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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 5 -Jahrgang 1917
Lk 12,56 - „Beurteilet ihr diese Zeit nicht?“Lk 12,56 - „Beurteilet ihr diese Zeit nicht?“
Diese Worte, die der Herr einst tadelnd an die Volksmenge richtete, die gedankenlos dahinlebte und nicht beachtete, was in ihren Tagen geschah, reden auch heute noch zu uns. Auch in unseren Tagen geschehen große Dinge. Es „toben die Nationen und sinnen Eitles die Völker“.( Ps 2,1)
Als die Jünger vom Hohen Rat gemißhandelt zu den Ihrigen zurückkehrten, gedachten sie an dieses Psalmwort.( Apg 4,25-28) Aber ihr Auge blieb nicht haften an dem Toben der Nationen. Sie sahen weiter hinaus, sie schauten auf Gottes Ratschlüsse und Ziele. Welch Eitles die Völker auch sinnen mochten, Gott brachte das, was Seine Hand und Sein Ratschluß zuvorbestimmt hatte, dadurch zur Ausführung, und dies hatte mehr Interesse für sie als das Toben der Nationen. Auch unser Blick geht von den gegenwärtigen großen Ereignissen hin zu den Plänen Gottes. Was auch immer der Mensch tut in seiner Eitelkeit und Bosheit, wir stehen nicht still dabei, wir bringen es im Lichte Seines Wortes in Verbindung mit der Erfüllung alles dessen, was Seine Hand und Sein Ratschluß zuvorbestimmt hat, daß es geschehen soll.15
Wohl haben wir in bezug auf die Ankunft des Herrn nicht erst die Erfüllung von Ereignissen zu erwarten (da ist nichts, was Seinem Kommen, den Seinigen in der Luft zu begegnen und sie zu Sich zu nehmen, erst voraufgehen müßte), aber dem Tage, an dem Er mit Seinen Heiligen erscheint, Gericht zu halten, diesem müssen noch große Ereignisse voraufgehen. Wenn nun diese gleichsam schon am Horizont auftauchen und sich in den Ereignissen unserer Tage schon ankünden, wie nahe muß dann das Kommen des Herrn sein, der die Seinigen zu Sich nehmen und bewahren will vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird.( Off 3,10)16
Zwei Rufe finden wir im Worte Gottes, die sehr bezeichnend für die Beurteilung der Zeit sind. Der eine ist der Mitternachtsruf,( Mt 25,1-10) der im Reiche der Himmel17 gehört wird und der zur Folge hat, daß die Jungfrauen sich bereiten, dem Bräutigam zu begegnen. Der andere ist der Freudenruf der Welt,( 1Thes 5,3) wenn sie am Ziel ihres Strebens sagen werden: „Friede und Sicherheit!“
Der erste Ruf kennzeichnet uns die Mitternachtszeit, in welcher der Herr Jesus kommt, um die, die bereit sind (die „das Öl“, den Heiligen Geist haben), mit Sich zu nehmen zur Hochzeit. Der zweite Ruf dagegen kennzeichnet uns die Welt in der Zeit, ehe das „plötzliche Verderben“ (Gottes Gerichte) über sie kommen wird.
Der Mitternachtsruf: „Siehe, der Bräutigam“ wird schon seit Jahrzehnten gehört und sagt uns allen, daß wir uns in der Mitternachtsstunde, der Stunde des Kommens des Herrn, befinden. Der Weltruf: „Friede und Sicherheit“, der dem „plötzlichen Verderben“ voraufgeht, wird noch nicht vernommen, aber seine Vorboten sind schon da. Das Verlangen der Völker geht nach diesem Rufe, und der Tag wird kommen, wo die Welt sich beglückwünschend zujubelt: „Friede und Sicherheit!“ Dann, wenn „Friede und Sicherheit“ das Weltthema sein wird, „dann“, sagt die Schrift, „kommt ein plötzliches Verderben über sie, gleichwie die Geburtswehen über die Schwangere, und sie werden nicht entfliehen.
