Denn welche der Geist Gottes treibt (leitet), die sind Gottes Kinder.
Neben der Stellung zu Gott dem Vater und dem Sohn, neben der Stellung zur Heiligen Schrift ist eine dritte Bedingung für Geistesleitung: richtige Stellung zu den Brüdern, zum Leib Christi. Wer seinen Bruder liebt, der wandelt im Licht; er weiss, wo er hingeht und hinzugehen hat. Wer seinen Bruder hasst, d. h. nicht liebt, dessen Augen sind von der Finsternis verblendet. Wo keine Liebe, da ist auch kein Licht, keine Geistesleitung. - Das gleiche sagt uns der Apostel Johannes im Anfang seines Briefes. Haben die, die im Licht wandeln, Gemeinschaft miteinander, so folgt daraus, dass die, die keine Gemeinschaft untereinander haben, in Finsternis wandeln.
Christus starb, auf dass Er die Kinder Gottes, die zerstreut waren, nicht nur zusammenbrächte, sondern, wie der Grundtext sagt (Joh 11,52), in eins zusammenführte, also gliedlich zu einem Leib ineinanderfügte. Als Kinder Gottes sind wir alle durch den Heiligen Geist zu einem Leib getauft, zu einem Geist getränkt.
Es ist der Heilige Geist, der den Leib Christi baut, von Glied zu Glied ihn ausgestaltet und jedem Glied seine Stellung und Aufgabe gibt. Wo nun ein Glied zu einer Sonderstellung neigt, in der Rücksichtnahme auf andre nicht treu ist, wo es das Bedürfnis, durch andre ergänzt zu werden und von andern zu lernen, verleugnet, da tritt es in Gegensatz zu den Zielen des Heiligen Geistes. Ein Glied, das in Ausübung seines Dienstes sein Eigenes sucht, steht in Widerspruch mit dem Heiligen Geist, der den Leib baut. Sind wir dagegen dem Beruf treu, darinnen wir berufen sind, ein Leib, ein Geist, sind wir fleissig, zu halten die Einigkeit des Geistes durch das Band des Friedens, denken wir von keinem Glied des Leibes: „ich brauche dich nicht,“ - so kann uns der Heilige Geist auch in der umgekehrten Richtung Licht geben, nämlich in der nicht immer leichten Frage, was wir in der Art und Handlungsweise andrer für uns verwerten dürfen und was wir liegen lassen müssen, was wir jetzt wenigstens noch nicht brauchen können. Wer in aller Demut, Sanftmut und Geduld seinen Bruder verträgt, wird damit nicht sein blinder Nachahmer. Wahre Bruderliebe, Liebe aus dem Geist, verbindet uns enger mit dem Haupt und schärft damit unser Geistesauge, dass wir im Licht Gottes, im Licht der Liebe und der Wahrheit, den Gang andrer vorurteilslos prüfen und dadurch unsres eigenen Ganges vor Gott um so gewisser und sicherer werden.