Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 13 - Jahrgang 1928
Saul, Jonathan und MephibosethSaul, Jonathan und Mephiboseth
David, der Sohn Jesses, war von Gott erkoren, der Retter, Hirte und König Seines alten Volkes Israel zu sein. In dieser Hinsicht war er ein Vorbild unseres Herrn Jesus Christus, welcher der alleinige Retter der Menschen und der kommende König ist. Über den Erwählten Gottes hätte jedermann in Israel erfreut sein müssen, und deshalb war David in jenen Tagen tatsächlich ein Prüfstein für alle, die Gottes Gedanken und Absichten kannten.
Drei Männer finden wir - Saul, Jonathan und Mephiboseth -, die in enge Berührung mit David kamen. Die Weise, wie sie sich David gegenüber verhielten, ist ein Bild von dem, wie die Menschen sich heute dem Herrn Jesus gegenüber verhalten.
Laßt uns hierauf etwas näher eingehen! David war nicht der Mann, den Israel sich erwählt haben würde. Er war nur ein Hirtenknabe und hatte kein Ansehen. Sie jauchzten Saul zu wegen seiner prächtigen äußeren Erscheinung, und selbst Samuel, der Prophet Gottes, war nahe daran, in diesen Fehler des Volkes zu fallen. Als er in das Haus Jesses gesandt wurde, war er bereit, das Salböl auf das Haupt Eliabs auszuschütten, weil er von dem schönen Äußeren und der Höhe seines Wuchses hingenommen wurde. Aber der Herr sprach: „Blicke nicht auf sein Aussehen und auf die Höhe seines Wuchses ..., Jehova sieht nicht auf das, worauf der Mensch sieht; denn der Mensch sieht auf das Äußere, aber Jehova sieht auf das Herz.“ (1Sam 16,7).
Für das natürliche Auge des Menschen war der Herr Jesus keine Schönheit. „Er hatte keine Gestalt und keine Pracht ..., Er hatte kein Ansehen, daß wir Sein begehrt hätten, Er war verachtet und verlassen von den Menschen.“ (Jes 53,2.3). Aber Er war unbeschreiblich lieblich und schön in den Augen Gottes, denn Er liebte Gott mit Seinem ganzen Herzen, und das Herz ist die Quelle all unserer Handlungen. Ja, der Herr Jesus war der Mann nach Gottes Herzen, Sein Gesalbter, der Seinen Willen vollführte.
In den Tagen der Not und des Elendes machte das Volk Israel die Erfahrung, daß der Mann, den Gott erwählt hatte, der einzige war, der sie zu erretten vermochte. Als der Riese Goliath sie bedrohte und Saul und Eliab vor ihm in ihrer Hilflosigkeit zitterten, mußten sie sich nach einem anderen für ihre Errettung umschauen. Da erschien David, und gegürtet mit der Kraft des Gottes Israels überwand er den Riesen und befreite das Volk. Dann erkannten sie, was bei seiner Salbung gesagt wurde, daß er von „gutem Ansehen“ war. (1Sam 16,12).
Die herrliche Geschichte des Sieges Davids wird uns in 1Sam 17 berichtet und zeigt uns als ein Vorbild den Sieg unseres Herrn Jesus Christus über den mächtigen Feind, den Teufel; einen Sieg, wie er uns in Heb 2,14.15 in den Worten geschildert wird: „Weil nun die Kinder Blutes und Fleisches teilhaftig sind, hat auch Er gleicherweise an denselben teilgenommen, auf daß Er durch den Tod den zunichte machte, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel, und alle die befreite, welche durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren.“
Wie vollkommen und herrlich war Davids Sieg, und wie wurden beide überrascht, sowohl die Philister als auch die Israeliten! Denn Goliath war ein Kriegsmann, unüberwindlich, wie er dachte, und bewaffnet bis an die Zähne, während David, ein Jüngling, keine andere Waffe hatte als nur fünf glatte Kieselsteine und eine einfache Schleuder. Aber durch das, was in den Augen der Menschen nichts war, wurde das sich über alle Maßen rühmende Fleisch in den Staub des Todes gelegt. Mit seinem eigenen Schwert wurde dem Riesen das Haupt genommen, so daß selbst das zitternde Israel in Jubelgeschrei auf der Höhe von Ephes-Dammim ausbrach.
