Christus unsre Weisheit.
Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang (Ps 111,10). Sie ist die Grundlage oder Vorschule der Weisheit. Da ist keine „Furcht des Herrn“, wo man bleibt in seiner Unlauterkeit und Finsternis. Wer noch nie vor seinem Gott gezittert hat (Jes 65,2) und wer jetzt nicht vor Ihm zittern will, d. h. nicht zugeben will, dass die Furcht des Herrn der Weisheit Anfang ist, dem kann die Fülle des Heils im Neuen Bunde nicht aufgeschlossen werden. Als Jakob auf der Flucht vor seinem Bruder Esau in Haran übernachtete und der Herr ihm im Traumgesicht erschien, da fürchtete er sich und spricht: „Fürwahr, Jehova ist an diesem Ort, und ich wusste es nicht . . . wie furchtbar ist dieser Ort!“ O wie wenige werden sich heutzutage der Gegenwart des Herrn bewusst, sogar im Heiligtum, sogar in Versammlungen, wo man vielleUicht noch das Lied gesungen: „Gott ist gegenwärtig.“ Wie wurde dem Johannes, dem Jünger, welchen der Herr liebte und der an Seiner Brust gelegen hatte, zumute, als in noch ganz andrer Weise wie dem Jakob der Himmel vor ihm sich öffnete und er die Gestalt seines geliebten Meisters in Herrlichkeit schaute? Er fiel wie ein Toter zu Seinen Füssen, lag da wie ein Wurm am Boden. Und der Herr musste seine Rechte auf ihn legen und ihn stärken, dass er hören konnte, was Er ihm und den sieben Gemeinden zu sagen hatte (Off 1,17).
Auf solche besondern Gottesoffenbarungen haben wir ja nicht zu warten, aber wir sollen stillhalten und nicht ausweichen, wenn der Herr uns begegnen will und mit uns zu reden hat, selbst wenn seine heilige Gegenwart uns zu Boden wirft und alles Eigene in Trümmer zusammenbricht. O wie lange Zeit braucht es oft, bis ein Mensch weiss, dass die Furcht Gottes der Weisheit Anfang ist! Welch tiefes Weh kann man oft lesen im Blick eines Sterbenden, der schon hinüberschaut in die andre Welt, für die er sich nicht bereitet hat! Das heutige Geschlecht will nichts mehr wissen von der Furcht Gottes und von der unsichtbaren Welt, noch weniger als im Heidentum, weniger als damals ein Nebukadnezar mit seinen Räten und Amtsleuten. Man baut das Völkerglück auf ohne Furcht Gottes. „Lasset uns zerreissen ihre Bande und von uns werfen ihre Seile“ (Ps 2,3). Gehorsam gegen Gott und gegen die Obrigkeit, Familienbande und gegenseitige Unterordnungen werden missachtet, alles wankt und stürzt zusammen. In diesen Geist, der die Welt jetzt erfüllt, werden auch Kinder Gottes wie in einen Strudel hineingezogen, wenn sie nicht gründlich mit dem alten Schlendrian aufgeräumt haben und nicht zuschanden geworden sind in sich selber. Oberflächlichkeit ist die Schwäche unsrer Zeit und öffnet dem Antichristentum Tor und Tür.