Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 9 -Jahrgang 1923/24
Der Name „Sohn“ im MatthäusevangeliumDer Name „Sohn“ im Matthäusevangelium
Ein großer, weltlicher König führt viele Namen, und jeder Name ist ein Ausdruck seiner Größe und Macht. So ist es auch mit unserem himmlischen Herrn und König. Er trägt viele Herrliche und bedeutungsvolle Namen, die Er aber nicht Sich Selbst beilegte wie ein irdischer König, sondem die Ihm Sein himmlischer Vater und das Wort Gottes gaben. „Darum hat Gott Ihn auch hoch erhoben und Ihm einen Namen gegeben, der über jeden Namen ist, auf daß in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekenne, daß Jesus Christus Herr ist, zur VerHerrlichung Gottes des Vaters“ (Phil 2,9-11). „Und sie wird einen Sohn gebären, und du sollst Seinen Namen Jesus heißen; denn Er wird Sein Volk erretten von ihren Sünden“ (Mt 1,21). Das ist der kostbare Name, der über jedem Namen ist, vor dem wir uns schon heute beugen dürfen und der uns Leben und Errettung gebracht hat.
Wir wollen uns jetzt nur mit dem Matthäusevangelium beschäftigen, und zwar auch nur mit den Namen, die den Herrn als „Sohn“ bezeichnen. So hören wir bei Seiner Taufe aus den Himmeln die Stimme Seines Vaters erschallen: „Dieser ist
Mein geliebter Sohn, an dem Ich Wohlgefallen gefunden habe“ (Mt 3,17). Und zum zweiten Male, bei Seiner Verklärung, erschallt dieselbe Stimme aus der Wolke: „Dies ist Mein geliebter Sohn, an dem Ich Wohlgefallen gefunden habe; Ihn höret!“
(Mt 17,5). So gibt Gott aus den Himmeln Seinem geliebten Sohn Zeugnis, der hier in Niedrigkeit und Knechtsgestalt einherging, daß Er Gottes geliebter und eingeborener Sohn ist! Wir sehen Ihn, wie Er als Sohn Seine Augen emporrichtet zu dem Vater, dem Herrn des Himmels und der Erde, und zu dem Willen Seines Vaters Sein „Ja“ sagt. Wie Er sagt, daß Sein Vater Ihm alles übergeben habe und daß nur Er den Vater erkenne und Er der Einzige sei, der den Vater offenbare (11,26.27). Und als einige Zeit darauf Petrus das wunderbare Bekenntnis ablegte: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“, da konnte Er ihm antworten: „Glückselig bist du, Simon, Bar Jona; denn Fleisch und Blut haben es dir nicht offenbart, sondern Mein Vater, der in den Himmeln ist“ (16,16.17). Wie wunderbar, der Sohn offenbart den Vater und der Vater den Sohn! Und wiederum erhob Er Seine Augen zum Vater, als die Stunde der Versuchung kam und es wieder hieß, zu dem Willen Seines Vaters Ja zu sagen (26,39-46). Er redet von der Liebe und dem Willen Seines Vaters, der in den Himmeln ist. (5,48; 6,8.32; 7,11.21; 18,14). Staunend fielen die, die in dem Schiffe waren, vor Ihm nieder, als sie sahen, daß Ihm Wind und Wellen untertan waren, und sprachen: „Wahrhaftig, Du bist Gottes Sohn“. Selbst die Dämonen erkannten, mit wem sie es zu tun hatten (8,29). Das letzte, wunderbare Zeugnis legte Er Selbst in ernster Stunde vor dem Hohenpriester und dem Hohen Rat ab: „Ich beschwöre Dich bei dem lebendigen Gott, daß Du uns sagest, ob Du der Christus bist, der Sohn Gottes? - Jesus spricht zu ihm: Du hast es gesagt“. Welch ein letztes Zeugnis an die Führer des Volkes! Und doch blieben die Herzen verstockt. (26,63-65).