In Schwachheit gekreuzigt, trat der Herr für uns dem Machthaber des Todes, dem Teufel, entgegen. Als Er verworfen an eines Übeltäters Kreuz genagelt wurde, schien es, als ob Er eine gänzliche Niederlage erlitten hätte. Aber durch diese scheinbare Niederlage gewann Er den Sieg. Durch Seinen Tod hatte Er den, der die Macht des Todes hatte, zunichte gemacht und den Teufel überwunden, und zwar völlig, so daß unser auferstandener Herr sagen kann: „Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und Ich war tot, und siehe, Ich bin lebendig in die Zeitalter der Zeitalter und habe die Schlüssel des Todes und des Hades.“ (Off 1,17.18).
Saul.
Als Goliath überwunden war, brachte das Volk Israel in einem gewissen Maße David Anerkennung entgegen. Wir lesen 1Sam 18,5: „Er war in den Augen des ganzen Volkes ... wohlgefällig ... Und die Weiber, die da spielten, sangen und sprachen: Saul hat seine Tausende erschlagen, und David seine Zehntausende ... (Vers 7). Ganz Israel und Juda hatten David lieb (Vers 16). Und Sein Name wurde sehr geachtet“ (Vers 30). Saul aber stand im schroffen Gegensatz zu dem Volk. Sein Herz wurde von bitterem, tödlichem Haß gegen den Erretter des Volkes erfüllt. Mit scheelen, eifersüchtigen Augen sah er auf David und suchte ihn zu töten (Vers 9 und 10).
Saul ist das Bild des unbekehrten Menschen, des Menschen im Fleisch. Wir lesen sehr oft von dem „Fleische“ im Neuen Testament. Damit ist das böse Prinzip gemeint, welches im Herzen des Menschen seinen Sitz hat. Es lehnt sich auf gegen Gott und Christus und sucht das eigene Ich zur Geltung zu bringen im Gegensatz zu Christo. Das Fleisch mag Religion dulden, auch Versammlungen, ja auch Gläubige, aber nicht Christus. Als Er in die Welt kam, wurde Er von dem Menschen im Fleische für den Preis eines Sklaven verraten, von ihm ins Angesicht gespien und ans Kreuz genagelt. Dieser Mensch hat sich im Laufe der Jahrhunderte nicht verändert; der Christus Gottes wird heute noch von ihm verachtet, verworfen und gehaßt. Jeder Ungläubige ist ein Mensch im Fleische. Er liebt nicht unseren Herrn Jesus Christus, und sein Los ist schrecklich, denn die Schrift sagt: „Wenn jemand den Herrn (Jesus Christus) nicht lieb hat, der sei Anathema.“ (1Kor 16,22).
Es mag so aussehen, als ob Gleichgültigkeit gegen Christus und Seine Rechte eine geringfügige Sache sei, und es mag befremden, daß das Anathema des allmächtigen Gottes darüber ausgesprochen ist, aber es bleibt bestehen, Gott hat den Fluch darüber ausgesprochen. Wie gerecht dieser Fluch Gottes jeden Verwerfer Christi trifft, wird jeder zugeben, der in dem Vorbilde das böse Verhalten Sauls gegen David erkennt.
Israel hatte David alles zu verdanken, denn die Philister wollten ihnen nicht nur ihr Land und ihren Besitz nehmen, sondern auch sie selbst - Männer, Weiber und Kinder zu Sklaven machen. Saul konnte sie nicht erretten, auch nicht Jonathan, auch nicht Abner. Als jede Hoffnung auf Rettung geschwunden war, erschien David. Er trug sein Leben in seiner Hand. Er überwand den gewaltigen Feind und errettete das Volk von seiner Macht. Jeder mußte empfinden, daß David, dem Erretter, in Wahrheit auch das Königtum, die Herrschaft und Regierung zustand. Das Gewissen schon mußte es Saul sagen und ihn an das Wort Samuels erinnern: „Weil du das Wort Jehovas verworfen hast, so hat Er dich verworfen, daß du nicht mehr König seiest.“ (1Sam 15,23). In seiner Selbstliebe und seinem Stolz aber verweigerte er, David das Reich zu übergeben. Sauls Gedanken bewegten sich nur um seine eigene Person; für David hatte er nichts übrig. Er haßte ihn, weil sein Gewissen ihn über sein Verhalten gegen David strafen mußte.
David, durch die mächtige Hand Gottes geschützt, wurde nicht zuschanden in dem Kampfe, den er für das Volk wagte. Er siegte, ohne auch nur verwundet zu werden oder Schmerzen zu erleiden. Anders war es bei unserem Herrn Jesus Christus, als Er kam, um uns Menschen zu befreien. Sein Ansehen war so verderbt, mehr als irgend eines anderen Menschen, und Seine Gestalt als der Menschen Söhne. Seine Hände und Füße wurden durchbohrt und an das Holz genagelt. Jeder Schmerz wurde Ihm zugefügt, und Er trank die Bitterkeit des Todes bis zum letzten Tropfen. Ihn hat es viel gekostet, dem verlorenen Sünder eine ewige Errettung zu bereiten und ihn von der Macht Satans, der Furcht des Todes und der ewigen Verdammnis zu befreien. Die wunderbare Liebe, die dieses für uns vollbrachte, sollte alle Menschen zu Seinen Füßen bringen. Wie undankbar ist es, Ihn nicht zu lieben, und wie selbstsüchtig, Ihn nicht zu ehren! Aber der Stolz des Menschen weigert sich, durch einen gekreuzigten Christus gesegnet zu werden.
Gott hält Segnungen durch den Tod Christi für den Menschen bereit, große und herrliche Segnungen, aber niemand kann sie erlangen, ohne sich Christo zu beugen und zu übergeben. Wer das verweigert und wer Ihn nicht liebt, offenbart sich in Auflehnung gegen Gott, und dies wird den gerechten Zorn Gottes auf den Verächter Seines Sohnes bringen.
Sauls Stellungnahme und Verhalten David gegenüber lag in der Gesinnung: „Alle Anerkennung, allen
Ruhm für mich, aber nichts für David“, und das ist auch heute noch die Antwort, welche Tausende dem Herrn geben.
Jonathan.
Saul haßte David, Jonathan aber liebte ihn wie seine eigene Seele. Kein Wunder, denn er hatte den Streit im Felde von Ephes-Dammim beobachtet. Als er sah, wie David dem Feinde entgegenging, da mußte er sich in seinem Herzen sagen: „Du nimmst den Kampf für mich auf,“ und als der Sieg errungen war, mußte es ebenso in seinem Herzen heißen: „Er hat den Feind, den mächtigen Feind, für mich überwunden.“ Er sah ihn auch im Zelte des Königs mit dem Haupte Goliaths in seiner Hand; und dort gewann David so sein Herz, daß er sich selbst auszog und alles, was ihn in den Augen anderer noch erheben konnte, David übergab. David war Sieger auf dem Kampfplatze, er war auch Sieger in dem Zelte des Königs. Die Trophäe seines ersten Sieges war das Haupt Goliaths, die Trophäe seines zweiten Sieges war das Herz Jonathans.
Kennen wir etwas Ähnliches in unserem Leben? Hat der Herr Jesus unser Herz gefangen genommen? Hat Seine Liebe alles, was in den Augen der Menschen wertvoll ist, zerbrochen, so daß wir sagen können: „Alles gehört jetzt Dir, Lamm Gottes!“? Wie schön war die Hingabe Jonathans an David! Wie rühmt David seine Liebe, als er so rührend beim Tode Jonathans klagte: „Mir ist wehe um dich, mein Bruder Jonathan! Holdselig warst du mir sehr; wunderbar war mir deine Liebe, mehr als Frauenliebe!“ (2Sam 1,26). Aber ach, Jonathan wurde mit Saul durch die Hände der Philister erschlagen, und er sah nie das herrliche Reich in der Hand des geliebten Freundes.
