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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 15 - Jahrgang 1930
Joh 12,24 - „Das Weizenkorn“Joh 12,24 - „Das Weizenkorn“
„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“ (Joh 12,24) „Es bleibt allein!“ Ganz allein war der Herr, als Er hier auf Erden wandelte - Ihm war niemand gleich. Millionen Menschen wurden in dieser Welt geboren, aber keiner wie Er. Alle wurden aus dem Willen des Fleisches geboren, Er allein war der vom Heiligen Geiste Gezeugte - das Heilige, welches von der Maria geboren wurde (Lk 1,35). Ihm wurde von Gott ein Leib bereitet (Heb 10,5). Obwohl Er in der Knechtsgestalt und in der Gleichheit der Menschen war, war Er doch der Heilige, „der Sünde nicht kannte“ (2Kor 5,21). Er war das Weizenkorn, das ganz allein blieb.
Viele Kinder waren in Israel im Alter von zwölf Jahren, aber keines war da, über dessen Weisheit und Verständnis die Lehrer Israels außer sich gerieten. Er war ohnegleichen - das Weizenkorn blieb allein.
Tausende standen im Alter von dreißig Jahren, aber niemand von diesen konnte dem Heiligen Geiste Wohnung sein, denn alle bedurften der Erlösung. Nur in einem reinen Gefäß konnte der Heilige Geist wohnen, und Er war der einzige Reine, auf den Er in Gestalt einer Taube hernieder kommen und bleiben konnte.
Alle Menschen der Welt standen vor dem Auge Gottes, aber einer allein war es, auf den Gott mit Wohlgefallen blickte, über dem Er den Himmel öffnete und Seine Freude über Ihn in dem Ruf ausdrückte: „Dieser ist Mein geliebter Sohn, an welchem Ich Wohlgefallen gefunden habe!“ (Mt 3,17) Dieses Zeugnis Seines Wohlgefallens im Anfang des Weges Seines geliebten Sohnes, „alle Gerechtigkeit zu erfüllen“, wiederholte Gott noch einmal, als Er auf dem heiligen Berge war, und dann fügte Er hinzu: „Ihn höret!“ Moses und Elia waren auch auf dem Berge, aber sie mußten zurücktreten - sie waren Ihm nicht gleich. Er allein war der Sohn Seines Wohlgefallens, und Ihn allein sollten sie hören.
Von dem Berge der Verklärung stieg Er herab, um nun den Weg zu gehen, dessen Ende Gethsemane und Golgatha war. Wohl gingen Seine Jünger mit Ihm, und dennoch, allein stand Er im ringenden Kampfe. Nicht eine Stunde konnten sie mit Ihm wachen. Auf Mitleiden hatte Er gewartet, aber keines war da, und auf Tröster und keine gefunden (Ps 69,20). Alle verließen Ihn und flohen. Das Weizenkorn blieb allein.
Von Gethsemane führte der Weg nach Golgatha. Wenn der Hohepriester ins Heiligtum hineinging, um Sühnung zu tun, so durfte kein Mensch in dem Zelte der Zusammenkunft sein (3. Mose 16,17). Und so allein war Er, als Er auf Golgatha die Sühnung für unsere Sünden vollbrachte. Allein, verlassen von Menschen, verlassen von Gott, umgeben von dem Dunkel der Finsternis, hing Er am Kreuze. Dieses Alleinsein vermag kein menschliches Herz zu erfassen. Allein trank Er den Kelch, den auch nur Er allein zu trinken vermochte. Nur mit Anbetung können wir Ihn anschauen.