Ein zweiter Name, den wir im Matthäus für den Herrn finden, ist der Name „Sohn des Menschen“.
Es ist der Name, den Er Selbst brauchte, wenn Er von Sich sprach. Wir finden nicht, daß Matthäus oder ein anderer Ihn mit diesem Namen genannt hätte, sondern Er allein nennt Sich so. Dieser Name bezeichnet Den, „welcher in der Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete,
Gott gleich zu sein, sondern Sich Selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem Er, in Gleichheit der Menschen erfunden, Sich Selbst erniedrigte, indem Er gehorsam ward bis zum Tode, ja, zum Tode am Kreuze“ (Phil 2,6-8). Schon bei der Austreibung aus dem Paradiese war von dem Weibessamen gesprochen (1. Mose 3,15). Und dann redet der 8. Psalm deutlich von Ihm, und zwar von Seiner Erniedrigung wie von Seiner Erhöhung: „Was ist der Mensch, daß Du sein gedenkest, und des Menschen Sohn, daß Du auf ihn acht hast? Denn ein wenig hast Du ihn unter die Engel erniedrigt; und mit Herrlichkeit und Pracht hast Du ihn gekrönt“ (V. 4.5). Wie im Philipperbrief und in Ps 8 die zwei Seiten im Leben des Herrn Jesus, Seine Erniedrigung und Seine Erhöhung, gezeigt werden, so treten diese zwei Seiten auch im Matthäusevangelium hervor, schon wenn wir nur die erste Stelle, wo der Menschensohn von Sich Zeugnis ablegt, mit der letzten vergleichen. Die erste: „Und Jesus spricht zu ihm: Die Füchse haben Höhlen, und die Vögel des Himmels Nester, aber der Sohn des Menschen hat nicht, wo Er das Haupt hinlege“ (8,20); und die letzte vor den Hohenpriestern und Ältesten und dem ganzen Hohen Rat: „Doch Ich sage euch: Von nun an werdet ihr den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen aus den Wolken des Himmels“ (26,64). Dabei hatte aber doch der Sohn des Menschen schon „auf Erden Gewalt, Sünden zu vergeben“ (9,6). „Er war gekommen, um das Verlorene zu retten, nicht um bedient zu werden, sondern um zu dienen und Sein Leben zu geben als ein Lösegeld für viele“ (18,11; 20,28). „Und als Jesus nach Jerusalem hinaufging, nahm Er die Jünger auf dem Wege besonders zu Sich und sprach zu ihnen: Siehe, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und der Sohn des Menschen wird den Hohenpriestern und Schriftgelehrten überliefert werden, und sie werden Ihn zum Tode verurteilen; und sie werden Ihn den Nationen überliefern, um Ihn zu verspotten und zu geißeln und zu kreuzigen, und am dritten Tage wird Er auferstehen“ (20,17-19). Und schließlich: „Dann kommt Er zu den Jüngern und spricht zu ihnen: So schlafet fort und ruhet aus; siehe, die Stunde ist nahe gekommen, und der Sohn des Menschen wird in Sünderhände überliefert“.
(26,45; 12,40; 17,9.12.22; 26,1.2.4.24.25). Und dann von Seiner Herrlichkeit. Die Stelle 26,64 ist ja schon oben angeführt von Seinem Sitzen zur Rechten Gottes in der heutigen Zeit seit Seiner Himmelfahrt. Dann noch zwei Stellen von Seiner Herrlichkeit, Seinem Thron und dem Gericht: „Denn der Sohn des Menschen wird kommen in der Herrlichkeit Seines Vaters und mit Seinen Engeln, und dann wird Er einem jeden vergelten nach seinem Tun“ (16,27). „Wenn aber der Sohn des Menschen kommen wird in Seiner Herrlichkeit und alle Engel mit Ihm, dann wird Er auf Seinem Throne der Herrlichkeit sitzen; und vor Ihm werden versammelt werden alle Nationen, und Er wird sie voneinander scheiden, gleichwie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet“ (25,31.32; lies auch 25,33-46; 13,41; 19,28; 24,30).