Mit wehem Herzen habe ich manchmal darüber nachgedacht, warum er, der einen so schönen Anfang in seiner Liebe zu David nahm, ein so trauriges Ende auf Gilboa fand. Ich glaube die Antwort in 1Sam 23,16.18 zu finden. Es ist ein herzbewegendes Bild dort. David und Jonathan begegnen sich im Walde, so, wie sie sich zuvor auf dem Felde (Kap. 20,41.42) begegneten. Jetzt sagten sie sich zum letzten Male Lebewohl. Die innige Liebe Jonathans zu seinem Freunde David und die Erkenntnis, daß Gott ihm den Thron und das Reich geben würde, drückte er in den Worten aus: „Du wirst König sein und ich werde der nächste sein.“ In diesen Worten scheint sich mir eine schwache Stelle in der Hingabe Jonathans an David zu offenbaren. Diese Worte zeigen uns wohl die Größe der Liebe Jonathans zu David, aber zugleich lassen sie auch etwas von seiner Schwachheit durchblicken: David zuerst, aber ich der nächste. Ach, daß er Schluß gemacht hätte, als er sagte, daß das Reich an David fallen würde, und über sich geschwiegen hätte! Hätte er nicht die Bestimmung seines Platzes, des Platzes, welchen er im Reiche einnehmen sollte, seinem König überlassen können? Sicher, der König hatte doch allein das Recht, zu bestimmen, wer der Nächste nach ihm im Reiche sein solle. Hier kamen seine Gedanken über sich zutage - das eigene „Ich“ trat hervor. Bekannte er David als König, so geziemte sich solches nicht.
Hier, glaube ich, liegt die Wurzel zu dem traurigen Ende Jonathans. Sie ließ ihn zurückkehren in das Haus seines Vaters, wo sein Freund gehaßt und er in früheren Tagen um seinetwillen verfolgt wurde. Wie ganz anders würde sich Jonathans Lauf gestaltet haben, wenn er, statt zu sagen: „Du wirst König sein und ich der nächste,“ gesagt hätte: „David, du wirst König sein und ich will deine Verwerfung teilen, bis du als König von allen anerkannt sein wirst. Wo du hingehst, will auch ich hingehen; dein will ich sein; verfüge über mich, so wie du willst.“ Ein solches Bekenntnis hätte zunächst allerdings für ihn ein Verlassen des Palastes des Königs, das Aufgeben seines Ranges und Standes, die Verachtung der Menschen und das Teil des Loses Davids in den Höhlen und Klüften der Berge zur Folge gehabt; aber es hätte auch ebenso für ihn einen Ehrenplatz im Reiche Davids anstatt des schmachvollen Todes durch die Hand der unbeschnittenen Philister bedeutet.
Wie ernst ist die Lehre, die uns diese Geschichte gibt! Wir sehen hieraus, daß es möglich ist, in der Herzenshingabe für den Herrn gut anzufangen, aber nicht darin auszuharren. Die Gefahr ist immer für uns da, daß die Gedanken an uns und unsere Interessen uns leiten, für uns selbst zu sorgen und eigene Wege zu gehen.
Wohl ist der Gläubige nicht im Fleisch, sondern im Geiste (Röm 8,9), aber das Fleisch ist noch in dem Gläubigen, und wenn es zu Rate gezogen oder ihm erlaubt wird zu herrschen, so wird es bald Raum in uns finden, und in dem Maße wird unser Leben nicht mehr ganz für den Herrn sein.
