Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 15 - Jahrgang 1930
Die Gemeinden der Heiligen (4)Die Gemeinden der Heiligen (4)
(Fortsetzung).
Empfehlungsbriefe.
Es wird manche überrascht haben, daß wir die Meinung als einen Irrtum bezeichneten, daß, wenn ein Gläubiger von einer Gemeinde aufgenommen wird, dieser damit zugleich auch in einen großen Kreis von Gemeinden aufgenommen sei, dem diese Gemeinde angehört. Sie waren gewohnt, wenn sie ihre Heimatgemeinde für eine Zeit lang verließen, um einen Empfehlungsbrief an die Gemeinde des Ortes zu bitten, wohin sie gehen wollten. Auf die Überreichung eines solchen Empfehlungsbriefes hin wurden sie dann bereitwillig empfangen, und es wurden ihnen alle Vorrechte der christlichen Gemeinschaft zuteil. Man mag fragen: Ist dies nun etwas anderes, als in einen großen Kreis von Gemeinden aufgenommen zu sein, von welchem die einzelnen Gemeinden an den verschiedenen Orten Teile sind?
Eine solche Frage ist nicht nur natürlich, sondern auch wichtig und ernst. Wenn es richtig ist, daß der Einzelne durch die Aufnahme in eine Gemeinde zugleich in eine große Gesamtgemeinde aufgenommen wird, die aus einer großen Anzahl von örtlichen Gemeinden besteht, so ist diese Gesamtheit entweder wirklich die Gesamtgemeinde Gottes oder sie ist eine Sekte. Denn die Heilige Schrift kennt nur einen Leib, und das ist die Gemeinde, welche Christi Leib ist (Eph 1,22.23; Kol 1,24), und dieser Leib Christi besteht nicht aus einer Anzahl von vereinigten „Gemeinden“, sondern aus „allen Heiligen.“ (1Kor 12,12-13)
Außer der römischen Kirche, glaube ich, maßt sich keine Gemeinde an, dieser Leib Christi zu sein. Die einzelnen Denominationen bezeichnen sich gewöhnlich als Zweige der großen Gesamtgemeinde Christi, aber es ist vergebliche Mühe, in dem Worte Gottes irgend etwas von einer Gemeinde mit Zweigen zu finden. Wohl lesen wir in der Schrift von Gemeinden in einem Lande oder in einer Provinz, z. B. von den Gemeinden in Asien (1Kor 16,19), von Gemeinden in Mazedonien (2Kor 8,1), Gemeinden von Galatien (Gal 1,2), Gemeinden von Judäa (Gal 1,22), aber niemals von der Gemeinde (Einzahl) einer Provinz, so als ob alle Gemeinden in der Provinz Zweiggemeinden derselben seien. Einige haben aber doch geglaubt, ein Beispiel dafür, daß viele Gemeinden zusammengefaßt eine große Gemeinde bilden, in Apg 9,31 zu finden, weil alte Handschriften in dieser Stelle das Wort „Gemeinde“ in der Einzahl haben. Es ist gewiß richtig, daß diese Stelle den alten Handschriften gemäß wie folgt übersetzt wird: „So hatte denn die Gemeinde durch ganz Judäa, Galiläa und Samaria hin Frieden.“ Um hierauf etwas näher einzugehen, müssen wir die Behandlung unseres Gegenstandes betreffs der Empfehlungsbriefe ein wenig unterbrechen, um die Zusammenhänge mit dieser Stelle sorgfältig zu überblicken.
