Wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid zu haben vermag mit unsern Schwachheiten, sondern der in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde. Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe.
Der Thron der Gnade! Du kannst gar nicht wissen, was Gnade ist, noch wie zart und rücksichtsvoll Gott mit den Seinen umgeht, bis du dich ganz Seinem Richtschwert ausgeliefert und dich als Verbrecher erkannt hast, bis du mit deinem Willen völlig auf Gottes Seite übergegangen bist und nichts mehr ertragen kannst, was nicht aus Gott ist. Wir haben es mit den rechtmässigsten und heiligsten Anforderungen Gottes an unser Leben zu tun; Sein Flammenauge durchforscht uns. Er wird nicht ruhen, aber auch wir können nicht ruhen, bis alles vor Ihm blossgelegt ist; dann kann aber auch Sein Leben ebenso tief eindringen, wie das Schwert des Geistes in uns eingedrungen ist. Und weil der Geist Gottes einen Durst, ein brennendes Verlangen nach göttlichem Leben und nach Heiligkeit in uns geweckt hat, liefern wir uns dem Gerichte aus; wir lassen uns von dem Schwert des Geistes, dem Wort Gottes, zubereiten für die Innewohnung Gottes und für das Wirken des Heiligen Geistes. Der Geist ist es, der uns zu Kindern des Neuen Bundes macht, die in Gnade und Erbarmen leben und weben und sich bewusst sind, dass sie alles Christus verdanken, die Ihm alles übergeben haben und keinen Schritt mehr ohne Ihn tun können. Dann ist alles in uns in Ihm, durch Ihn und für Ihn. Alles ist Christus untertan; du brauchst dich Ihm nur zu überlassen. Anstatt in eigenen Anstrengungen dich zu erschöpfen und Luftstreiche zu tun, richte deinen Blick auf Ihn. Er ist lebendig und übt ein lebendiges Priestertum. Als Hoherpriester steht Er für jede geängstete und beladene Seele ein und hält rechtzeitige Hilfe für sie bereit. Mögen die Wasser der Trübsal noch so hoch gehen: sie werden nur das hinwegschwemmen, und die Flammen werden nur das verzehren, was vom Menschen stammt, d. h. was fleischlich und sündlich ist; was von Christus ist, können sie nicht antasten. Du hast nichts für deine Seele zu fürchten; sie gehört Christus; dein Heil hängt an Ihm und ist Seine Sache.
Freue dich, Seele, dass dein Erlöser einen Namen hat, der über alle Namen ist; freue dich, dass Ihm, deinem treuen und barmherzigen Hohenpriester, alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, in der sichtbaren und unsichtbaren Welt, und dass Er stark genug ist, alle Fäden deines äusseren Lebens sowohl als deines verborgensten Innenlebens in Seiner königlichen Hand zu halten und zu leiten. Freue dich, dass du immerdar zu Ihm kommen darfst, wie du bist, trocken, kalt und tot, dass du nicht erst in dir etwas an Leben erwecken musst, sondern dass du am Thron der Gnade immerdar findest, was dir gebricht. Fürchte dich nicht, glaube nur!
In Dein Erbarmen hülle mein schwaches Herz
Und mach es gänzlich stille in Freud und Schmerz!
Lass ruhn zu Deinen Füssen Dein armes Kind!
Es wird die Augen schliessen und glauben blind.