David in den Tagen seiner Verwerfung ist ein Vorbild von Christus und Seiner Verwerfung. Wir müssen uns dessen voll bewußt sein, daß Christus heute noch genau so verworfen ist wie zu der Zeit, da die Menschen schrieen: „Hinweg mit Ihm, kreuzige Ihn!“ Die Rechte unseres Herrn werden nicht anerkannt, sie setzen Ihm keine Krone aufs Haupt, sie wünschen nicht Seinen Namen und Sein Eingreifen in ihre Dinge. Und die, welche Ihm in Wahrheit folgen, denen gilt noch Sein Wort: „Wenn ihr von der Welt wäret, würde die Welt das Ihrige lieben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern Ich euch aus der Welt auserwählt habe, darum haßt euch die Welt. Gedenket des Wortes, das Ich euch gesagt habe: Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie Mich verfolgt haben, werden sie euch auch verfolgen; wenn sie Mein Wort gehalten haben, werden sie auch das eure halten.“ (Joh 15,19.20).
In diesen Worten sagt der Herr uns, wie der Weg sein wird, auf dem wir zu wandeln haben. Aber der kostbare Schatz Seiner Liebe, den wir in unserem Herzen tragen, läßt ihn uns wandeln, und wenn wir mitleiden, so werden wir auch mitverherrlicht werden (Röm 8,17). Laßt mich noch hinzufügen, daß alle, die den Herrn lieben, auch Seine Herrlichkeit schauen und bei Ihm sein werden, wenn Er die Herrschaft in Seine Hand genommen hat. Dann wird Er jeden Herzschlag der Liebe, jede Tat der Treue, Ihm dargebracht, anerkennen und lohnen. Seine Liebe und der kommende Tag Seiner Herrlichkeit sollten uns ein Ansporn sein, Ihm ganz zu leben und alle Ansprüche auf Anerkennung des eigenen Ichs und des Fleisches zu verweigern.
Mephiboseth.
Der gute Anfang, den Jonathan in seiner Liebe und Hingabe zu David machte, den finden wir bis zum Ende vollendet in seinem Sohne Mephiboseth. Es scheint kein angesehener Mann gewesen zu sein. Verkrüppelt, wie er war, war er auch nicht im Felde als Krieger für den König brauchbar, aber er freute sich der Güte Davids und hing mit seiner ganzen Person an ihm. Es ist nicht nötig, ausgezeichnet, groß, gelehrt und dergleichen sein zu müssen, die Augen des Herrn schauen nicht darauf, sondern auf die treue Liebe, die Ihm entgegengebracht wird. Diese ist Ihm köstlicher als alle Arbeit, die wir tun zu können vielleicht fähig sein mögen. Mephiboseths Liebe kommt so schön in der Zeit zum Ausdruck, als David wegen des Aufruhrs Absaloms aus Jerusalem fliehen mußte (2Sam 19). Er würde mit dem König gegangen sein und die Sorge und die Schwere seines Elendes mit ihm geteilt haben, aber er konnte nicht. Er mußte sich seinem Lose fügen und in einer Stadt bleiben, die Festfeier hielt, weil der Thronräuber die Macht hatte. Aber er verband sich nicht mit dem aufrührerischen Jerusalem; er hielt sich völlig abgesondert von allen und trauerte über den abwesenden König. „Und er hatte seine Füße nicht gereinigt und seinen Bart nicht gemacht und seine Kleider nicht gewaschen von dem Tage an, da der König weggegangen war.“ (2Sam 19,24).
Verwirklichen wir, lieber Leser, daß der wahre König von einer Welt verworfen ist, deren Fürst und Gott der Teufel ist? Die Schrift lehrt uns das so klar und deutlich, und wenn dies wahr ist, muß unser Leben dann nicht von dieser Welt abgesondert sein? Wenn unser Herz recht zu dem Herrn steht, dann müssen wir fühlen, daß es so sein soll, und es wird eine innere große Kluft zwischen uns und der Welt bestehen. Alles, was in der Welt ist und was die Welt so glänzend und lockend anbietet, sind Dinge, die nur dem Verderben dienen. Alles steht unter Führung des Erzfeindes Christi, des Gottes dieser Welt (Joh 12,31; 16,11; 2Kor 4,4). Unser Weg geht durch diese Stätte der Eitelkeit, aber wir halten uns abgesondert von ihr, so wie Mephiboseth abseits von dem Getriebe in Jerusalem stand. Diese Absonderung macht uns nicht arm und elend. Durchaus nicht! Wir haben den Heiligen Geist wohnend in uns, und Er leitet unser Herz zu Christo, gekrönt in der Herrlichkeit, und die Folge ist, wir freuen uns in dem Herrn , und immer wieder freuen wir uns. (Phil 4,4).
