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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
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Handreichungen Band 12 -Jahrgang 1927
Lk 24,18 - „Bist Du der einzige Fremdling?“Lk 24,18 - „Bist Du der einzige Fremdling?“
„Bist Du der einzige Fremdling?“ So fragte Kleophas den fremden Wanderer, der ihn und seine Genossen angeredet hatte, als sie auf ihrer Reise nach Emmaus an jenem ereignisvollen ersten Tage der Woche waren.
Drei Tage waren verflossen, seitdem der Herr Jesus gekreuzigt worden war. Das waren Tage der Trauer für die betrübten Jünger, nicht allein um ihren Verlust, sondern auch um ihre vernichtete Hoffnung auf die Erlösung des Volkes Israel.
Und nun, am Morgen dieses Tages, welche wunderlichen Dinge waren ihnen zu Ohren gekommen! Einige Frauen waren früh zum Grabe ihres geliebten Herrn gegangen, um Seinen Leib mit Spezereien zu salben, aber sie fanden die Gruft leer, ihr Herr war nicht dort! Statt dessen hatten sie Engel gesehen, die ihnen gesagt hatten, daß Er lebe!
Und wiederum, auch einige Jünger waren am Grabe gewesen und hatten den Bericht der Weiber bestätigt gefunden, aber „Ihn selbst sahen sie nicht“!
Diese aufregenden und wunderlichen Dinge bewegten die Herzen der beiden Jünger auf dem 60 Stadien langen Wege von Jerusalem nach Emmaus. Und warum gingen sie fort von Jerusalem? Warum verließen sie die kleine Gemeinschaft der Jünger zu einer solchen Zeit? Ihre niedergeschlagenen traurigen Herzen geben uns die Antwort: Sie hatten jede Hoffnung aufgegeben, und deshalb gingen sie mutlos zurück.
Aber Jesus nahte sich ihnen, indem Er denselben Weg ging. Er sah ihre sorgenschweren Herzen und fragt: „Was sind das für Reden, die ihr wandelnd miteinander wechselt und seid niedergeschlagen?“ (Lukas 24,17).
Ach, die Ursache ihrer Mut- und Hoffnungslosigkeit war ihr Unglaube, der in ihren Überlegungen zum Ausdruck kam. Ihre Traurigkeit, der schwere Weg wäre ihnen erspart geblieben, wenn sie dem geglaubt hätten, was sie so oft gehört hatten. Und wieviel Trauer, Schmerz und Weh würde uns erspart bleiben, wenn wir dem Worte Gottes mehr glauben würden! Wie leicht aber geben wir das helle Licht des Wortes auf und verfallen in eitle Überlegungen; Spekulationen und Kummer und Elend erfüllen bald unser Herz.
Aber die beiden Jünger waren unter dem Auge des treuen Herrn, wie auch wir es sind. Er sah sie, Er sieht auch uns. Er zählt unsere Haare. Er weiß, was wir essen und trinken, Er sorgt für das, was wir anzuziehen nötig haben; aber Er will, daß wir Ihm die Dinge, die uns niederdrücken, sagen; Er fragt: „Warum seid ihr so niedergeschlagen?“ Nichts ist so klein, daß wir es Ihm nicht sagen könnten.
Kleopas konnte nicht verstehen, daß es jemand in Jerusalem geben könne, der unwissend über die Dinge sei, die sich dort zugetragen und die aller Herzen beschäftigten, und so antwortet er dem Herrn: „Bist Du der einzige Fremdling in Jerusalem, der nicht weiß, was in ihr geschehen ist in diesen Tagen?“
Kleopas ahnte nicht, wie vertraut dieser Fremdling mit diesen Dingen war. Ein wenig später erfuhren sie es, als ihre Herzen brannten, als der unbekannte Fremde sie gleich einem Magneten hinzog zu den Schriften, über welche sie im Unglauben hinweggegangen waren. Was war das für ein wunderbarer Augenblick, als sie Ihn erkannten und Er vor ihren Augen unsichtbar wurde!