In Apg 8,1 lesen wir: „Es entstand aber an jenem Tage eine große Verfolgung wider die Gemeinde, die in Jerusalem war; und alle wurden in die Landschaften von Judäa und Samaria zerstreut, ausgenommen die Apostel.“ ... „Saulus aber verwüstete die Gemeinde, indem er der Reihe nach in die Häuser ging; und er schleppte sowohl Männer als Weiber fort und überlieferte sie ins Gefängnis. Die Zerstreuten nun gingen umher und verkündigten das Wort“ (Vers 3 u. 4). Dann folgt Kapitel 9 die Bekehrung des Saulus. Aus dem Verfolger wird ein mutiger Bekenner. Und dann finden wir den gesegneten Abschluß dieses mit der Verwüstung und Zerstreuung der Gemeinde in Jerusalem beginnenden Abschnittes in dem 31. Vers: „So hatte denn die Gemeinde durch ganz Judäa ... hin Frieden.“ Es ist ganz klar, daß die Gemeinde, von der hier geredet wird, die Gemeinde in Jerusalem ist, mit welcher der Abschnitt (Kap. 8,1) beginnt. Diese Gläubigen achteten sich, obgleich sie durch die Verfolgung für eine Zeit lang genötigt waren, Jerusalem zu verlassen und sich in den Provinzen aufzuhalten, doch noch zu der Gemeinde in Jerusalem gehörend. Das Wort „durch“ in Apg 9,31 ist dasselbe Wort, welches der Heilige Geist in Kap. 8,1 gebraucht, wo uns gesagt wird, daß die Gläubigen der Gemeinde in Jerusalem „durch die Länder“ oder „in die Landschaften“ von Judäa und Samaria zerstreut wurden. Das Wort zeigt uns somit deutlich eine Gemeinde, deren Glieder (mit Ausnahme der Apostel) alle für eine Zeit lang durch Verfolgung zerstreut wurden. In Apg 11,19 knüpft der Heilige Geist wieder an die Verfolgungszeiten des Stephanus an und berichtet von einigen der Zerstreuten, daß sie bis nach Antiochien in Syrien wanderten und das Wort predigten, so daß eine große Zahl gläubig wurde. Und in diesem Zusammenhang finden wir, daß der Heilige Geist zum ersten Male von einer anderen „Gemeinde“ als der Jerusalemer Gemeinde spricht. Er berichtet uns, daß, als die Gemeinde in Jerusalem von diesem Werk der Gnade hörte, sie Barnabas nach Antiochien sandten, den Jungbekehrten zu helfen. Dieser zog Saulus zur Mitarbeit heran, und beide blieben ein ganzes Jahr bei den Gläubigen daselbst, die nun (Vers 26) eine Gemeinde genannt werden. In der gleichen Weise geschah es auch an anderen Orten. Die zerstreuten Gläubigen ließen sich zum Teil an den Orten nieder, wohin sie getrieben wurden, und so wurden neue Gemeinden gebildet, die Paulus und Barnabas und später Paulus und Silas auf ihren ausgedehnten Reisen besuchten und wo sie das Wort verkündigten. Wo Seelen das Wort aufnahmen und gerettet wurden, wurden sie in bezug auf ihr Zusammenkommen und auf das, was damit zusammenhing, in dem Willen des Herrn unterwiesen (1Kor 7,17; 11,16; 14,34). Nach diesem hören wir nie wieder von einer Gemeinde als der Gemeinde einer ganzen Provinz, obwohl wiederholt die Gemeinde in Jerusalem und die Gemeinden in Provinzen mit Einschluß der Gemeinden in Judäa (Gal 1,22) erwähnt werden.
Wir haben uns etwas eingehender mit dieser einzelnen Stelle in Apg 9,31 befaßt, weil sie so arg verdreht worden ist, um die unbiblischen und menschlichen Vereinigungen und „Bund“bildungen von Gemeinden zu rechtfertigen, mit welchen man vergebens versucht, die Lehren des Wortes Gottes zu verbessern.
Nach dieser Abweichung kommen wir nun wieder auf die Empfehlungsbriefe zurück, um auf die Frage einzugehen, welche Bedeutung die Empfehlung eines Gläubigen durch eine Gemeinde an eine andere hat, wenn diese Gemeinden unter sich nicht derart Teile eines organisierten Ganzen sind, daß jeder, der in eine dieser Gemeinden aufgenommen wird, damit auch in die ganze Körperschaft aufgenommen ist.
Die religiösen Systeme.
Laßt uns zunächst prüfen, ob das Neue Testament solche Organisationen kennt und ob eine Gemeinde einer Organisation angeschlossen sein muß, wenn sie den Charakter einer „Gemeinde“ tragen soll. Um diese Frage zu beantworten, greifen wir auf Mt 18,20 zurück, wo wir eine Gemeinde finden, die in einer Sache zu handeln hatte. Ihr Eingreifen empfing aber Kraft und Wirkung nicht dadurch, daß sie einem „Bunde“ angeschlossen war, sondern einzig und allein dadurch, weil sie den Namen und den Platz und die Herrlichkeit, die Gott Seinem geliebten Sohne gegeben, anerkannte und ihr Versammeltsein der unmittelbare Ausdruck davon war.
Dies ist das gerade Gegenteil von dem, was meistens in den christlichen Denominationen vorherrscht. Sie tragen oft weniger das Gepräge dessen, was der Herr Jesus in Seiner Gemeinde ist, als vielmehr das Gepräge dessen, was ihre Organisation ist, der sie angehören. Gewiß finden wir auch organisierte Gemeinden, die nach anderen Grundsätzen handeln. Wer wagt aber zu behaupten, daß, weil der Herr Sich in der Mitte solcher bezeugt, sie damit den Charakter biblischer „Gemeinden“ tragen? Wo demokratische Grundsätze der Welt gehandhabt werden und die Glieder über die Wahl ihrer Geistlichen, über neue Mitglieder und viele andere Dinge abstimmen, so daß Mehrheit der Stimmen jeden Punkt entscheidet - kann Jesus da der Herr sein?
Und berührt unsere Frage nicht auch das allgemeine wie auch das gegenseitige Verhalten all der verschiedenen Bruchstücke der sogenannten „Exklusiven“ Brüder? In ihrer Zerrissenheit erkennen sie eine große Zahl von Gläubigen nur als Gemeinden dieses oder jenes Bruchteiles der früheren und ursprünglichen Verbindung an, aber nicht als Gemeinden, weil sie Jesus als Herrn anerkennen und in Seinem Namen versammelt sind. Gehören sie nicht zu der einen oder anderen Gruppe, von der jede beansprucht, allein die Gemeinde Gottes auf Erden darzustellen, so ist das für jede Gruppe ein genügender Beweis, daß die andere nicht in Seinem Namen versammelt ist; und so werden sie je nach ihren Gruppen von diesen als „Gemeinden“ anerkannt, nicht wegen ihrer Verbindung mit Christo, sondern wegen ihrer Anerkennung und Unterwürfigkeit menschlichen Lehrbehauptungen gegenüber. So völlig solche Kreise von Gläubigen sich auch von den großen weltlichen Staatskiirchen unterscheiden, sind sie doch mehr oder weniger in bezug auf die „Gemeinden“ in denselben Irrtum verfallen.
Gemeinschaft zwischen Gemeinden.
Daß wahre Gemeinschaft zwischen den Gemeinden, die an allen Orten zu einer Behausung Gottes durch den Geist auferbaut sind, bestehen soll, ist außer Frage. In dem Maße nun, in welchem solche Gemeinden in der Furcht des Herrn wandeln und im Gehorsam gegen das Wort des Herrn verharren, wird die Gemeinschaft eine wirkliche, wahre und innige sein.
Diese Gemeinschaft mit anderen Gemeinden besteht aber nicht wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kreise von Gemeinden, sondern einzig und allein wegen ihres Verbundenseins mit dem Herrn Jesus Christus, der nach Seinem Wort solchen Kreis von Gläubigen, die Ihn als Herrn in ihrer Mitte anerkennen, eine Gemeinde nennt.