Aber nicht nur als von einem Sohn des Menschen war vom Herrn im Alten Testament geredet, sondern auch von Ihm als dem
Sohn der Jungfrau, und das sollte ein besonderes Zeichen für Israel sein. „Darum wird der Herr Selbst euch ein Zeichen geben: Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären und wird Seinen Namen Immanuel heißen“ (Jes 7,14). Die Erfüllung davon lesen wir in Mt 1,18-25. „Die Geburt Jesu Christi war aber also: Als nämlich Maria, Seine Mutter, dem Joseph verlobt war, wurde sie, ehe sie zusammengekommen waren, schwanger gefunden vom Heiligen Geiste.“ „Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, dein Weib, zu dir zu nehmen; denn das von ihr Gezeugte ist vom Heiligen Geiste.“ „Und er erkannte sie nicht, bis sie ihren erstgeborenen Sohn geboren hatte; und er hieß seinen Namen Jesus.“
Auch bei dem Namen „der Sohn Davids“
(1,1) handelt es sich um eine Verheißung aus dem Alten Testament. Als David einst den Plan faßte, einen Tempel zu bauen, da wird ihm von Gott geantwortet, daß Gott nicht ihn, sondern seinen Sohn, der aus seinem Leibe kommen würde, dazu ausersehen habe, daß er Seinem Namen ein Haus baue. Aber nicht nur von seinem Sohne
Salomo redet Gott hier zu ihm, sondern Er öffnet ihm die Augen „in die Ferne hin“ und spricht zu ihm von einem größeren Sohn, Dessen Thron Er auf ewig befestigen wird, so daß Davids Haus und Königtum beständig sein werden auf ewig und sein Thron fest sein auf ewig (2Sam 7,1-16). Wie kostbar ist es, wenn David in den Königspsalmen von diesem König, seinem Sohne, redet und seine Herrlichkeit, Macht und Schönheit schildert (Ps 2,45,72,132,145). Auch die späteren Propheten haben von Ihm, dem Sproß Isais (Jes,11,1) und dem Sproß Davids geredet: „Siehe, Tage kommen, spricht Jehova, da Ich dem David einen gerechten Sproß erwecken werde; und Er wird als König regieren und verständig handeln und Recht und Gerechtigkeit üben im Lande (Jer 23,5; lies auch 33,14-22). Und nun war die Stunde gekommen und die Zeit erfüllt, und Der wurde geboren, der hier ausdrücklich als der von den Propheten verheißene Sohn Davids bezeichnet wird (1,1.20-23). Und Er Selbst nahm diese Namen und die auf Davids Sohn gegebenen Verheißungen für Sich in Anspruch (22,41-46). Wie wunderbar ist es: „Davids Herr“ und „Davids Sohn“ zugleich oder, wie es in der Offenbarung heißt (22,16): „Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids“. Es war der Name, mit dem Seine Schafe aus Israel, die in Ihm den Messias sahen, Ihn nannten, und zwar besonders die, welche in ihrer Not bei Ihm Hilfe suchten, wie die zwei Blinden (9,27), das kananäische Weib (15,22), die zwei Blinden an dem Ausgang von Jericho (20,30.31), die ganze Volksmenge (12,23) und schließlich die Volksmenge bei dem Einzug in Jerusalem und die Kinder im Tempel (21,9.15).