Auf das Friedensangebot unseres Kaisers lehnte die Welt einen Frieden ohne Sicherheit ab. Sie will mehr als Frieden - sie will „Frieden und Sicherheit“. Frieden mit Garantien, mit Bürgschaften, daß nie auf Erden ein solcher Krieg wiederkehren kann. Tief ging es durch das Herz des Herausgebers, als die Zeitungen der Welt in Sperrdruck „Friede und Sicherheit“ forderten. Das, wonach die Welt heute ringt, wird sie erlangen. Schon werden Stimmen laut, durch Verbrüderung oder durch Bündnisse die Völker so zu binden, daß keine Nation auf Erden wieder Krieg beginnen kann, ohne die Vernichtung durch die anderen Mächte über sich selbst zu bringen. Auf welchem Wege die Menschen es auch zustande bringen werden, es genügt, die Zeit wird kommen, wo sie berauscht durch das Erreichen ihres Zieles sagen werden: „Friede und Sicherheit!“
Aber es ist Friede und Sicherheit ohne den Herrn Jesus Christus. Ihn brauchen sie nicht. Sie wollen Frieden ohne den Friedefürsten und Sicherheit ohne das Blut der Versöhnung. Sie meinen, den vom Fürsten der Welt, von Dämonen beherrschten Menschen mit ihren Fesseln und Stricken so binden zu können, daß er auch ohne Christus „vernünftig“ wird und kein Verderben mehr um sich verbreitet. Aber sie werden die gleiche Erfahrung machen wie jene, die den von unreinen Geistern bewohnten Menschen mit Ketten und Fußfesseln banden und dann sahen, daß ihre Ketten zerrissen wurden und der von Dämonen beherrschte Mensch nicht mit Fesseln zu bändigen war. Dann aber erscheint Jesus auf dem Plane. Er legt ihm nicht Fesseln an, Er befreit ihn von der Macht Satans, und „vernünftig“ sitzt er zu Jesu Füßen. „Stadt und Land“ sieht es mit Furcht.( Mk 5)
So wird es sein! Heute sinnen und arbeiten sie, die Ketten und Fußfesseln zustande zu bringen, um den von Dämonen beherrschten Menschen zu bändigen. Und wenn ihm die Fesseln angelegt sind, werden sie rufen: „Friede und Sicherheit“, um dann zu erfahren, daß ihre Fesseln nicht halten, ihre Bündnisse, Verträge und Festsetzungen zerrissen werden, und ein „plötzliches Verderben“ über sie kommt. Der Herr aber, wenn Er erscheint, wird den Satan binden für 1000 Jahre.( Off 20,2.3) Dann wird der nicht zu bändigende Mensch unter der Friedensherrschaft Jesu „vernünftig“ zu Seinen Füßen sitzen, und Gottesfurcht wird „Stadt und Land“ erfüllen.
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Die Schatten dieser Dinge sehen wir heute schon. Der Gläubige sieht (wie einst die betenden Jünger in Jerusalem) hinter dem Toben der Nationen das Zustandekommen alles dessen, was Seine Hand und Sein Ratschluß zuvorbestimmt hat, daß es geschehen soll.
Der eine Ruf - der Mitternachtsruf geht durch die Lande. Schon befinden wir uns in der Mitternachtsstunde der Ankunft Christi. Der Geist und die Braut rufen: „Komm, Herr Jesu!“ Aber auch der andere Ruf, der dem Verderben voraufgeht, meldet sich schon an. Brüder, Schwestern, wie nahe muß der Herr sein!