Manche sind der Meinung, daß die Empfehlung eines Gläubigen durch eine Gemeinde an eine andere dasselbe sei, wie wenn ein Mitglied irgend einer Handels- oder Wohtätigkeitsgesellschaft seinen Aufenthalt wechselt und in die gleiche Verbindung an einem anderen Orte wieder eintritt. Aber dies sind zwei völlig verschiedene Dinge. Bei weltlichen Körperschaften tritt man am anderen Orte ohne weiteres in die gleiche Verbindung wieder ein. Wenn ein Mitglied einer Loge in eine andere eintritt, macht es nichts aus, an welche Loge es seine Beiträge bezahlt, denn alle Logen sind ein Teil einer organisierten Körperschaft, und der Betreffende ist das Mitglied einer Vereinigung als eines Ganzen. In bezug auf die Gemeinde ist die Sache jedoch eine ganz andere. Alles, was eine Gemeinde tun kann, ist, daß sie einen Gläubigen eben nur als einen Gläubigen in ihrer Mitte aufnimmt und ihn als einen Teil von sich selbst anerkennt, aber sie nimmt ihn nicht auf als in eine Organisation, von der sie selbst ein Teil ist.
Die Schrift zeigt uns, daß jede Aufnahme mit großer Sorgfalt zu geschehen habe, damit nach jeder Seite hin den Forderungen des Herrn die schuldige Aufmerksamkeit und Achtung entgegengebracht werden zum Wohle der Gemeinde wie auch zum Besten der Neuaufgenommenen. Wenn solch ein Aufgenommener zeitweilig oder dauernd an einen anderen Ort geht, so wird die Gemeinde, die ihn bis dahin mit aller ihrer Sorgfalt umgeben hat, ihn in geeigneter Weise der liebenden Sorge und Gemeinschaft einer Gemeinde an dem betreffenden Platze empfehlen, wohin er geht. Er ist kein Glied der Gemeinde an diesem Orte einfach deshalb, weil er mit der anderen verbunden war. Wenn aber die zweite Gemeinde glaubt, daß in der anderen Gemeinde wirklich in aller Treue dem Herrn und Seinem Worte gegenüber gehandelt wird, so wird sie nicht zögern, das Zeugnis ihres Empfehlungsbriefes anzunehmen und den betreffenden Gläubigen mit Freuden in ihrer Mitte aufnehmen. Und doch ist die Aufnahme in diese zweite Gemeinde eine ebenso wirkliche Aufnahme, wie sie es seinerzeit in der ersten Gemeinde war, obwohl sie diesmal nicht auf das Ergebnis einer besonderen Prüfung über den Aufgenommenen hin stattfindet, sondern auf das Zeugnis der ersten Gemeinde hin geschieht.
Auch die Schrift berichtet von Gläubigen, die sich von einem Orte zu einem anderen begaben, wie sie dann von den Gemeinden dieser Orte aufgenommen wurden. Als Apollos z. B. von Ephesus nach Korinth ging, schrieben die Brüder gewissermaßen einen Empfehlungsbrief und „ermahnten oder ermunterten die Jünger“ in Korinth, ihn aufzunehmen. (Apg 18,27) Ebenso finden wir es bei der Phöbe. Als sie von Kenchreä nach Rom reiste, schrieb Paulus in einem Brief, den er ihr an die Gemeinde in Rom mitgab: „Ich ,empfehle' euch aber Phöbe, unsere Schwester, welche eine Dienerin der Gemeinde in Kenchreä ist, auf daß ihr sie ,in dem Herrn ', der Heiligen würdig, aufnehmet.“ (Röm 16,1.2) Wer gewohnt ist, die Sorgfalt zu beachten, mit der der Heilige Geist jedes Wort in der Schrift in vollkommener Übereinstimmung mit dem betreffenden Gegenstand wählt, wird auch die Kraft der Worte: „ermahnten die Jünger“ und in der zweiten Stelle: „empfehle ... daß ihr sie aufnehmt in dem Herrn “ empfinden.6
Sauli Aufnahme in Damaskus.
