erzieherweisheit: Jonas Erzürnung über Ninives Verschonung und die göttliche Zurechtweisung.Jona 4 - Blicke in Gottes Erzieherweisheit: Jonas Erzürnung über Ninives Verschonung und die göttliche Zurechtweisung.
(Gedanken zum Buche des Propheten Jona).
(Schluß).
Wir sahen in dem bisher Betrachteten, daß Jona nach gründlicher Buße und Beugung in die Umgebung der Menschen zurückkehrte und nach Kap. 3 bereit ist, den göttlichen Auftrag auszuführen. Seine Bußpredigt in Ninive hat zur Folge, daß dort Umkehr und Einkehr und Hinkehr zu Gott erfolgten, und Gott konnte in Anbetracht der bußfertigen Menschenkinder das Urteil über Ninive ändern, so daß es nicht dem Untergang verfiel. Gott - reich an Güte und Gnade - ließ das Unheil über Ninive nicht eintreten, weil dort noch Menschen waren, die sich sagen ließen. Man sollte meinen, der Prophet wäre über die gewaltige Wirkung seiner Predigt - des Aufrufes zur Buße - innerlich erfreut und vor Gott dankbar gewesen. Wie muß es uns deshalb befremdend anmuten, wenn die ersten Worte des 4. Kapitels lauten: „Das verursachte aber dem Jona großen Verdruß, und er geriet darüber in Zorn.“ (Kap. 4,1 Menge) In seinem ungöttlichen Verhalten beginnt er zu beten und sucht vor Gott seine ehemalige Flucht zu rechtfertigen. Sein verkehrtes Sinnen geht sogar so weit, daß er zu sterben wünscht. Wie deutlich zeigt das Verhalten Jonas nach selbsterfahrener Begnadigung die Verkehrtheit des Menschenherzens! Ist es nicht so, daß wir uns als die Begnadigten Gottes oft in ähnlichen Gedankengängen bewegen? Wie könnte Gott einem solchen ungöttlichen Denken und Handeln zustimmen! Nein, Jona muß die Zurechtweisung hinnehmen, die in der Frage liegt, die Gott an ihn richtet: „Ist es recht von dir, so zu zürnen?“ Mit ihm beginnt der Herr eine neue Lektion durchzunehmen. Das war nötig; denn Jona mußte von der Verkehrtheit seines Herzens erneut überzeugt werden, und das geschieht auf wunderbare Weise. Ach, wie tief und groß und erhaben sind die Gedanken und Absichten Gottes, möchten wir sie mehr und mehr verstehen und erkennen und sie uns zu eigen machen!
Mit der Zurechtweisung „Ist es recht von dir, so zu zürnen?“ geht Jona aus der Stadt Ninive hinaus und wartet in einer von ihm selbst erbauten Hütte, was der Stadt geschehen würde. Vor seiner Hütte läßt Gott einen Wunderbaum28 aufschießen (schneller denn durch natürliches Wachsen), und Jona ist sichtlich erfreut, unter dem wohltuenden Schatten dieses Baumes zu wohnen. Ihm fehlt nichts mehr. Aus Ninive ist er herausgegangen, eine Hütte ist seine Wohnstätte, der Schatten des Baumes tut ihm wohl. Und Ninive? Jona wartet - auf seinen Untergang.