Es ist so schön zu lesen, was Mephiboseth zu David sagte, als er als König wieder den Thron bestieg. Er forderte wie sein Vater Jonathan keinen Platz für sich selbst, im Gegenteil, er sagte zum König, daß „das ganze Haus seines Vaters Menschen des Todes vor ihm“ seien (2. Sam.
19,28). Ein „Mensch des Todes“ hat keinen Anspruch auf irgend etwas, und dieses war es, wie es mir scheint, was der Sohn Jonathans damit ausdrückte. Wenn er aber auch auf Grund dessen, was er war, keinen Anspruch auf einen Platz in dem Hause des Königs hatte, so konnte er sich doch der Gnade Davids überlassen, und dies tat er, indem er sagte: „Mein Herr, der König ist wie ein Engel Gottes; so tue, was gut ist in deinen Augen.“ (2Sam 19,27). Als ein solcher, der keinen Anspruch auf Davids Gnade hatte, rühmte er die Gnade, die ihm zuteil geworden war, indem er sagte: „und doch hast du deinen Knecht unter die gesetzt, welche an deinem Tische essen.“ (2Sam 19,28). Er fand den rechten Ton. Wenn unser Herz recht steht, dann wird es mit Freuden die gleiche Sprache führen.
Auch wir hatten keinen Anspruch auf Gottes Gnade, denn wir waren „Männer des Todes“, tot in Übertretungen und Sünden vor Ihm; Er aber errettete uns und gab uns einen Platz unter denen, die an Seinem Tische essen. Alles haben wir Christo zu verdanken, unserem Herrn und Heiland! Wir können uns selbst nicht rühmen, aber wir können die Gnade Gottes rühmen und verherrlichen. „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn .“ (1Kor 1,31).
Und weiter lehnte Mephiboseth jeden Anspruch auf irgend welchen Besitz des Landes ab. Als das Gespräch auf Ziba wegen des Besitzes des Landes kam, welches zuvor Mephiboseth gehörte, sprach er zu dem Könige: „Er mag auch das Ganze nehmen, nachdem mein Herr, der König, in Frieden in sein Haus gekommen ist.“ (2Sam 19,30).
Es war so, als ob er sagen wollte: „Ich wünsche nichts mehr für mich selbst. Der König ist wieder in Frieden in seinem Hause und in Besitz aller seiner Rechte, und darin hat meine Freude völliges Genüge.“ Wenn unsere Gedanken und unsere Herzen in dieser Weise zu dem Herrn stehen, dann sind sie sicher Gott wohlgefällig. So war es bei Johannes, dem Täufer, als er sagte: „Diese meine Freude nun ist erfüllt. Er muß wachsen, ich aber abnehmen.“ (Joh 3,29.30).
Alle, die den Herrn lieb haben, schauen aus nach dem Tage, an welchem Er kommen wird, um Seine Herrschaft in Besitz zu nehmen. Dann sind die langen Jahre Seiner Verwerfung zu Ende; dann wird Er in dieser Welt, wo Er gekreuzigt wurde, hoch erhoben werden, und jedes Knie wird sich vor Ihm beugen. Welch ein glücklicher und herrlicher Tag wird es sein für alle, welche Ihn lieben!
Aber wie stehen wir jetzt zu Ihm? Laßt uns die Stellung, die diese drei Männer David gegenüber einnahmen, zum Prüfstein nehmen für unsere Stellungnahme und unser Verhalten dem Herrn Jesus gegenüber!
Saul - Saul alles, David nichts.
Jonathan - David der erste, Jonathan der zweite.
Mephiboseth - David alles, Mephiboseth nichts.
In einer dieser drei Klassen stehen wir. „Ich habe nur ein Leben,
Und das gehört dem Herrn ,
Ihm, der es mir gegeben,
Geb' ich es froh und gern!“
M. (v. d. K).