Nun wollen wir noch einen anderen Fall beachten, wo einem Gläubigen, der sich nach einem anderen Orte begab, kein Empfehlungsbrief vorausgeschickt oder persönlich mitgegeben wurde. Wir brauchen uns nicht zu wundern, daß in jener Nacht, als die Jünger Paulus in einem Korbe an der Mauer herunterließen, damit er seinen Feinden, die ihn zu töten suchten, entfliehe, niemand daran dachte, ihm einen Empfehlungsbrief mitzugeben. Als er nun nach Jerusalem kam und sich den Jüngern anschließen wollte, gerieten diese infolgedessen in eine nicht geringe Verlegenheit seinetwegen, weil sie nicht überzeugt waren, daß er ein Jünger sei. Diese Schwierigkeit wurde jedoch durch Barnabas behoben, dem die Tatsachen über Paulus bekannt waren. Barnabas brachte ihn zu den Aposteln und erzählte ihnen, wie der Herr ihm begegnet sei, mit ihm gesprochen und wie er in Damaskus unerschrocken den Namen Jesu bekannt habe (Apg 9,27). Dieses Zeugnis des Barnabas bewirkte dasselbe, was ein Empfehlungsbrief der Jünger von Damaskus getan hätte. Denn worauf es ankam, war, daß die Jünger die Gewißheit haben mußten, daß die Person, die sich ihnen anzuschließen suchte, auch mit Recht von ihnen aufgenommen werden konnte.
Wichtig ist es, zu beachten, daß in allen diesen Fällen es sich um „Aufnahmen“ durch die Jünger handelt. Es handelt sich hier also nicht bloß um die Feier des Mahles des Herrn ; welches natürlich in die Aufnahme eingeschlossen ist als ein Teil von einem Ganzen und nicht als eine Sache für sich, zu der jemand empfangen wird, sondern die mit zum Ganzen der Gemeinschaft gehört. Solche Ausdrücke wie „empfangen werden zum Brechen des Brotes“, „ausgeschlossen sein vom Mahl des Herrn “ kennt die Schrift nicht. Leider sind sie in unseren Tagen gebräuchlich geworden. Im Neuen Testament aber werden sie nicht gefunden, denn die göttliche Ordnung ist: 1) die Lehre der Apostel, 2) die Gemeinschaft, 3) das Brechen des Brotes, 4) die Gebete. Die vorhergenannten Ausdrücke haben sich aber so unter Gläubige heute eingebürgert, weil das Brotbrechen in seiner Verbindung mit der Gemeinde so wenig verstanden wird, sodaß Personen zum Brechen des Brotes empfangen werden, die nicht nur wünschen, keinen Anteil an den Rechten und Verantwortlichkeiten der Gemeinde zu haben, sondern die schon eine bloße Andeutung, teil daran zu haben, sehr übel nehmen.
