Otto Stockmayer
Schriften von Otto Stockmayer
Mt 16,13-28 - „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“Mt 16,13-28 - „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“
Cäsarea Philippi war im Norden von Palästina, und der Herr hat nun diese Gegend, in die er mit seinen Jüngern gekommen war, benützt, um Privatunterricht zu geben, und das tut er, indem er zunächst die Frage an sie stellt, was die Leute von ihm sagen. Daß das nur die Einleitung war, sehen wir gleich nachher. Die Jünger antworteten: „Ja, da sind verschiedene Auffassungen: Etliche sagen, du seiest Johannes der Täufer, den Herodes hatte enthaupten lasten, und der also — nach dieser abergläubischen Auffassung — in der Person Jesu Christi wiedererschienen ist. Andere sagen, du seiest Elias, von dem gesagt worden war, er werde wiederkommen — noch andere, du seiest Jeremias oder der Propheten einer." „Da sprach Jesus zu ihnen: Ihr aber" — darauf kam es dem Herrn an — „ihr aber, wer sagt denn ihr, daß ich sei?" Und da legt Petrus das herrliche Bekenntnis ab: „Du bist Christus, der Gesalbte, der Sohn des lebendigen Gottes." Vers 17: „Und Jesus antwortete und sprach: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht geoffenbart, sondern mein Vater im Himmel." Und nun knüpft der Herr an diese Offenbarung seines Vaters noch weiter an und gibt Petrus eine besondere Zusicherung, eine Stellung in seinem Reiche. Vers 18: „Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde . . ." Das ist die Stelle, auf die das Papsttum sich gründet, die Päpste sich stützen, um die Gemeinde zu leiten. „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen." „Auf dieses Bekenntnis, das du abgelegt hast, will ich meine Gemeinde bauen." Es ist ein Felsengrund, zu dem Petrus sich bekannt hat, und auf diesen Felsengrund baut nun der Herr seine Gemeinde auf durch den Dienst des Petrus. Es ist ja dem Teufel gelungen, die Gemeinde im Mittelalter in dunkle Nacht hineinzuftürzen, aber das war nicht des Herrn letztes Wort. Es war eine schwere Durchgangszeit, aber der Herr hat seine Gemeinde wieder daraus Herauszureißen gewußt durch die Reformation. Vers 19: „Und ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein." Was er bindet als Jünger und Knecht des Herrn, als Apostel, das soll gebunden sein, und umgekehrt. Die Schlüsselgewalt des Himmelreichs, die durch gesalbte Prediger ausgeübt wird, kann auch durch geistgesalbte Knechte und Mägde ausgeübt werden in besonderen Fällen unter der Leitung des Heiligen Geistes. Vers 20: „Da verbot Jesus seinen Jüngern, daß sie niemand sagen sollten, daß er Jesus der Christ wäre." Jeder sollte sich selbst überzeugen, jeder sollte persönlich überwunden werden durch den Geist. Der Geist Gottes ist es, der dem Herrn seine Jünger zuführt. „Von da an" — wo sie diese Offenbarung hatten, und wo Petrus in seinem und in der anderen Jünger Namen dieses Bekenntnis ablegte, fing der Herr an, seinen Jüngern den Leidensweg zu zeigen, den er zu gehen hatte. Der Herr bereitet durch neue Gnade auf neue Leiden vor. Er gibt uns die nötige Ausrüstung, und wohl uns, wenn wir recht verwerten, was er uns von Geistesmitteilung gibt, damit wir nicht kahl und leer dastehen, wenn schwere Stunden kommen — Leiden, Verfolgungen aller Art — ja, vielleicht sogar der Tod! Es stellt sich nun heraus, wie der gleiche Petrus, der ein solch herrliches Bekenntnis abgelegt hat, sich auflehnt gegen diese Offenbarung, daß der Meister wird viel leiden müssen, und wenn er ihn da beiseite nimmt und zu ihm sagt: „Herr, schone deiner selbst", so mag ja wohl die Liebe zum Meister die erste Triebfeder dazu gewesen sein — vielleicht stand aber dahinter doch auch die Furcht: wenn der Meister einen solchen Weg gehen muß, so werden die Jünger ihm auf demselben Nachfolgen müssen, durch Leiden, Schwierigkeiten aller Art und durch Gefängnis. „Das widerfahre dir nur nicht!" sagt Petrus — und dahinter steckt vielleicht