Maria setzte sich zu Jesu Füssen und hörte Seiner Rede zu. Martha aber machte sich viel zu schaffen, Ihm zu dienen.
Nicht viele nehmen den Herrn in ihr Haus auf. Den einen fehlt es an Raum; sie schränken sich nicht gern ein und fürchten für ihre Bequemlichkeit. Andre fürchten für ihre Zeit und machen Ihm lieber in einem Gotteshaus einen Besuch, grüssen Ihn auch wohl, wenn sie Ihm unterwegs begegnen, aber etwas flüchtig, damit Er sie nicht frage: „Wo kommst du her? Wo gehst du hin?“ -
Martha hat den Herrn in ihr Haus aufgenommen, aber ohne zu wissen, was sie tat. Wohl wusste sie, dass sie es nicht mit einem gewöhnlichen Gast zu tun hatte, und setzte alles in Bewegung, um Ihn zu ehren; aber den wirklichen Charakter ihres Gastes hatte sie nicht erkannt. Sie hatte keinen Begriff von der Stellung, die Ihm im Hause zukam. Wenn jemand Gastfreundschaft geniesst, verlangt es der gute Brauch und die Zartheit, dass er sich fernhält von allem, was dem engem Kreis des Familienlebens angehört. Wo dagegen Jesus in einem Haus aufgenommen wird, verlangt Er alles zu wissen, was darin vorgeht, bis auf die Gedanken und Regungen des Herzens. Man kann Ihm nichts verbergen; man darf nicht mehr daran denken, sich irgendeinen Raum seiner Wohnung vorzubehalten. Er will überall Zutritt haben, und zwar in jeder Stunde bei Tag und bei Nacht. Man muss Ihm mit einem Wort die Schlüssel des Hauses ausliefern.
Vielleicht hast du das einigermassen durchgefühlt, und es wird dir eben deshalb schwer, einen so bedenklichen Gast an deinen häuslichen Herd zuzulassen. Doch es geht noch weiter. Wenn ein gewöhnlicher Gast darauf bedacht ist, nicht zu belästigen und die Hausordnung so wenig als möglich zu stören, so haben wir von Jesus zu gewärtigen, dass Er bald hier, bald dort Sein Missfallen äussert, alle möglichen Änderungen verlangt und keine Ruhe hat, bis das Haus umgewälzt ist.
Es kam der Martha nicht in den Sinn, dass ein Haus, in das Jesus tritt, eben damit Sein Eigentum wird und Er mit allem im Hause als unumschränkter Gebieter schalten und walten kann. Einem solchen Gast hat man nichts mehr zu bieten; man ist im Gegenteil Sein Gast, oder besser, Sein Knecht geworden. Es steht einem auch nicht mehr zu, sich Ihm gegenüber in aller möglichen Ehrenbezeugung, Zuvorkommenheit und Diensterweisung zu gefallen. Wir haben fortan der Befehle unsres göttlichen Gastes gewärtig zu sein, wie der Sklave im Orient auf eine Handbewegung seines Herrn wartet.