Nicht nur war Er das Weizenkorn, welches in Seinem Leben und in Seinen Wegen allein blieb in dieser Welt, Er blieb auch allein in Seiner Freude, in Seinem Leiden, in Seiner Liebe, in Seiner Arbeit. Er Selbst sagt: „Ich habe eine Speise zu essen, die ihr nicht kennet.“ (Joh 4,32) Niemand kannte die Größe Seiner Liebe, niemand vermochte in Seine Liebe einzudringen, in die Freude des Mannes der Schmerzen und der Tränen; niemand konnte Seine Leiden verstehen und teilen, niemand Seine Hingabe, Seinen Dienst in der Knechtsgestalt erfassen. In dem, was Seine Seele genoß und empfand, stand Er ganz allein. Er hatte eine Speise zu essen, die niemand kannte. Wo wir Ihn auch betrachten von der Krippe bis zum Kreuze, immer sehen wir, daß Er gänzlich abgesondert war von allen anderen Menschen sowohl in Seiner Natur als in Seinem Empfinden, in Seinem Wesen, in Seinem Dienst, in Seinen Freuden, in Seinen Leiden. Immer war Er das Weizenkorn, das allein blieb. „Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“ Wieviel liegt in diesen wenigen Worten. Er, das wahre Weizenkorn, blieb während Seines ganzen Lebens allein. Aber dann kam die Stunde, von welcher der Herr durch den Mund des Propheten sagt: „In den Staub des Todes legst Du Mich.“ (Ps 22,15) Das Weizenkorn wurde in die Erde gelegt, um zu sterben und viel Frucht zu bringen. Wenn es stirbt, dann sprießt der Halm hervor, dann die Ähre, und dann der volle Weizen in der Ähre. Den Halm möchten wir mit dem Auferstandenen vergleichen, die Ähre mit der Frucht Seiner Auferstehung, den vollen Weizen in der Ähre mit den vollendeten herrlichen Resultaten Seines Todes und Seiner Auferstehung.
Während Er, das Weizenkorn, in Seinem Leben und in Seinem Tode allein blieb, blieb es in Seiner Auferstehung nicht mehr allein - in die Erde gelegt, sollte Er nicht mehr „Wie ein einsamer Vogel auf dem Dache“ sein (Ps 102,7). Rund um den auferstandenen Halm des in die Erde gefallenen und gestorbenen Weizenkorns sammeln sich die vielen Weizenkörner. Er, der das Leben Selbst ist, gibt als der Auferstandene Leben allen denen, für die Er starb. Nun ist das Weizenkorn nicht mehr allein, es hat „Brüder“ und „Genossen“ - Er ist das Haupt eines großen Geschlechtes geworden. Die erste Botschaft des Auferstandenen galt Seinen Brüdern, indem Er zu Maria sagte: „Gehe hin zu Meinen Brüdern ...“ (Joh 20,17)
Wenn der Herr Sich auch nicht schämt, uns Seine Brüder zu nennen, so ist Er doch der „Erstgeborene“ vieler Brüder, ein Abstand von zweitausend Ellen bleibt zwischen Ihm und uns bestehen (Jos 3,4). Gottes Ratschluß ist, daß Er in allen Dingen den Vorrang - den ersten Platz habe. Wir sind Glieder, Er aber ist das „Haupt“. Wohl hat Er uns zu Königen und Priestern Seinem Gott und Vater gemacht, aber Er ist der große Hohepriester und „der König der Könige und der Herr der Herren.“ Er hat etliche von den Seinigen gewürdigt, Hirten Seiner Herde zu sein, aber Er ist der „Erzhirte“ und der „große Hirte“ Seiner Schafe. Er nennt uns Seine Genossen; aber Er ist gesalbt mit Freudenöl über Seine Genossen. Mit welcher Sorgfalt wacht der Heilige Geist über Seine persönliche Oberhoheit! Wie hoch hat Gott Ihn über alles im Himmel und auf Erden erhoben! Ihm soll sich jedes Knie beugen, „der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekennen, daß Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.“ (Phil 2,10.11) Der, welcher in Niedrigkeit als ein Mensch auf der Erde wandelte, in dem wohnte die Fülle der Gottheit leibhaftig. Nie hörte Er auf, Gott zu sein, und nie wird Er aufhören, Mensch zu sein, obwohl Er „über allem ist, Gott, gepriesen in Ewigkeit.“ (Röm 9,5) Niemand als Er allein vermochte Sich auf Grund des Rechtes auf des Vaters Thron zu setzen. In allem diesem ist Er noch ganz allein.
Es wird unsere ewige, nie aufhörende Freude sein, Ihn in Seiner Herrlichkeit anzuschauen, die Er bei dem Vater hatte, ehe die Welt war, und Ihn zu erhöhen als den Einen, der allein würdig ist, alle Huldigung zu empfangen.
So erfreuen wir uns, wenn wir Ihn anschauen in Seiner Herrlichkeit als das Weizenkorn, welches in Seinem Leben und Tode allein blieb. - Und wiederum erfreuen wir uns und sind glücklich über unsere gegenwärtige und ewige Verbindung mit Ihm, dem in die Erde gefallenen und auferstandenen Weizenkorn. - Und anbetend schauen wir die Herrlichkeit Seiner Person an, in welcher Er erhöht über Seine Genossen immer und ewig allein sein wird.
(N). A. v. d. K.