Schriften von Otto Stockmayer
4. Weitere Bedingungen: Aufmerken; Krankheit ein Gericht, ein Zucht und Reifemittel4. Weitere Bedingungen: Aufmerken; Krankheit ein Gericht, ein Zucht und Reifemittel
Sind unsere Glieder durch den Tod Jesu Christi für den Dienst wieder gewonnen, sind wir geheiligt, so haben wir zu bedenken, dass wir, um jemanden dienen zu können, vor allem wissen müssen, wie und worin er bedient sein will, dass wir darum erst hören müssen, was er uns zu sagen hat. Dem Herrn seine Glieder zur Verfügung zu stellen und auf ihn hören, ist ein und ein dasselbe. Wo der Hebräerbrief sagt (10,5): „Einen Leib hast du mir zubereitet“, sagt der Psalmist (40,7): „Die Ohren hast du mir aufgetan.“ Der Leib mit dem man handelnd oder leidend Gottes Willen vollführt, entspricht dem Ohr, das auf seine Bestimmungen lauscht.
Das alte Testament enthält hierüber bestimmte und eingehende Erklärungen. Es lehrt, dass die Gesundheit unseres Leibes von der Bereitwilligkeit anhängt, mit der wir auf Gottes Stimme hören, um zu wissen, was wir zu tun haben und wo wir ungehorsam gewesen sind, um uns von ihm strafen und richten zu lassen.
In 2. Mose 15,26 lesen wir: „Wirst du auf die Stimme des Herrn deines Gottes aufmerksam hören und tun, was recht ist vor ihm und zu Ohren fassen seine Gebote und halten alle seine Gesetze, so will ich der Krankheiten keine auf dich legen, die ich auf Ägypten gelegt habe; denn ich bin der Herr. dein Arzt.“ Und 2. Mose 23,22+25: „Wirst du aber aufmerksam auf die Stimme (der Stimme des Engels V. 20) hören und tun alles, was ich dir sagen werde: so will ich…..alle Krankheiten aus deiner Mitte tun.“ Vgl. 5. Mose 7,12-15. Und umgekehrt heißt es in 3. Mose 26,14-16: „Werdet ihr aber nicht auf mich hören und nicht tun diese Gebote alle und werdet meine Satzungen verachten und eure Seele meine Rechte verwerfen, dass ihr nicht tut meine Gebote, sondern brechet meinen Bund, so will ich auch dies gegen euch tun und will euch heimsuchen mit Schrecken, Schwindsucht und Fieberhitze, dass euch die Angesichter verfallen und die Seele verschmachte.“ Siehe auch 5. Mose 28,15-35 und 58-61.
Man hört vielfach sagen, diese Verheißungen seine im NT nicht mehr gültig. Ist aber diese Ansicht in der Schrift begründet? „Ihr sollt nicht wähnen“, spricht der Herr Jesus „dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen, sondern zu erfüllen.“ (Mt 5,17)
Der Unterschied zwischen dem AT und dem NT besteht vielmehr vor allem darin, dass das AT in den Anforderungen, die es stellt, strenger ist; Gottes Ansprüche an uns und damit die Bedingungen, um die Verheißungen zu erlangen sich gesteigert. Sechsmal wiederholt der Herr: „Ihr habt gehört, dass zu den alten gesagt ist…ich aber sage euch…“
Erkauft von Christus, müssen wir uns ihm ausliefern mit allem was wir
sind und haben, wir müssen uns, wenn wir gesund werden und bleiben
wollen, der Zucht seines Geistes rückhaltlos hingeben, um Gottes Stimme
zu hören und ihr zu gehorchen. Das Unterscheidende des NT liegt somit
darin, dass nun mehr alles in der Person Christi vereinigt ist. Er ist
die Erfüllung der Verheißungen so gut als des Gesetzes. Wer am ersten
nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit trachtet, dem wird
solches alles zufallen (Mt 6,33). Gegenwärtiges oder Zukünftiges,
Welt, Leben und Tod, alles gehört denen, die Christi sind (1Kor 3,22-23). Christus angehörend suchen wir nichts mehr für uns selbst.
Wenn z.B. für eine israelitische Frau Unfruchtbarkeit vor allem eine
Entbehrung und eine Schmach war, unter der sie persönlich litt, so ist
es einer christlichen Frau, die im Glauben vom Herrn Kinder erwartet,
vor allem darum zu tun, dem Herrn Frucht zu bringen (1Tim 2,15).
Während wir aber nichts mehr für uns selbst suchen, so sind wir bei
unserer unbedingten Hingabe an Gott doch gewiss, dass was wir auf Morija
geopfert (1, Mose 22), was wir um Christi Willen gelassen haben, uns
schon hier unten hundertfältig wieder erstattet werden wird (
Außerdem findet sich auch im NT eine Stelle, in der die Bewahrung der Gesundheit für Gottes Kinder davon abhängig gemacht wird, dass sie auf die Stimme ihres Vaters, auf die Zucht seines Geistes hören sollen. Darum, schreibt Paulus am die Korinther, sind so viele Schwache und Kranke unter euch und ein gut Teil schlafen. Denn so wir uns selbst richteten, wörtlich durchrichteten, so würden wir nicht gerichtet. „Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, auf dass wir nicht samt der Welt verdammt werden.“ (1Kor 11,30-32). Bei diesem Versen an geistliches Siechtum und geistlichen Schlaf zu denken, ist dem Sinn und dem Zusammenhang nach unzulässig. Geistliche Erschlaffung ist kein Mittel, durch das wir aufgerüttelt, zurecht gebracht und vor Verdammung bewahrt werden können. Vielmehr sind äußere am Fleisch sich vollziehende Gerichte, wie insbesondere Krankheit, die Mittel durch die der Herr Kinder, die seiner Stimme nur noch ein zerstreutes Ohr geliehen hat Ohr geliehen hatten, aufweckt und rettet (vgl. 1. Kor, 5,5 / 1Tim 1,20). Manche muss der Herr aufs Totenbett werfen, um sie der Verdammung zu entreißen; durchs Feuer gerettet (1Kor 3,15) können sie nun in Christo sterben und schlafen.
Die zahlreichen Fälle von Krankheit und frühzeitigem Tod in der korinthischen Gemeinde waren Gerichte, die sich dadurch zugezogen hatten, dass sie kein offenes Ohr mehr hatte für die Zucht des Heiligen Geistes. Solange wir auf Gott hören, redet er zu uns, straft uns und weist uns zurecht, es sei nun unmittelbar durch sein Wort und seinen Geist oder aber durch einen Sendboten (Hiob 33,23); und als Sendbote kann ihm alles dienen (Heb 1,7). Er braucht dann nicht zu jenen äußeren Gerichten zu greifen, um uns aus falscher Stellung heraus zu drängen und vor Verdammnis zu bewahren.
Man sieht aus dieser Stelle des ersten Korintherbriefes, wie im NT alles hören und nicht hören in Beziehung steht zur Person und dem Werk unseres Erlösers. Die korinthischen Christen wurden gerichtet, weil sie nicht mehr unterschieden den für sie geopferten Leib des Herrn (V 29). Man sieht aber auch, wie die Gerichte Gottes an seinem Hause Gnadengerichte sind, durch die der lebendige Gott unser Ohr zu öffnen uns unser Herz zu beugen sucht. Wie gesegnet Krankheit bei Bekehrten und Unbekehrten wirken kann, um sie auf Gottes Stimme aufmerksam zu machen, ist bekannt. wie mancher verlorener Sohn, der von Vaterhaus aus fliehend niemals auf die Frage geantwortet hätte: Woher kommst du? Wo gehst du hin? ist durch Krankheit zum Stillestehen, zu sich selbst und zur Umkehr gebracht worden! Und von wie manchem Kinde Gottes ist mitten in der Arbeit für seinen Herrn den Vaterhause und Vaterherzen wieder fremd geworden! Während er, um nur ein Beispiel anzuführen, draußen im Dienste anderes seine Kraft verzehrte, hat er sich im Kreis der Seinen, in der Verborgenheit des Familienlebens der Selbstsucht schuldig gemacht und es hat Krankheit, oft lange und schmerzliche Krankheit erfordert, um ihn die Augen zu öffnen. Er hatte sich als ein beklagenswert angesehen und nicht geahnt, wie Weib, Kind und Hausgenossen unter ihm zu leiden hatten.
