Otto Stockmayer
Schriften von Otto Stockmayer
Mt 26,6-25 - Die Stellung Jesu zu Judas.Mt 26,6-25 - Die Stellung Jesu zu Judas.
Wir haben schon oft davon gesprochen, daß sich Edles von Unedlem
scheiden muß, auch Weizen und Unkraut, von Wirkung und von Gegenwirkung,
und ich möchte noch einmal auf dieses Gebiet zurückkommen an der Hand
der tragischen Geschichte von Judas Jscharioth. Was mir dabei besonders
vorschwebt und was für uns entscheidend und bedeutungsvoll ist, das ist
die Stellung, die der Herr dem Judas Jscharioth gegenüber einnahm, und
die sicherlich maßgebend ist für uns, da, wo wir das Böse im engsten
Kreise haben, im eigenen Hause, in einem kleineren Jüngerkreise, wo sich
dieses Böse offenbart auf die eine oder andere Weise. Es liegt viel für
uns in dieser Geschichte des Judas. Wir beginnen bei
Die nächste Nutzanwendung für uns ist diese: daß wir auch im eigenen Hause, im engsten Kreise in unseren Komitees nicht einfach nach eigener Wahl Leute ausscheiden können, weil uns der Herr einen Durchblick gegeben hat, daß sie eine Gefahr sind für andere — mit anderen Worten: daß wir also die Leitung der Sachen Gott nicht aus der Hand nehmen dürfen. Das ist ein Eingriff. Wir dürfen auch nicht vorgreifen, wenn wir merken, der und der ist von einem unlauteren oder gar unsauberen Geiste beseelt. Und doch wissen wir sa alle, daß ein wenig Sauerteig den ganzen Teig versauert. Der Sauerteig schafft Gutes, aber auch Böses — er hilft, aber er kann auch verderben. Die Bundeslade durfte niemand anrühren, auch wenn sie in der äußersten Gefahr war. Das ist Gottes Sache. Es ist immer noch Geduld von feiten Gottes. Erst damit, daß Judas an jenem Abend hinausging und den Herrn verriet, wurde es dunkle Nacht bei Judas. Da ist der Teufel in ihm reif geworden, und er ging hinaus und erhängte sich. Der Herr Jesus aber sagte dann: „Jetzt ist des Menschen Sohn verherrlicht." Das ist Verherrlichung des Menschensohnes, daß er die Entwicklung dieses Finfternischarakters und die Entwicklung der anderen Jünger seinem Vater überlassen hat. „Nun ist des Menschen Sohn verherrlicht." Der Herr wird nur dadurch in uns, in unseren Familien, unseren Gemeinschaften verherrlicht, daß wir nicht die Erziehung unserer Kinder, die Wahl unserer Dienstboten, die Zusammensetzung unserer Gemeinden und Gemeindlein selbst in die Hand nehmen und darin — wenn auch nach bestem Wissen und Gewissen — schalten und walten. Es ist das Heiligtum Gottes und man rührt das Heiligtum Gottes nicht an. Es kann des Vaters Wille sein, daß dieser und jener in unserem Hause oder in einem gewissen Kreise bleibe, wie es des Vaters Wille war, den Judas in der Schar der Jünger zu haben. Es muß unser Tagewerk, unser Umgang, sowie die Zusammensetzung unseres Umgangs in Gottes Hand zurückkommen. Wir lernen dann auch — um den Kreis etwas weiter zu ziehen — unsere Begegnungen mit anderen in Gottes Hand zurückgeben, daß man nicht Stunden mit denen verbringt, die uns verstehen, und dann wieder sorgfältig denen ausweicht, die uns nicht verstehen — etwa geschwind einen Vorwand gebraucht, um letzteren möglichst schnell wieder aus dem Wege zu gehen. Gott wollte dich mit diesem und jenem zusammenführen, und du solltest da einen Lichtstrahl göttlicher Geduld in Her; und Leben des anderen hineinwerfen — du aber bist ausgewichen und hast dich nicht dazu hergegeben. Es müssen die Quellen unseres inneren und die Fäden unseres äußeren Lebens, unsere Begegnungen und Auseinandersetzungen in Gottes Hand zurückkommen. Gott muß A und O werden in unserem Leben. Alles muß zurück in Gottes Hand, sonst kommt er nicht zu seinem Rechte. All unser Vorgreifen, unser nicht zart Eingehen auf Gottes Führungen verschleppt die Zeit und nötigt unseren Gott, zu warten — und er kann warten. Er ist ein Gott der Geduld. Er läßt alles reifen, und es muß reifen — die Wechselwirkung zwischen Weizen und Unkraut muß immer tiefer gehen, daß durch das Böse ringsumher unsere tragende Liebe ausreife der Vollendung entgegen. Gott nimmt nicht halbreife Leute hinauf. Es muß alles ausreifen für die Ernte, und nichts reift so sehr für die Herrlichkeit aus wie tragende Liebe für die Unlauteren, über die wir uns je und je geärgert haben. Gott hat den Judas getragen mit großer Geduld und hat ihn nicht unnötig bloßgestellt. Und so lernen wir, unsere ganze Reichsgottesarbeit — auch unser Beten — je länger, je mehr aus unserer Hand geben, daß Gott über unsere Gebetskraft verfüge, und richten uns — wie in entscheidenden Schlachten — mit unserem Arsenal fürbittender Liebe, tragender Liebe, gerade auf die Punkte, die uns Schwierigkeiten machen in den Linien der Vorsehung — nichts selbst machend — der scheinbar zufälligen Vorkommnisse und Begegnungen, Gespräche usw. Es ist alles geordnet von Gott, wo man alles zurückgibt in Gottes Hand — seine Eindrücke, sein Lieben, Leiden und Dienen — alle seine inneren und äußeren Bewegungen. Dann kann ein Lebenslauf herauskommen zur Ehre Gottes, ein harmonisches Ganzes. Möchten wir doch einmal auch sagen können wie der Apostel Paulus: „Ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten. . ." Vielleicht hängt die Wiederkunft des Herrn mit davon ab, daß es endlich einmal Menschenexistenzen gibt, in denen Gott alles auSgeftalten kann, was er hineingelegt hat, und die zum wahren Selbstbewußtsein aufwachen — zum Bewußtsein dessen, was Gott für uns hineinlegen wollte in den engsten und weitesten Kreis und den ganzen Rahmen unserer persönlichen, Familien- und Gemeinschaftskreise und Linien, daß die einmal göttlich ausgefüllt werden in Geduld und Glauben der Heiligen, in zartem Liebesgehorsam gegen den allweisen Gott, damit er endlich einmal zum Rechte komme, und nicht nur er, sondern auch Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist.