Euch aber, die ihr Meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln.
Das erste Kommen unsres Heilands wird in der Schrift öfter mit dem Aufgang der Sonne verglichen. „Es werde Licht!“ Das hat der Geist Gottes schon dem Zacharias und durch ihn den andern kundgemacht: Durch die herzliche Barmherzigkeit unsres Gottes hat uns besucht der Aufgang aus der Höhe (Lk 1,78).
Die Sonne ist die belebende, schaffende Macht, sie ist Himmelslicht. Der Mond dagegen ist entlehntes Licht, er macht nicht fruchtbar. Es ist, wie wir alle zugeben werden, im Grund ein Fehler, dass die Sonne im Deutschen weibliches Geschlecht hat (Die Franzosen drücken sich da richtiger aus, wenn sie aus „Sonne“ ein männliches - „le soleil“ - und aus dem Mond ein weibliches - „la lune“ - Wort machen.). Der Mann schafft, das Weib fühlt, und beides hat seine Berechtigung, aber es ist hohe Zeit, dass männliches Christentum unter uns Platz greift. Ob wir nun von Natur weiblich oder männlich sind, darauf kommt es nicht an, aber auch die Frauen müssen - nebenbei in aller Weiblichkeit, - wenn sie aus dem Geist gezeugt sind, durchdringen zum Sonnenlicht der Erkenntnis Jesu Christi und nicht stehenbleiben bei dem, was sie fühlen oder nicht fühlen.
Christus und den Geist, der Ihn gesandt hat, zu erkennen, das ist ewiges Leben. Solange wir stehenbleiben bei unsern Erfahrungen, Seelenzuständen und Gefühlen, so lange sind wir schwächliche, nicht weibliche, sondern weibische Leute, Feiglinge und Weichlinge, so lange hängen wir ab von dem Wind, der weht, von dem Blick, mit dem man uns anschaut, von der Kälte oder Wärme, Lahmheit oder Intensität des Händedrucks, mit dem man uns begegnet, sind gebunden an die Stimmungen andrer und können nicht siegen über das, was an uns herantritt in der Kraft des Sonnenlichtes. Wenn wir in der Erkenntnis dessen wurzeln, was wir in Gottes Liebe haben, dann können wir, wenn es sein muss, auch die Gemeinschaft der Geschwister entbehren, ohne Stoiker zu werden. Wir wandeln im Licht, weil wir an der Lichtquelle sind. In der Erkenntnis Gottes, dass Er die Liebe ist, und in der Erkenntnis Christi, der uns sagt, wie uns Gott geliebt hat, indem Er Seinen eingeborenen Sohn nicht verschonte, können wir dann auch uns und andre verschonen mit seelischem Wesen und Gefühlen; wir sind keine Feiglinge und Weichlinge, sondern Leute, die den Sonnenaufgang erlebt haben und nicht auf Mondlicht angewiesen sind. Die Erde kann uns mit ihren Nebeln die Sonne wohl verdecken, aber die wahre Sonne kann uns nicht verdeckt werden, uns, die wir Kinder des Tages sind und nicht der Nacht, des Sonnenlichts und nicht des Mondlichts.
Ich lag in tiefer Todesnacht,
Du würdest meine Sonne,
Die Sonne, die mir zugebracht
Licht, Leben, Freud und Wonne.
O Sonne, die das werte Licht
Des Glaubens in mir zugericht’t,
Wie schön sind Deine Strahlen!