Otto Stockmayer
Schriften von Otto Stockmayer
5. Der Unglaube, der letzte Grund, wenn sich das Wort Gottes nicht in der Erfahrung bestätigt5. Der Unglaube, der letzte Grund, wenn sich das Wort Gottes nicht in der Erfahrung bestätigt
Findet die Lehre der Heiligen Schrift, wonach Heilung und Gesundung zu unserer Erlösung gehört, in unserer Erfahrung nicht ihre Bestätigung, so ist der letzte Grund davon der Unglaube. Warum treten wir nicht in die Stellung von Erkauften und Geheiligten ein, wie sie uns das Werk Christi zuweist? Warum bedarf es der Zuchtrute der Krankheit, um uns das Ohr für Gottes Mahnungen zu öffnen, um uns zu jeder Zeit auf dem Weg der göttlichen Gebote in unbedingtem Gehorsam zu Gott und in treuer Nachfolge Jesu Christi zu bewahren? Und wenn uns dann der Herr Krankheit hat schicken müssen, warum gehen uns die Lehren so schwer ein, auf die es dabei abgesehen war? Antwort: Um unseres Unglaubens willen.
Es geht darin heute noch genauso wie zu Lebzeiten Jesu. Warum, als Jesus vom Heiligen Geiste gesalbt in der Schule zu Nazareth auftrat (Lk 4), um mitten unter seinem Volk die großen Taten zu tun, von denen die Propheten geweissagt hatten; warum bekamen seine Landsleute nicht sofort die Erfüllung dieser Weissagung zu schauen? Warum tat er daselbst nicht viele Wunder? (Mt 13.58). Warum konnte er da nicht eine einzige Tat tun, außer wenigen Kranken legte er seine Hände auf und heilte sie? (Mk 6,5). Oder um auf die Zeit des Propheten Elisa zurück zugehen und auf die Vorgänge in seinem Leben, auf die sich der Herr beruft, warum wurde von den vielen Aussätzigen, die zur Zeit Elias zu Israel lebten, auch nicht einer geheilt, sondern nur der Syrer Naeman. Wie konnten sie doch alle ihren Aussatz behalten, wie doch ein Prophet wie Elisa unter ihnen war? (vgl. Lk 4,27 mit Mt 13,58). Um ihres Unglaubens willen!
Die heutigen Christen kennen nicht mehr die Macht ihres Erlösers, den Gott ihnen gegeben; die Fülle des Heils, die dieser Erlöser ihnen erworben hat, ist ihren Blicken verborgen, nicht als ob es sich für uns um leibliche Heilung oder sonstige Hilfe handelte! Der Unglaube, dessen sich so viele Gottes Kinder schuldig machen, liegt darin, dass sie auf die in Jesus Christus geschenkte Erlösung nicht eingehen und darum in Sünde und eigenem Wesen gebunden bleiben.
Allerdings können die Heilstaten Christi ihre erlösende Macht über unser Herz und Leben nur soweit ausüben, als der Heilige Geist sie uns ins Licht stellt und darum sind wir auch persönlich verantwortlich für unseren Unglauben, nur soweit wir Licht haben. „Glaubet an das Licht, während ihr das Licht habt, auf dass ihr Söhne des Lichtes werdet.“ (Joh 12.36). Zum Glauben an das Licht gehört, dass man sich dem Lichte ausliefert, jeden Lichtstrahl sorgsam bewahrt (Lk 2,19+51) und ihm nachgeht. Unglaube ist Vergesslichkeit oder Gedankenlosigkeit (Ps 78,11+42). Hängt die Zukunft unseres inneres Lebens in erster Linie von der Bereitwilligkeit ab, mit dem wir uns jedem Strahl göttlichen Lichtes hingeben, so hängt sie in zweiter Linie von der Bereitwilligkeit ab, mit der zarten und gewissenhaften Treue, mit der wir die uns aufgeschlossene Wahrheit verwerten. Alles was wir vom Worte Gottes und vom Werke Christi erfasst haben, muss sofort in unserem Leben einen Ausdruck finden. Alle Erkenntnis der Wahrheit, die keine Selbstverleugnung wirkt, die Charakter und Leben nicht umgestaltet, ist unserem inneren Menschen verderblich. Im häuslichen Leben in Amt und Beruf verwerten, was man empfangen hat, ist der sicherste Weg, um mehr zu bekommen. Nur auf diesem Wege weicht aller Nebel des Unglaubens und die Wahrheit kann uns leuchten mit voller Kraft, reinigend und befreiend.
Nachdem wir lange mit verbundenen Augen dahin gegangen durch Anhäufung unfruchtbarer Erkenntnis unserer Seele betrogen und unseren Sinn für Wahrheit verdorben haben, müssen wir nicht mutlos werden, wenn wir es vorerst schwer haben, an unserem innwendigen Menschen die volle Wirkung von Christi Erlösung zu erfahren. Wenn uns nicht mit einem Mal gelingen will, der Sünde und uns selbst abgestorben zu sein, wenn wir mit Herz und Sinn, in Tun und Lassen leicht in die früheren lang gewohnten Bahnen zurück fallen.
Noch weniger darf es uns überraschen, wenn in unserem Leibe die Früchte von Christi Erlösungswerk nicht sofort oder erst nur teilweise zur Erscheinung kommen, wenn die Krankheit nicht weicht, auch wenn die Macht der Sünde bereits gebrochen ist. Das Ende der Wege Gottes ist Leiblichkeit, sagt Oettinger. „Der letzte Feind der aufgehoben werden wird, ist der Tod.“ (1Kor 15,26). Es kann der Seele schon wohl ergehen und doch der Leib noch nicht völlig gesund sein (3. Joh, 2). Hier gilt Heb 10,36: „Denn Ausdauer habt ihr nötig, damit ihr nach Erfüllung des Willens Gottes die Verheißung davontraget.“ (nach Langes Bibelw.).