Otto Stockmayer
Schriften von Otto Stockmayer
Mt 24,26-51 - „Halte aus, Zion, halte deine Treu!"Mt 24,26-51 - „Halte aus, Zion, halte deine Treu!"
„Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand — auch nicht die Engel im Himmel" — auch nicht, wie es an einer anderen Stelle heißt, „auch nicht der Sohn . . ." So wissen auch wir nicht die Stunde der Wiederkunft des Herrn. Wir wissen nur, daß sich gegenwärtig alles beschleunigt und daß die Gerichte Gottes durch die Welt gehen; aber der Herr kann immer noch Zeiten des Verzugs schenken. Wohl uns, wenn wir die gegenwärtige Zeit und Stunde, durch die wir zu gehen haben, benützen, unsere Seligkeit zu schaffen mit Furcht und Zittern, und jeden Augenblick bereit zu sein, entrückt zu werden in eine andere Welt und dem Herrn entgegenzugehen! Esten und trinken, freien und sich freien lasten, ist ja an sich nichts Schlimmes, wenn es geschieht zur rechten Zeit und in rechter Zucht — wenn uns aber das Esten und Trinken im Vordergrund steht, so ist eS schlimm, denn dann nimmt die irdische Gesinnung je länger je mehr zu. Man kann nie stille stehen, geht entweder vorwärts oder zurück. Der Horizont muß frei werden, so daß wir nicht mehr gebunden sind an die Sichtbarkeit, sondern essen und trinken mit Danksagung zur Ehre Gottes. Es ist alles gut, was mit Danksagung genossen wird. Der Herr hat lange Geduld gehabt mit dem Geschlecht Noahs, bis schließlich der Tag kam, wo Noah in die Arche einging und der Herr hinter ihm zuschloß. Da gab es dann kein Entrinnen mehr. Die Wasser stiegen immer höher, und wenn jemand auf die Berge entfliehen zu können meinte, so täuschte er sich. „Er raffte sie alle dahin." So wird es — Vers 39 — gehen bei der Wiederkunft des Herrn, des Menschensohnes. Da gibt es dann einen tiefen Riß unter den Menschen — und zwar für immer. Zwei arbeiten auf dem Felde nebeneinander, und von diesen zweien wird nur einer angenommen, der andere wird zurückgelassen — und damit verstoßen. Ein zweites Beispiel findet sich Vers 41: „Zwei werden mahlen auf der Mühle — eine wird angenommen, die andere wird verlassen werden." Ein Beispiel ist für die Knechte, das andere für die Mägde — ein Beispiel unter vielen. „Darum, weil ihr nie wissen könnt, wann der Herr kommen wird, wachet" — arbeitet wachend! Wachet, indem ihr arbeitet! Wer nichts tut, schläft leicht ein, und wir haben alle eine Aufgabe zu erfüllen und dürfen nicht die Hände in den Schoß legen, sonst verkümmern wir. Es ist uns gut, nicht zu wissen, zu welcher Stunde der Herr kommen wird, und wenn er noch länger nicht kommt für die Menschheit, so kann er heute noch kommen für das eine oder andere unter uns. — Vers 44: „Seid bereit" — scheidet alles aus eurem Leben aus, was euch aufhält — und was der Herr euch aufträgt, das tut in der Kraft der Gnade, dann bleibt ihr bewahrt vor irdischem Sinn. Dann muß alles — ob Schweres oder Leichtes — was an euch herantritt, dazu dienen, euch wach zu erhalten und euch zuzubereiten für die Zukunft des Herrn. Wach bleiben kann man nur, wenn man dient, nicht wenn man sich selbst pflegt. Um dienen zu können, muß man offene Augen haben für das, was der Herr einem aufträgt, und man muß auch ein offenes Auge haben für die Bedürfnisse anderer, damit alles geschehe zur rechten Zeit; denn für alles gibt es eine rechte Zeit und Art und Weise, und das Gelingen hängt eben davon ab, daß alles zur rechten Zeit und in der richtigen Weise geschieht. „Selig ist der Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, wachend findet . . ." Zu solchem Dienst gehört Übung. Übung macht den Meister, und wenn der Herr mit seinem Kommen noch verziehen sollte, so ist das nur eine Gnadenfrist, die wir treu auszukaufen haben. „Wahrlich, ich sage euch: Er wird ihn über alle seine Güter setzen." Was sind das für Ausblicke in die Herrlichkeit, wenn der Herr uns solches anvertraut für künftige Äonen. Zunächst dürfen wir ihm hier unten dienen und dann droben mit ihm regieren. Wahres Regieren ist ein Dienen. „Wenn er kommt" — und niemand weiß, wann er kommt. „Wenn aber jemand sagt: Mein Herr versäumt zu kommen", und nun seinen Launen die Zügel schießen läßt und auf seine Mitknechte losschlägt, sich selbst aber alles Gute zuführt, ißt und trinkt, so wird sein Herr kommen, da er es nicht erwartet. Aufgehen im Essen und Trinken gehört schon in das Gebiet des Schlemmens — nur was mit Danksagung und mit der nötigen Zucht genossen wird — nur das ist uns nach Geist, Seele und Leib ein wirklicher Segen und eine Förderung und Stärkung. „Der Herr wird kommen an einem Tage, da du es nicht weißt und zu einer Stunde, da du ihn nicht erwartest" — dann wird der untreue Knecht, der auf seine Mitknechte losschlägt, anstatt ihnen zu dienen — losschlagen kann man aber auch mit Worten und damit dem andern sehr schaden — ich sage, der untreue Knecht wird dann seinen Lohn bekommen, sein Teil mit den Heuchlern .. ." Zu dem Schlimmsten also gehört die Heuchelei: etwas sein wollen — vorgeben, etwas zu sein, was man in Wirklichkeit nicht ist. Das verbreitet Stickluft, und man kann dem Heuchler schwer auf die Spur kommen. Darum müssen wir darauf bedacht sein, in der Wahrheit zu bleiben und zu reden — mit einem Worte, wir müssen Leute sein, die nur Gott gefallen wollen. Sobald du den Menschen gefallen willst, gerätst du in Heuchelei hinein, ehe du dich dessen versiehst und ohne es zu wollen. Man hängt dann an den Blicken seiner Mitmenschen und hängt von deren Lob oder Tadel ab, richtet sich nach anderen anstatt einzig und allein nach seinem Gott. Man darf nie etwas tun, um anderen zu gefallen — ja, ihnen wohltun, aber nicht ihnen zu gefallen suchen. Anderen wirklich dienen werden wir nur, wenn wir uns vom Geiste Gottes leiten lassen — dann finden wir auch, vom Geiste geleitet und vom Geiste bewahrt, die rechte Zeit und Stunde und die richtige Art und Weise, wie wir anderen Handreichung tun können, so daß wir ihnen eine Hilfe und nicht ein Anstoß seien.