Aber dieser Augenblick genügte, um sie wie mit Adlersflügeln zurückeilen zu lassen zu dem Platze, den sie verlassen hatten, um dort das wunderbare Gespräch zu erzählen und als Augenzeugen die Tatsache Seiner Auferstehung zu verkündigen. Als sie zurückkommen, finden sie die Elfe versammelt und werden von diesen mit dem Rufe begrüßt: „Der Herr ist wirklich auferweckt worden und dem Simon erschienen.“ (Lukas 24,34).
So erfahren sie, daß ihre Neuigkeit nicht mehr neu ist. Simon hatte Ihn bereits gesehen. Wäre ihr Weg kürzer gewesen, so wären sie ihm vielleicht mit der Botschaft zuvorgekommen. Nun sahen sie, wie unnötig ihr Weggang gewesen und welche Mühe sie dem Herrn gemacht, und weiter, daß sie nicht die einzigen und ersten Augenzeugen der Auferstehung des Herrn waren.
Aber der Titel „Fremdling in Jerusalem“, den Kleopas in Unwissenheit gebrauchte, hatte eine Bedeutung, von der er sich noch keinen Begriff machen konnte. Es war nur zu wahr, daß Jesus der einzige Fremdling in Jerusalem war. Er war zu den Seinigen gekommen, und die Seinigen hatten Ihn nicht aufgenommen. Er war der Herr des Tempels, - Diebe, Geldwechsler und habsüchtige Händler hatten Platz darin gefunden, aber Er fand keinen. Er war gekommen, der Sohn, Frucht zu suchen von den Weingärtnern, denen Er Seinen Weinberg anvertraut hatte, aber Er wurde empfangen mit dem Ruf: „Kommt, laßt uns Ihn töten!“
Wirklich, Er war „der Fremdling“ in Jerusalem! Für Ihn war kein Raum in der Herberge. Er hatte nichts, wo Er Sein Haupt hinlegte. Ein Räuber wurde Ihm vorgezogen. Für Seine Liebe empfing Er Haß. Wie rührend ist Seine Klage: „Jerusalem, Jerusalem ..., wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein unter die Flügel, und ihr habt nicht gewollt“ (Lukas 13,34). Er wollte! Sein Herz verlangte, sie zu segnen, aber sie wollten nicht von Ihm gesegnet werden. Nun blieb nichts als Gericht für sie übrig.
Aber Er, der ein Fremdling in Jerusalem war, suchte einen Platz in den Herzen der Seinigen. „Wenn jemand Mich liebt,“ sagt Er, „so wird er Mein Wort halten, und Mein Vater wird ihn lieben, und Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.“ (Joh 14,23). Und Paulus schreibt: „Daß Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne!“ (Eph 3,17). Möchte Christus nicht ein Fremder in unseren Herzen sein, auch nicht nur ein Besucher, sondern einer, der da wohnt in unseren Herzen durch Glauben, dessen Gegenwart uns wirklicher ist, als wenn unsere Augen Ihn sähen und unsere Hände Ihn berührten!
Als Er ein Fremdling in Jerusalem war, suchte Er einen Wohnplatz in den Herzen der Seinigen. Als Er von Jerusalem nicht erkannt und verstanden wurde, wollte Er von den Seinigen gekannt und geliebt sein. Da, wo Haß und Unglaube einen Barabbas Ihm vorzog, wo ein Judas Ihn verkaufte und eine Welt Ihn verwarf, da heißt der Glaube Ihn willkommen und ruht in der Liebe Dessen, der starb, uns zu erretten, und der lebt, uns zu bewahren, und der wiederkommt, um uns in die Wohnungen einzuführen, die Er uns im Vaterhause bereitet hat.
J. W. S. (v. d. K).
Erstellt: 31.03.2024 22:09, bearbeitet: 21.10.2024 01:43