Die Zusammengehörigkeit der Glieder des Leibes Christi ist besonders augenfällig, wenn wir uns fragen, wie sich der Christ gegenüber dem Tode zu stellen hat; es wird dabei sofort klar werden, dass wo es sich darum handelt, einzugehen in die ganze Fülle dessen, was geschrieben ist, dies nicht mehr nur Sache der persönlichen Verantwortung des Einzelnen ist. Es gibt Früchte des Todesleiden Christi, die nur die Gemeinde in ihrer Gesamtheit sich anzueignen vermag und dazu gehört der Sieg über den Tod.

Die Frage der Krankheit führt notwendig auf die des Todes. Allerdings ist von der Krankheit zum Tode ein bedeutender Schritt; und wir finden im Leben des Herrn und den Aposteln im Vergleich zu den Krankenheilungen sehr wenig Totenerweckungen. Zu wiederholten Malen und noch bei seinem Scheiden von der Erde gibt der Herr den Seinen Macht, Kranke zu heilen und Dämonen auszutreiben; nur ein einziges Mal gibt er ihnen Macht, die Toten aufzuerwecken (Mt 10,8). Nicht umsonst sagt die Schrift: „Der letzte Feind der aufgehoben wird ist der Tod.“ (1Kor 15,26). Auf der anderen Seite kann man nicht leugnen, dass Christus nicht nur die Krankheit, sondern auch den Tod überwunden hat (2Tim 1,10), und dürfen wir hoffen, dass wenn die Gemeinde den Sieg Christi über die Krankheit erst wieder im Glauben erfasst und ihrer Erfahrung gefeiert hat, sie an der Hand der Schrift, an der Hand des Gekreuzigten uns Auferstandenen unmittelbar zur Feier von dessen Sieg über den Tod fortschreiten wird. Wie Jesus sagen konnte: „Ich habe die Welt überwunden.“ (Joh 16,33) und wie auf Grund hiervon „unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ (1Joh 5,4), geradeso hat Christus den Tod überwunden (2Tim 1,10; Joh 1,25-26) und muss unser Glaube der Sieg werden, der den Tod überwunden hat. Überall kommt es unserem Glauben zu, Christi Sieg zu offenbaren und in die Erfahrung umzusetzen.

Warum sonst wäre im 11. Kapitel des Hebräerbriefes neben vielen anderen Zeugen auch Henoch unserem Glauben als Vorbild und was er erlangt, unserem Glauben als Ziel und Gegenstand vorgesetzt worden?

Nur einen Vorbehalt, glauben wir machen zu dürfen. Wenn im AT einzelne Knechte Gottes, wenigstens zwei, entrückt worden sind, so mag dies damit zusammen hängen, dass das AT noch keine so enge Zusammengehörigkeit der Gläubigen kennt, welcher die Glieder des Leibes Christi miteinander verbindet. Kein Christ wird wohl einzeln zur Verklärung ohne Tod gelangen. Wir nehmen an dass dies Vorrecht der Brautgemeinde als solcher vorbehalten bliebt für den Tag, wo sie in eines zusammengeschlossen und zum vollen Mannesalter herangereift, bereits sein wird, von ihrem königlichen Bräutigam heimgeholt zu werden (1Kor 15,51-52 / 1Thes 4,15-17).

Damit aber bleibt die Entrückung um nichts weniger ein unserem Glauben vorgestecktes Ziel, das wir nicht aus den Augen verlieren dürfen. Erwarten nicht nur, sondern auch beschleunigen sollen wir die Ankunft des Tages des Herrn und damit den Tag unserer Entrückung. Wir tun dies durch gläubiges und anhaltendes Gebet, indem wir sprechen: „Komm Herr Jesus!“ Wir tun es, indem wir in der fortwährenden Erwartung unserer Heimholung den Dingen dieser Welt fremd zu bleiben und sie nur berühren, soweit wir Gott darin dienen und seinen Namen verherrlichen. Wir tun es, indem wir uns „reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes und die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes“ (2Kor 7,1 nicht fortfahren mit der Heiligung, wie Luther übersetzt).