Nun noch etwas über das erste Vorkommen des Namens „Sohn Davids“ und seine Zusammenstellung mit dem Namen „Sohn Abrahams“ in den ersten Worten des Evangeliums. „Buch des Geschlechtes Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.“ Beide Namen verbinden den Heiland mit Israel, der erste Name „Sohn Davids“, wie wir schon sahen, mit Israels Thron, der andere „Sohn Abrahams“ mit Israels Land (1. Mose 17,8). Ferner beschränkt der Name „Sohn Davids“ Ihn auf Israel, während der Name „Sohn Abrahams“ einen weiteren Gesichtskreis hat und die Nationen mit einschließt, indem Gott Abraham zu Anfang die Verheißung gab: „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde“ (1. Mose 12,3). Schließlich entsprechen die zwei Namen und ihre Aufeinanderfolge dem inneren Aufbau des Evangeliums. In dem ersten Teile wendet sich die Botschaft „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe gekommen“ vornehmlich an die Juden. Im zweiten Teile aber tritt die Verwerfung der Juden und die Begnadigung der Nationen sowie das Leiden und der Tod des Herrn in den Vordergrund. So heißt es in Mt 16,21: „Von der Zeit an begann Jesus zu zeigen, daß Er nach Jerusalem hinaufgehen müsse und von den „Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten vieles leiden, und getötet und am dritten Tage wieder auferweckt werden müsse“. Sein Leiden und Seinen Tod sehen wir vorgebildet in Isaak, dem Sohne Abrahams, der auf den Altar gelegt wurde.
Ferner spricht der Herr von Sich Selbst im Gleichnis (Mt 22,1.2) als von dem
Sohne eines Königs. „Das Himmelreich ist einem Könige gleich geworden, der seinem Sohne Hochzeit machte.“ Schon im Alten Testament war von diesem großen König und von Seinem Sohne geredet. „Denn Jehova, der Höchste, ist furchtbar, ein großer König über die ganze Erde ...; denn Gott ist der König der ganzen Erde ... Gott regiert über die Nationen; Gott hat Sich auf den Thron Seiner Heiligkeit gesetzt.“ Von dem Sohne hören wir dann in dem 72. Psalm: „O Gott, gib dem Könige Deine Gerichte, und Deine Gerechtigkeit dem Sohne des Königs. Er wird Dein Volk richten in Gerechtigkeit.“ Im 145. Psalm hören wir den Sohn Selbst des Königs Herrliche Pracht, Wunderwerke, Kraft und Güte preisen. - Das Gleichnis von des Königs Sohn in Mt 22 gibt uns eine vollständige Schilderung von dem Reich der Himmel in dem jetzigen Zeitalter. Der hervorstechende Zug in diesem Gleichnis ist nicht die Erniedrigung Christi als unseres Heilandes, sondern die Erhöhung, Ehre und VerHerrlichung des Sohnes des Königs: „Auf daß alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt den Vater nicht, der Ihn gesandt“ (Joh 5,23). „Ich aber suche nicht Meine Ehre; es ist einer, der sie sucht und richtet“ (Joh 8,50). „Mein Vater ist es, der Mich ehrt“ (Joh 8,54).
Dies waren Namen, die von Gott und den Propheten vorausgesagt waren, und die Gläubigen in Israel sahen in Ihm die Erfüllung dieser verschiedenen Weissagungen. Nun gibt es aber im Matthäusevangelium noch einen Namen in Verbindung mit dem Worte „Sohn“, der nicht von dieser Seite kam, sondern von seiten derer, die nicht glaubten, sondern sich an Ihm ärgerten: „Und Er kam in Seine Vaterstadt und lehrte sie in ihrer Synagoge, so daß sie sehr erstaunten und sprachen: Woher diesem diese Weisheit und diese Wunderwerke? Ist dieser nicht der
Sohn des Zimmermanns?
Heißt nicht Seine Mutter Maria und Seine Brüder Jakobus und Joseph und Simon und Judas? Woher nun diesem dies alles? Und sie ärgerten sich an Ihm“ (Mt 13,54-57).
Möchte die Betrachtung dieser verschiedenen Namen des Herrn dazu dienen, etwas von der unausforschlichen Herrlichkeit des Herrn zu zeigen.
O. v. Br.