Otto Stockmayer
Schriften von Otto Stockmayer
Familien- und Berufsleben zur Ehre des Herrn
Lk 2,51 - 6. NovemberLk 2,51 - 6. November
Und Er ging mit ihnen hinab und kam gen Nazareth und war ihnen untertan.
Die natürliche Familie, die Gemeinde Jesu Christi und das Reich Gottes bilden drei konzentrische Kreise. Die irdische Familie steht im Mittelpunkt und bildet die Vorschule, die auch Jesus durchgemacht hat. In ihr lernen wir die Anfangsgründe selbstverleugnender, sich unterordnender Liebe, in ihr lernen wir widerwärtige Charaktere tragen und widerwärtige Erfahrungen verarbeiten, um auf diesem Weg zu reifen zu christlichen Charakteren, tüchtig zu werden zur Einfügung in den Leib Christi. Die irdische Familie gehört der Zeit an. Wer im Zeitlichen und Irdischen nicht treu ist, wer im engsten Kreis nicht Probe hält, seinen Mann stellt und überwindet, dem kann Gott nichts Ewiges anvertrauen, nichts Heiliges offenbaren. So jemand seine Hausgenossen nicht versorgt, sagt der Apostel, der ist ärger denn ein Heide; ihm bleibt der Leib Christi, die biblische Gemeinde, eine verschlossene Welt.
O denke doch nicht, es sei dir zu viel aufgebürdet, wenn du in deinem Heim Tag für Tag solche zu tragen hast, die den Herrn noch nicht kennen, und deine Geduld also immer wieder auf neue Proben gestellt wird. Keine einzige Prüfung ist zu viel oder unnütz - eine jede hilft dazu, dass wir unsern Posten auf dem Kampfplatz des Reiches Gottes besser ausfüllen lernen. Das Familienleben ist besonders deshalb eine praktische Schule für uns, weil wir in ihr allezeit Umstände und Menschen finden, die uns in der Demut üben. Machst du diese Primärschule nicht durch und bestehst in ihr dein Examen nicht, so erwarte nicht, dass du im Reich Gottes bestehen wirst. Wie viel Demut, Sanftmut, Selbstverleugnung und Adel des Geistes bedarfst du z. B., wenn du siehst, wie andre es ungeschickt und verkehrt machen!
Wie manches Kind Gottes hat in seiner Familie noch nie von Grund aus die Lektionen der freundlich tragenden und schliesslich alles überwindenden Liebe durchbuchstabiert! Und wie manche gibt es, die den häuslichen Prüfungen, wenn sie ihnen schwer erschienen, entflohen sind und sich in einen sogenannten christlichen Beruf, in irgendeine Reichsgottesarbeit „gerettet“ haben, ja - sogar in den Missionsberuf! Aber kann Gott Himmlisches anvertrauen, wenn man im Irdischen nicht treu gewesen ist? Wie will man den ungleich schwereren Proben begegnen, wenn man in den leichtern sich nicht bewährt hat?
Wir haben vielleicht Familienglieder, Dienstboten oder Mitarbeiter, Nachbarn oder Freunde, deren Charakter und Art uns ein gewaltiges Hindernis zum Vorwärtskommen zu sein dünken; aber wie das Evangelium in Linien läuft, die wir nicht immer verstehen, so ist es auch mit unserm innern Leben. Was da Schweres hineinkommt, uns reizen und ärgern möchte, das ist von Gott eingerechnet in unsre Erziehung, damit wir endlich einmal gründlichere Gefangene des Herrn Jesus werden, um dann auch andre in die Gefangenschaft des Kreuzes und des Lebens Jesu einführen zu können. Nur Gefangene des Herrn können andre in die Gefangenschaft des Kreuzes und unter die Botmässigkeit des Wortes Gottes bringen.
Die Lebensverhältnisse, in die wir von Gott hineingestellt sind, sind also die Rahmen, in denen sich der Glaube entwickelt. Gerade die Punkte, die uns besondere Schwierigkeiten machen, sind die Stufen auf der Himmelsleiter, durch die wir durch Nacht und Dunkel ins Reich der Wahrheit und des Lichts durchbrechen.