unausgesprochen: „Das widerfahre uns nicht!" Man sieht, daß das eine wirkliche Versuchung für den Herrn war, nachdem er dem Petrus die Schlüssel des Himmelreichs gegeben hatte nach dessen herrlichem Bekenntnis. Vers 23: „Aber er wandte sich um zu Petrus und sprach: Hebe dich, Satan, von mir; denn du meinest nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist." Daraus sehen wir, wie wir uns nie dem Einfluß eines anderen hingeben können — auch nicht dem Einfluß eines Bruders oder einer Schwester, die uns den Weg gezeigt, deren der Herr sich zu Werkzeugen für uns bedient hat. Die gleichen Leute können uns ein andermal zur Versuchung werden, weil sie uns nicht in göttlicher, sondern in menschlicher, seelischer Weise schonen wollen und uns damit schwächen und irreführen. Um dieser Gefahr die Spitze abzubrechen, sagt Jesus nun zu seinen Jüngern das warnende Wort: „Will mir jemand nachfolgen, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Wir können nicht dem Herrn nachfolgen, der durch Leiden und Sterben zur Herrlichkeit eingegangen ist, und dabei unser eigenes Leben schonen. Wir müssen uns selbst verleugnen. Und wie man das macht, das können wir an Petrus sehen. Er hat von seinem Meister gesagt: „Ich kenne den Menschen nicht." Wir haben schonungslos mit uns selbst umzugehen. Petrus hat zum Herrn gesagt: „Schone dein selbst", und der Herr sagt zu ihm: „Schone dein selbst nicht!" Sein Leben schonen, es retten wollen, dem Leiden ausweichen, seinen Weg in aller Ruhe gehen wollen, führt dazu, daß man sein Leben verliert. Damit versauert und versumpft man, wird schwach im inneren Leben. Wer hingegen sein Leben verliert — wer es preisgibt — der wird es finden. In der Hingabe des alten, natürlichen, fleischlichen Lebens, gewinnt der Geist Gottes Raum und läßt ein neues Leben der Gerechtigkeit — des Glaubens, Hoffens und Liebens — in uns durchbrechen, sich in uns ausgestalten. „Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele, oder was kann der Mensch geben, damit er seine Seele wieder löse." Wie Satan einmal den Herrn Jesus auf einen hohen Berg führte und ihm alle Reiche der Welt zeigte und ihre Herrlichkeit und versprach, als Fürst der Welt wolle er sie ihm geben, wenn er niederfalle und ihn anbete — aber er war eben nicht der Fürst der Welt in dem Sinn, daß er über alles hätte verfügen können. „Was kann der Mensch geben, womit er seine Seele wieder löse", wenn er sie dadurch verkauft hat, daß er seines eigenen Lebens schonte? Da ist nun kein Preis, mit dem man seine Seele wieder lösen könnte. Der Herr kann Gnade geben, Buße schenken, wieder aufrichten — aber wir stehen einem Fall machtlos gegenüber, und wo jemand mutwillig sündigt, kann er sich nicht darauf verlassen, der Herr werde alles wieder gut machen. Vers 27: „Denn es wird geschehen, daß des Menschen Sohn komme in der Herrlichkeit mit seinen Engeln; und alsdann wird er einem jeglichen vergelten nach seinen Werken." Der Vater hat alles Gericht seinem Sohne übergeben. Der Vater richtet niemand. Vers 28: „Wahrlich, ich sage euch: es stehen etliche hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis daß sie des Menschen Sohn kommen sehen in seinem Reiche." Das ist auch wieder eine schwierige, dunkle Stelle. Man kann ja dabei an die Ausgießung des Heiligen Geistes denken. Das war auch ein Kommen des Menschensohnes. Der Vater hatte seinem Sohne Macht gegeben, den Heiligen Geist auszugießen — aber das ist noch nicht das Kommen des Reiches Gottes. „Bis sie des Menschen Sohn werden sehen kommen in seinem Reiche." Ebensowenig wie das, was unmittelbar nachher kommt in Kapitel 17, Vers 1: „Und nach sechs Tagen nahm Jesus zu sich Petrus und Jakobus und Johannes . . . und führte sie beiseite auf einen hohen Berg, und ward verklärt vor ihnen . ." Und da erschienen die Vertreter des alten Bundes — sein Gründer und sein Wiederhersteller — aber auch das war noch kein Kommen des Reiches Gottes.