Unser täglich Brot gib uns heute.
Ich möchte heute auf einen an sich sehr einfachen Punkt kommen, nämlich auf die Brotfrage, die alle Schichten der menschlichen Gesellschaft je länger je mehr beschäftigt bei der immer zunehmenden Zerrüttung der Verhältnisse, wo einer dem andern das Brot abjagt. Diese Frage wird auf dem Boden des Evangeliums ausserordentlich einfach: „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach Seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.“ Mit andern Worten: „Trachtet, dass ihr es dem grossen König recht macht.“ Er sorgt für das Brot Seiner Knechte und ruft keinen aus der Welt heraus in Seinen Dienst, ohne zugleich die Sorge für seine eigenen und der Seinigen leibliche Bedürfnisse zu übernehmen. Was braucht es doch, bis ein Menschenkind ein Christ im wahren Sinn des Wortes wird, d. h. göttlich, biblisch, einfach denken lernt und endlich merkt, dass zweimal zwei vier ist, dass Salomo niemand in seinen Dienst nimmt, ohne für sein tägliches Brot zu sorgen! „Glückselig deine Knechte, die vor dir stehen!“ sagt die Königin von Reicharabien. Und hier ist mehr denn Salomo (Lk 12,31).
„Unser täglich Brot gib uns heute!“ Gib uns jeden Tag das Brot, das wir brauchen, wie es die Bedürfnisse des Tages erfordern. „Es ist genug, dass ein jeder Tag seine eigene Plage habe.“ Für jeden Tag brauchen wir Brot, Licht, Freude, Kraft und Hilfe, Glauben, Liebe, Hoffnung; mit einem Wort, die mancherlei Gaben, wie sie für den besondern Charakter des Tages nötig sind. So wie jeder Tag seinen besondern Charakter hat, so will der Herr für die Bedürfnisse jedes einzelnen Tages sorgen. Wenn Er nun die Jünger beten lehrt: „Unser täglich Brot gib uns heute,“ so ist das das Wichtigste, dass wir den kennen, an den wir uns wenden. Wir müssen Gott kennen und müssen wissen, ob Er bereit ist, uns zu geben, was wir brauchen, und ob Er überhaupt über die Sachen verfügt, die wir verlangen. Dass der Herr den Jüngern diese Bitte in den Mund legt, ist ein absoluter Beweis, dass Er Tag für Tag Brot geben will, solange die Tage dauern.
Was das Leben auch bringen mag, was die Bedürfnisse des Tages auch sein mögen - der Herr sorgt, und aus Seinen Händen dürfen wir jeden Tag nehmen, was wir brauchen. Wir können nicht leben von den Vorräten des vorigen Tages. Als die Kinder Israel Manna sammelten auf morgen, da wuchsen Würmer darin, es war nicht mehr geniessbar. Er gibt Tag um Tag das Brot des Tages. Wir haben nicht nötig, es zu machen wie jener unglückliche Narr: „Liebe Seele, du hast nun einen grossen Vorrat auf viele Jahre, iss . . .“, habe Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wes wird’s sein, das du bereitet hast? (Lk 12,19.20)