Otto Stockmayer
Schriften von Otto Stockmayer
Familien- und Berufsleben zur Ehre des Herrn
Jes 53,4 - 25. NovemberJes 53,4 - 25. November
Fürwahr, Er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten Ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.
Wir möchten unsern teuren Kranken nun noch ein Wort inniger und herzlicher Teilnahme zurufen. Vergesst nicht, möchten wir ihnen sagen, dass das Wort Jesaja 53,4 in einem tiefen und bedeutungsvollen Sinn jetzt schon seine Anwendung für euch findet, auch wo ihr auf seine völlige Erfüllung noch zu warten habt! Jetzt schon dürft und sollt ihr die Last eurer Krankheit, so gut wie jede andre, auf den Herrn werfen, und ihr werdet bei Ihm ein offenes, teilnehmendes Herz finden. Er hat, ausgestreckt zwischen Himmel und Erde, die Bitterkeit und das Weh leiblicher Schmerzen an sich selbst erfahren. Mit Freudigkeit dürfen wir nun Seinem Thron nahen, gewiss, Gnade und Barmherzigkeit, Trost und Hilfe bei Ihm zu finden, wie uns Not ist (Heb 4,16).
Wo einem Kind Gottes der Vater die Krankheit noch nicht nehmen kann, überlässt Er es deshalb keineswegs ihrer Willkür; im Gegenteil: Er umgibt es mit der zartesten Pflege; „Er stärkt es auf seinem Siechbett; all sein Lager wandelt Er in seiner Krankheit“ (Ps 41,4). Hier gilt das Wort: „Das zerstossene Rohr wird Er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird Er nicht auslöschen“ (Jes 42,3). - „Er kennt, was für ein Gemächte wir sind; Er gedenkt daran, dass wir Staub sind“ (Ps 103,14). Es handle sich um körperliche Schmerzen oder um innere Leiden und Trübungen, wie Krankheit sie so vielfach im Gefolge hat: jederzeit und unter allen Umständen darf sich der Kranke getrösten, dass Gott ihn nicht über Kräfte wird versuchen werden lassen, dass Er mit der Versuchung einen solchen Ausgang schaffen wird, dass Sein Kind es ertragen kann (1Kor 10,13).
Wo dann der Herr erbarmend eingreift und die Schmerzen lindert, wo Er einem Kranken, der nur noch flüchtig zu Ihm aufgeschaut oder aus der Ferne zu Ihm geseufzt hat, wieder Freiheit und Raum gibt, vor Ihn zu treten und vor Ihm zu stehen, da eröffnet sich diesem ein hoher und heiliger Beruf. - In ernster und strenger Schule hast du, lieber Leidender, Selbstentsagung und Unterwerfung gelernt; du hast gelernt, dich mit rückhaltlosem Vertrauen der Liebe deines Gottes zu überlassen; nun bist du deinerseits fähig geworden, einen segensreichen Beruf der Liebe auszuüben, und das mitten in der Krankheit. Du hast in Christus einen Hohenpriester gefunden, der deine Last auf sich genommen hat; tritt Ihm näher und lerne zu Seinen Füssen, wie man andrer Lasten trägt; lass dich von Ihm zum Priester salben (Off 1,6).
Zur Ausübung dieses unsres königlichen Priestertums (1Pet 2,5.9) soll uns heranbilden, was wir in Krankheit oder sonst einer Schule gelernt haben. Es ist der Beruf, für den wir erschaffen sind, zu dem unsre Erlösung uns zurückführt und der somit jedem Christen obliegt. Priester aber ist, wer Gottes Sache zu der seinen macht, wer für Gottes Ehre und Interessen, für einzelne, für Gemeinden und Länder in den Riss steht, wer andrer Lasten trägt (Gal 6,2), liebend, fürbittend, mitleidend. Wo ein Kranker diesen Beruf erkennt und erfasst, da wird sein Krankenbett ein Lebens- und Wärmeherd, dessen Wirkung unberechenbar ist, dessen Strahlen weit über die Grenzen seiner unmittelbaren Lebensbeziehungen hinausreichen.