Allein: Gottes Gedanken sind nicht Jonas Gedanken. Der Prophet muß eine neue Lektion gründlich lernen. Der schattige Wunderbaum, an dessen schnellem Wachsen Jona große Freude hatte und unter dessen Schatten er sich erquickte, geht schnell, sehr schnell ein. Ein Wurm ist die Ursache des schnellen Absinkens von Jonas unentbehrlicher Schattenquelle. Alles muß Gott dienen - selbst ein Wurm kann Sein Werkzeug sein. Zu jenem Wurm gesellt sich ein schwüler Ostwind, und mit dem umgesunkenen Wunderbaum beginnt Jona die Hitze der Sonne zu spüren. Er empfindet ihre sonst so lieblichen Strahlen so lästig, daß er ohnmächtig wird und erneut, d. i. zum zweiten Male in diesem Kapitel, den Tod herbeiwünscht. Auf die Frage Gottes „Ist es recht, daß du wegen des Wunderbaumes zürnest?“ (Kap. 4,9) sucht er sich noch zu rechtfertigen mit den Wort: „Mit Recht zürne ich bis zum Tode!“ (Kap. 4,9)
Der schnell aufgewachsene und ebenso schnell verdorrte Wunderbaum bringt den Propheten in eine nahezu verzweifelte Lage. So sollte - mußte es kommen; denn nun konnte ihn Gott tief beschämen und dem an sich bedeutungslosen Wunderbaum die Einwohner einer Weltstadt gegenüberstellen. Jener Baum war weder aus Jonas Bemühen hervorgegangen, noch hatte er zu seiner Entfaltung irgend Hand angelegt, nein - nur sein Schatten tat ihm wohl. Und weil er den nicht mehr haben konnte, tat ihm das schnelle Verdorren leid, jammerte er über zerstörte Bequemlichkeit. Und Ninive? Lag ihm offenbar nicht so am Herzen. Wohl hatte er jene Stadt zur Buße aufgerufen, wahrscheinlich aber nicht an die gewaltige Wirkung seiner Predigt geglaubt; denn wie hätte er sonst über das verhütete Unglück traurig, ja zornig sein können? Wie wenig priesterliches Verhalten, wie wenig Mitgefühl und göttliches Verantwortungsbewußtsein!
Gott weist Seinen Knecht gründlich zurecht und läßt ihn Seine Geduld und Güte erblicken, indem Er an ihn die Worte - gewaltig und beschämend für Jona, erhaben und tief nach dem Herzen Gottes - richtet: „Du erbarmst dich des Wunderbaumes, um welchen du dich nicht gemüht und den du nicht großgezogen hast, der als Sohn einer Nacht entstand und als Sohn einer Nacht zugrunde ging; und Ich sollte Mich Ninives, der großen Stadt, nicht erbarmen, in welcher mehr als hundertzwanzigtausend Menschen sind, die nicht zu unterscheiden wissen zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken, und eine Menge Vieh?“ (Kap. 4,10 u. 11)
Ob Jona diesen Worten aus dem Munde Gottes wohl etwas zu erwidern hatte? Ob sie ihn erneut trafen - und ihm sein eigenes Herz und das Herz Gottes zeigten?
Die Schrift berichtet uns nichts weiter. Und das ist sicher nicht ohne Grund. Jona ist beschämt, tief beschämt, göttlich zurechtgewiesen. Sicher hat er seinen Gott verstanden und sich vor Ihm wieder tiefgebeugt. Und wir? Ach, wie oft ist die Geschichte Jonas unsere Geschichte! Wie sehr beklagen wir oft dahingesunkene Bequemlichkeiten aus lauter egoistischen Beweggründen, und wie oft bekümmern wir uns nicht um „die Stadt Ninive“, für die genau so wie für uns die Güte und Langmut Gottes ausreicht.
Mit dem bisher Gesagten schließe ich die kurze Betrachtung über das Buch Jona. Sicher kann der Herr jedem lieben Leser einen Segen bereiten, wenn das in den verschiedenen Lieferungen Geschilderte als Anregung hingenommen wird, darüber weiter nachzudenken und vor Gott zu erwägen. Zeitlich weit zurückliegend, doch so gegenwartsnahe dünkt uns das Buch Jona und mit ihm die ganze Heilige Schrift Alten und Neuen Testamentes. Mag sie uns in vorgerückter Weltzeit und später Stunde immer mehr sein und werden „unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege!“ (Ps 119,105)
Fliehet zu Gott! Er segne uns!
H. B., U.
28 Viererlei ließ Gott um Jonas willen werden: 1. einen großen Fisch (Kap. 2,1) - 2. einen Wunderbaum (Kap. 4,6) - 3. einen Wurm (Kap. 4,7) - 4. einen schwülen Ostwind (Kap. 4,8).
Der Schriftl.↩︎