Ist ein Kind Gottes durch die Krankheit erst wieder zu sich selbst gekommen, steht Herz und Leben wieder unter dem Scheine göttlichen Lichts, so kann ihm nun die Krankheit zu einer gesegneten Schule werden, und zwar vor allem zu einer Schule der Selbstverleugnung. Vom Wort und vom Geist Gottes geleitet erkennt der Kranke, wohin ihn Gott führen will, dass er nämlich allen irdischen Hoffnungen uns Aussichten entsage. Die Frage seines Auskommens und seiner Zukunft und so manches, was er bisher selbst besorgt und nun anderen Händen überlassen muss, vertrauensvoll Gott übergebe. Er erkennt es und durch die Macht der Gnade lernt er es. Er lernt Geduld und vergebende Liebe üben, wo er bei anderen nicht die zarte Rücksicht findet.
Gott der Vater ruht nicht, bis alles seinem Sohn zu Füssen liegt. Bleiben in der gegenwärtigen Weltzeit bis zu Christi Wiederkunft viele seiner Feinde unbezwungen, beugt sich die Welt im großen und Ganzen nicht unter sein Zepter, so sollen wenigstens die Erstlinge ihm jetzt schon völlig untertan sein; sie wenigsten sollen in all ihrem Wollen, Denken und Lieben ihn ehren als ihren Herrn und König. Nun ist aber Krankheit eines der Zuchtmittel, die der Vater gebraucht, um uns zu Gefangenen seines Sohnes zu machen, zu dessen überwundenen und willigen Untertanen. Je näher ein Kind seinem Vater steht, desto eifersüchtiger ist der Vater für seinen Sohn, dass er in diesem Kinde die volle Frucht seines Sohnes schaue, einen vollen Sieg an ihm habe. Macht sich darum Satan (siehe Anmerkung) vorzugsweise an die gefördertsten und brauchbarsten Knechte Gottes und sucht durch Krankheit wenigstens einen Teil ihrer Kräfte und Glieder dem Herrn zu entziehen, so ist dies nicht nur göttliche Zulassung, sondern Gott selbst gibt unter Umständen gerade die, seine gesegnetsten Kinder für eine Zeit an die Krankheit dahin, bis alles eigene Leben in ihnen gerichtet ist, bis sie sicher wieder als Gottesgeheiligte erkennen, um als solche ihrem Gott zu leben.
Anmerkung: Es gibt eine Anzahl Stellen, in denen Krankheit und Gebrechen als ein Werk Satans erscheinen. Man sehe insbesondere die beiden ersten Kapitel im Buch Hiob; Luk, 13,16: das Weib mit dem Geist der Krankheit, 18 Jahre von Satan gebunden; 2Kor 12,7: Paulus von einem Satansengel mit Fäusten geschlagen. Apg 10,38: fasst die ganze irdische Tätigkeit des Herrn in den Worten zusammen: „Er zog umher und machte gesund alle, die vom Teufel überwältigt waren; denn Gott war mit ihm.“ Nach dieser Stelle haben wir nicht nur die Heilung der Besessenen einen Sieg Christi über den Teufel zu sehen (Mt 12,28-29) sondern in allem durch die vollbrachten Heilungen. Auch sonst wird im NT die Heilung der Kranken mit dem Kommen des Reiches Christi in Verbindung gesetzt (Mt 4,23 / 9,35). Wo das Reich Gottes vordringt, da weicht Krankheit (Lk 10,9).
Die Frage hat eine praktische Bedeutung, sofern der Kranke lernt, es nicht mehr Gott zuzurechnen, wenn er wie auf der Folterbank qualvoll gemartert wird und man tritt unter Umständen mit seiner Not ganz anders vor den Herrn, wenn man erkannt hat, dass eine fremde Macht dabei im Spiele ist. Freilich ist es immer Gott, der mittelbar oder unmittelbar die Krankheit schickt, oder nicht schickt, zulässt oder abwendet. Wenn aber „denen die Gott lieben, alle dinge zum Besten dienen“ (Röm 8,28), so kann doch Befreiung von einer Bedrängnis, in der der Teufel seine Hand im Spiel hat, wesentlich davon abhängen, dass wir an den Sieg des Herrn Jesus über den Teufel und seine Macht (Kol 2,15); Heb 2,14-15) appellieren. Tatsächlich ist der Teufel Kindern Gottes gegenüber machtlos, nur so weit sie sich auf den Herrn, auf sein Wort und sein Werk stützen und dazu gehört Licht und Erkenntnis.