Es war gewiss ein schwerer Fall, eine tief greifende Untreue der Gemeinde Christi, wenn sie mit den ersten Todesfällen von Christen und später mit dem Hinscheiden der ersten Geschlechter von Gläubigen die Hoffnung ihrer ersten Liebe, die bestimmte Erwartung, ohne leiblichen Tod dem Herrn entgegengerückt zu werden, mehr und mehr aufgab und schließlich auf den Punkt kam, wo man darauf rechnete, sterben zu müssen, wo man den Tod als etwas Selbstverständliches ansah, als eine von Gott gewollte Ordnung, in die man sich zu fügen habe, Wohl ist es etwas unaussprechlich Grosses, von aller und jeder Todesfurcht für immer befreit zu sein (Heb 2,15) und wo ein Kind Gottes es einmal vom Herrn bekommen hat, dass es für sich persönlich auf Verwandlung des Leibes verzichten und sich nach der ersten Auferstehung ausstrecken muss (Phil 3,11), da wird auch der Tod zum Gewinn (Phil 1,21), als der allein übrig bleibende Weg zur Heimat. Der Tod wird dann für ein Kind Gottes die entscheidende und feierliche Gelegenheit, Jesu Christi Triumph über Tod und Teufel wenigstens in dem Sinne zu offenbaren, dass wir durch seinen Tod von Knechtschaft und Todesfurcht befreit sind (Heb 2,14-15). Es ist ein Augenblick indem der Jünger seinen Herrn in besonderer Weise zu preisen und verherrlichen kann (Phil 1,20 / Röm 14,7-8 / Heb 13,7 usw.). Wer aber nun deshalb den Tod Freund nennt, der verlässt den Boden der Heiligen Schrift; er denkt nicht mehr wie Gott denkt. Der Tod ist und bleibt ein Feind (1Kor 15,26) ein Feind den Christus überwunden. Es ist ein Feind gegen dessen Eingreifen und Umsichgreifen wir schon lange als möglich zu stehen haben, gewiss dass wo wir es um des Herrn willen auf dem Boden der Heiligen Schrift und unter der Leitung des Heiligen Geistes tun, wir den Herrn auf unserer Seite haben. Und sollten wir auf einem gewissen Punkte ankommen, stille stehen zu müssen; sollte es sich finden, dass weder wir noch unsere Brüder reif sind, den Kampf gegen diesen Feind durchzuführen; sollte uns der Herr zu erkennen geben müssen, dass wir uns dem Gang durch den leiblichen Tod zu unterziehen haben, so wird der Herr auf solchem Gang nicht weniger treu zur Seite stehen. Sein Geist kann uns mit der Versicherung trösten, dass wir durch unser Stehen gegen Krankheit und Tod in unserem Teil die Stunde eines großen Sieges für die Sache des Herrn angebahnt und näher gerückt haben, die Stunde, wo wenigstens in der Person der Erstlinge des NT Leben und unvergängliches Wesen ins volle Licht gebracht werden und an ihnen wenigstens das Wort das geschrieben steht: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg“ (1Kor 15,54), sich in seiner ganzen Tragweite erfüllen wird.

Und sollte ein Geschlecht von Gläubigen nach dem anderen den Kampfplatz mit nicht erfüllter Erwartung verlassen müssen, wenn nur das kommende Geschlecht den heiligen Kampf mit neuer Freudigkeit und Festigkeit aufnimmt, wenn nur immer mächtiger, alles übertönend, durch alle Teile des Erbes Christi der Ruf geht: Herr Jesus komm, so würden wir gewiss sein, Er kommt. Schon antwortet er immer spürbarer indem er neues Licht ausgießt über seine Gemeinde, indem er sie mit ihren Anschauungen und Hoffnungen wieder auf den Boden der Schrift stellt und sie göttlich denken lernt. Wo aber neues Licht, da sind auch neue Überwindungskräfte und immer rascheres Vordringen zu endlichem, völligen Sieg.

Wie nun, die der Gemeinde gestellte Aufgabe, den Tod zu überwinden und Christi kommen zu beschleunigen mit der Wahrheit vereinbar ist, dass Gott, der Vater sich in allem Zeit und Stunde vorbehalten hat (Apg 1,7 / 1Tim 6,15), darüber steht uns kein Wort zu. Es bleibt ein heiliges Geheimnis, in dessen Tiefen der Herr wohl seine Kinder da uns dort einen seligen Blick tun lässt, in dem Masse, als sie seinem Herzen näher treten und Er sie als Freunde behandeln kann, dessen völliger Aufschluss aber auf das Licht der Ewigkeit wartet. Dass aber in Wirklichkeit Gottes freie, unbeschränkte Selbstbestimmung menschliche Verantwortung nicht ausschließt ist Tatsache. Die Erfahrung lehrt ferner: je mehr wir unsere Verantwortung erkennen und ihr gerecht werden, desto mehr öffnet sich unser Wesen für das Bewusstsein von Gottes Größe und Majestät, desto kleiner und unbedeutender werden wir in unseren eigenen Augen. Das Gefühl unserer Verantwortung wirft in den Staub; es führt nicht zur Selbstüberhebung, sondern zur Anbetung.