Aber auch andere Dinge der Zukunft künden bereits sich an. Was geht heute unter den Juden vor! Wie beschäftigen sich sogar die Völker schon mit der Rückkehr der Juden in ihr Land. - Wie bemerkbar macht sich der Abfall, der dem Antichristen den Weg bahnt. - Denken wir weiter an die Wiederaufrichtung des Römischen (10 König-) Reiches, - an das zu Macht und Leitung kommende Papsttum. Wie regt sich's überall! Beurteilet ihr diese Zeit nicht? Wie ernst mahnt uns alles: „Das Ende aller Dinge ist nahe gekommen. Seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet.“( 1. Petrus 4,7)
Wir wissen nicht, zu welcher Stunde der Herr kommt; auch nicht, ob dieser Krieg die Schlußakte der Welt schon einleitet. Wir können auch nicht sagen, ob ein jetzigem Ruf „Friede und Sicherheit“ die Erfüllung des prophetischen Rufes ist, da uns die Wege Gottes mit dem Menschen lehren, daß Gott die zuvorbestimmten Ereignisse vor ihrem Eintreten der Welt oft warnend in Vorereignissen und Vorbildern vor Augen führt. Wir können auch nicht sagen, daß die Gläubigen nicht mehr auf Erden sein werden, wenn der Ruf entsteht. Wenn wir auch lesen: „... dann kommt ein plötzliches Verderben über sie“, so meint das natürlich nicht, daß dem Rufe das „plötzliche Verderben“ in derselben Stunde auf dem Fuße folgt. Es kann sehr wohl zwischen dem Rufe „Friede und Sicherheit“ und dem die Welt „plötzlich“ überfallenden Verderben ein längerer Zeitraum liegen, in welchem sich die Welt in Friede und Sicherheit wiegt. Wir finden oft, daß in eng zusammengefaßten Ereignissen der Schrift längere Zwischenräume liegen, ohne daß sie uns dabei genannt werden.18 Auch der Mitternachtsruf, der mit dem Kommen des Herrn so eng verbunden ist, enthält zwischen dem Geschrei „Siehe, der Bräutigam“ und dem Kommen des Herrn einen Zwischenraum. Uns scheinen die seit dem Entstehen des Rufes: „Siehe, der Bräutigam“ vergangenen (etwa 90) Jahre eine lange Zeit zu sein, aber Gottes Zeitrechnung ist eine andere als unsere. „Tausend Jahre sind für Ihn wie ein Tag.“
Wenn wir nun auch in bezug auf die künftigen Ereignisse noch vor mancher offenen Frage stehen, so wissen wir sicher, daß „Friede und Sicherheit“ die letzte Kennzeichnung der Welt ist, bevor das „Verderben“, „der kommende Zorn“ sie überfällt, und diese Kennzeichnung fängt an, heute schon Gestalt anzunehmen; und weiter wissen wir sicher, daß die Mitternachtsstunde des Kommens Christi weit vorgerückt ist und der Herr nahe ist. Alles ruft uns zu: „Seid Menschen gleich, die auf ihren Herrn warten, ... auf daß, wenn Er kommt und anklopft, sie Ihm alsbald aufmachen. Glückselig jene Knechte, die der HErr, wenn Er kommt, wachend finden wird!( Lk 12,36.37) „Ja, Ich komme bald. - Amen, komm, Herr Jesu!“( Off 22,20)
15 Daß der Mensch oder die Völker in ihrem gottlosen Treiben das von Gott Zuvorbestimmte tun, hebt natürlich deren Verantwortlichkeit für ihr Tun nicht auf. Als der Kaiser Augustus das allgemeine Schätzungsgebot erließ, infolgedessen jeder sich in seinen Heimatsort begeben mußte, handelte er unbeschränkt nach seinem eigenen eitlen Willen, und doch diente es zur Erfüllung dessen, was Gott zuvorbestimmt hatte, daß Christus in Bethlehem geboren werden sollte (Lk 2,1). Die Mörder des Herrn Jesus handelten in Erfüllung des Ratschlusses und der Vorkenntnis Gottes, aber ihre Tat war voll und uneingeschränkt ihr eigenstes Tun, und das ihnen angekündigte Gericht zeigt den völlig eigenen Willen, in dem sie handelten (Mt 21,38-41). Die Aufrichtung des Kreuzes auf Golgatha war die Erfüllung des göttlichen Vorsatzes, und trotzdem taten sie es in direktem Widerstand zum göttlichen Willen.↩︎
16 Betr. „Bewahrung vor der Stunde der Versuchung“ siehe Bd. IV 1916, S. 159.↩︎
17 Betr. „Reich der Himmel“ siehe Bd. I S. 49-54; Bd. II S. 72-75; Bd. III S. 23-32.↩︎
18 z. B. 1. Mose 1,1.2; Jes 61,2; Joh 5,29; Apg 15,14-16 u. a. m.↩︎