Saulus fragte nicht, ob es erlaubt sei, am Brechen des Brotes teilzunehmen; er begehrte, sich den Jüngern „anzuschließen“, und als die Schwierigkeiten, die zuerst im Wege standen, beseitigt waren, war das Ergebnis, welches uns mitgeteilt wird, nicht, daß er am folgenden Sonntag am Mahl des Herrn teilnahm, sondern, daß er „mit ihnen ein- und ausging“. Das anfänglich ihm entgegengebrachte Mißtrauen der Gläubigen entmutigte Saulus nicht, und anderseits wird der Gemeinde kein Tadel ausgesprochen, daß sie ihm anfänglich kein Vertrauen entgegenbrachte. Dieses zeigt uns auf der einen Seite den demütigen und unterwürfigen Sinn des Saulus und auf der anderen Seite die Sorgfalt, mit welcher die Gemeinde in Jerusalem bei ihren Aufnahmen handelte. Etwas anderes ist es, wenn eine Gemeinde zu der so betrübenden und demütigenden Handlung berufen wird, einen Unbußfertigen aus ihrer Mitte hinauszutun; der Befehl lautet dann nicht, ihn vom Mahl des Herrn hinauszutun, sondern: „Tut den Bösen von euch selbst hinaus“. (1Kor 5,13)
Manche haben die Kraft dieses Beispieles, welches uns in der Aufnahme des Paulus in Jerusalem gegeben ist, abzuschwächen versucht, indem sie sagen, daß dieses ein völliger Ausnahmefall sei, weil er früher ein Verfolger war und die Jünger keinen genügenden Beweis seiner Bekehrung hatten. Aber dieses hat durchaus mit der Sache selbst nichts zu tun. Es ist ganz richtig, daß sein bekanntes Vorleben sie mehr als sonst besorgt und vorsichtig machen mußte, bis sie überzeugt waren, daß er wirklich ein Jünger sei. Aber wie schon gesagt, es berührt in keiner Weise das, was Paulus von den Jüngern in Jerusalem begehrte und was sie ihm schließlich auch mit Freuden bewilligten. Er wünschte, sich ihnen „anzuschließen“, und sobald die Bedenken gehoben waren, nahmen sie ihn zur völligen Gemeinschaft in ihrer Mitte auf.
(Fortsetzung folgt, s. G. w).
6 Empfehlungsbriefe sind seit den Tagen der Apostel in der Gemeinde Gottes in Gebrauch und von großem Wert. Von sich schreibt Paulus, daß er Empfehlungsbriefe (im Gegensatz zu anderen) nicht bedürfe, weil er ihnen bekannt war (2Kor 3,1). Der Wert eines Empfehlungsbriefes hängt natürlich von dem geistlichen Stande der Gemeinde oder der Brüder ab, die denselben ausstellen. Ein Brief von einer Gemeinde, in deren Mitte Unordnung oder Oberflächlichkeit gefunden werden, hat natürlich nicht den Wert wie ein solcher von einer Gemeinde, in der alles ordentlich zugeht und wo mit Sorgfalt darüber gewacht wird, daß alles dem Worte des Herrn gemäß geschieht. Wenn die Aussteller eines solchen Briefes nicht das volle Vertrauen der Gemeinde haben, an die der Brief gerichtet ist, so wird in solchem Falle die Gemeinde wünschen, sich noch selbst ein Urteil über den geistlichen Stand und Wandel des ihr Empfohlenen zu bilden. Empfehlungsbriefe sind eben nur Empfehlungsbriefe, mit denen keine Verpflichtung für den Empfänger verbunden ist; es sind Briefe, die ein Zeugnis über jemand enthalten, sodaß derselbe der Gemeinde „empfohlen“ werden kann und die Jünger „ermahnt“ oder „ermuntert“ (aber nicht verpflichtet) werden, ihn aufzunehmen. Empfehlungsbriefe sind keine Mitglieds- noch Berechtigungsscheine zum Brechen des Brotes; sie „empfehlen“ nur. Ich kann eine Person meines Hauses meinem Bruder zur Aufnahme in sein Haus „empfehlen“ und ihn „ermuntern“, sie in sein Haus aufzunehmen, aber es ist keine Verpflichtung damit für denselben verbunden. Soweit mein Bruder mich kennt und mein Zeugnis wertschätzt, wird er meiner Empfehlung gemäß handeln. Die Schrift gebraucht deshalb keine anderen Worte in den oben angeführten Stellen für die Aufnahme des Apollos als die Worte „ermahnen“ oder „ermuntern“, und für die Phöbe das Wort „empfehle“ und „sie in dem Herrn “ (das allein war das Band), der Heiligen würdig, aufzunehmen und ihr beizustehen. Anmerk. d. Schriftl. A. v. d. K.↩︎