Otto Stockmayer
Schriften von Otto Stockmayer
Mk 9,18-38 Mk 5,22-43 - „Fürchte dich nicht, glaube nur!"Mk 9,18-38 Mk 5,22-43 - „Fürchte dich nicht, glaube nur!"
Was uns in besonderer Weise in der Geschichte der Auferweckung von Jairi Töchterlein entgegentritt, ist, daß der Heiland nie zu spät kommt, daß nie eins über das andere zurückgesetzt wird, und daß wir nichts dadurch verlieren, wenn er uns warten läßt und andere zuerst heilt. Der Oberste der Schule war in äußerster Not. Es war nicht übertrieben, wenn er sagt: „Herr, meine Tochter ist jetzt gestorben . . ." Natürlich kam unter diesen Umständen für den Vater alles darauf an, daß der Herr so geschwind wie möglich kam; darum sagt der Oberste auch: „Komm und lege deine Hand auf sie, so wird sie lebendig." Liegt jemand einmal in den letzten Zügen, so ist das ein starker Glaube — wie vielmehr, wenn ein Vater sagen kann: Meine Tochter ist jetzt gestorben; aber komm und lege deine Hand auf sie, so wird sie lebendig." Der Herr ist in der Tat an nichts gebunden. Aber da kommt ein Zwischenfall. Während Jesus dem Kinde zu Hilfe eilt, drängt sich ein Weib durch die Menge hindurch, das schon seit zwölf Jahren schwerkrank war. Dieses Weib hatte viel erlitten von den Ärzten, und es war eher schlimmer als bester mit ihr geworden, heißt es in Markus Z. Nun hört sie von Jesu. Es gibt nichts, was der Herr nicht zu heilen vermag — ja, er kann selbst Tote auferwecken. Das Weib hat sich durch die Volksmenge hindurchzudrängen gewußt, und es ist ihr gelungen, sein Kleid anzurühren, wir können ihm sein Wort vorhalten und warten auf sein Heil. Sie wäre am liebsten verborgen geblieben, aber Jesus will sie nicht so ohne weiteres gehen lasten. Er war sich bewußt geworden, daß eine Kraft von ihm ausgegangen war. Ihr Glaube hatte ihr geholfen. Markus 5,30 heißt es: „Jesus fühlte alsbald an sich selbst die Kraft, die von ihm ausgegangen war . . ." Die Geheilte darf sich mit ihrer Heilung nicht verbergen — sie soll Zeugnis ablegen von dem, was der Herr an ihr getan hat. „Er wendet sich zum Volke und fragt: „Wer hat mich angerührt?" Und er sah sich um nach der, die das getan hatte. Nun muß das Weib dem Herrn vor die Augen treten, zu dem sie sich hingedrängt hatte. Vers 33: „Das Weib aber fürchtete sich und zitterte — denn sie wußte, was an ihr geschehen war, — kam und fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit. Er aber sprach zu ihr: „Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen, bat dich gesund gemacht; gehe hin mit Frieden und sei gesund von deiner Plage." Das war ein Siegel, das der Herr auf die Heilung legte. Es war nicht nur eine momentane Heilung, sondern eine dauernde. Wenn wir in unserem äußeren oder inneren Leben etwas von göttlicher Handreichung erfahren, so wollen wir uns nicht nur einfach davonmachen, sondern beim Herrn bleiben und uns nur umso enger mit ihm verbinden. Und nun, was geschah? Über der Begegnung mit dem Weiblein ging Zeit hin, und die Tochter des Obersten war mittlerweile gestorben. Markus 5,35 heißt es: „Da Jesus noch also — zu dem Weibe redete — kamen etliche vom Gesinde des Obersten der Schule, und sprachen: Deine Tochter ist gestorben, was bemühest du weiter den Meister?" Sobald Jesus diese Rede gehört hatte, sprach er zu dem Obersten der Schule: „Fürchte dich nicht, glaube nur!" Und dasselbe sagt er uns, wenn uns jemand aufhalten will, und wenn Zweifel und Unglaube sich in unser Herz einschleichen wollen. Daraufhin nimmt der Herr die drei Jünger, die ihm besonders nahe gestanden haben, und geht mit ihnen in das Haus des Obersten, wo bereits ein großes Getümmel war — ein großes Weinen und Heulen. Gottlob und Dank, daß das bei uns nicht mehr Brauch ist! Wir brauchen uns nicht mehr so zu gebärden, unseren Schmerz in dieser Weise zur Schau zu tragen — damals aber gehörte das zur Totenklage. Der Herr tritt in das Totenzimmer und gebietet Schweigen. Er sagt nicht, daß das Mägdlein gestorben sei, sondern er sagt: „Es schläft." Wenn die Menschen meinen, es sei alles aus, ist damit nicht gesagt, daß der Herr es auch so ansieht. Für ihn ist auch der Tod als solcher aufgehoben und ist nur ein Schlaf, aus dem er wecken kann, wie er dereinst auferwecken wird, die in ihm entschlafen sind, um dann die ganze Gemeinde zu sich hinaufzunehmen. Der Herr läßt das Zimmer räumen. Er will mit den Eltern allein sein. Bei diesem Eingreifen in die Totenwelt soll nicht die Menge dabei sein. Als er mit den Eltern des Kindes, und den ihn begleitenden Jünger allein war, geht er hinein, wo das Kind lag, „und ergriff das Kind bei der Hand und sprach zu ihr: „Talitha kumi — das ist verdolmetscht: Mägdlein, ich sage dir: stehe auf!" Und alsbald stand das Mägdlein auf und wandelte." „Es war aber zwölf Jahre alt. Und sie entsetzten sich über die Maßen . . . und sagte, sie sollten ihr zu essen geben." Er sorgt auch für die materiellen Bedürfnisse derer, die sich ihm anvertrauen. Das Große, das er in der Kraft seines Vaters hatte tun dürfen, macht ihn nicht blind für das verhältnismäßig Kleine. So sorgt er auch für unser neues geistliches Leben Tag für Tag. Wie er damals sorgte, so sorgt er heute für das innere Leben der Wiedergeborenen, für seine ganze Gemeinde. „Gebt ihr ihnen zu essen aus dem geschriebenen Wort." „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Worte, das durch den Mund Gottes geht." Die Speise hat ihre volle Kraft nur, so weit der Herr sie segnet. So möge er seinen Segen geben aus Gnaden zur Auferbauung des neuen Menschen, und so möge er besonders auch diese Tage der Stille gesegnet sein lassen, daß jedes tiefer als bisher eindringe in das Wesen des Heiles, das der Herr bereitet hat.
Zwei Blinde kommen nun dem Herrn entgegen oder folgten ihm schreiend nach. „Du, Sohn Davids, erbarme dich unser!" riefen sie. Sie erheben also ein Geschrei. Wenn man in der Not ist und sieht eine Gelegenheit, einen Weg zur Hilfe vor sich, wenn man so tief in der Not steckt wie Blinde, fragt man nach niemand mehr. Sie wußten durch alles, was sie gehört hatten von Jesu: Der Mann kann uns helfen, und als sie nun überdies erfuhren, wo er war, in welches Haus er ging — Vers 26 — da kamen sie zu ihm. „Jesus fragt sie: „Glaubt ihr, daß ich euch solches tun kann?" Da sprachen sie: „Ja, Herr." Das war eine abgemachte Sache für sie: Wenn wir nur den Weg zu ihm finden können, so hilft er auch uns. Warum sollte der Herr, der so viele geheilt hat, nicht auch uns helfen können? So tief auch unser Schade sein mag, was für tiefe innere oder äußere Gebrechen wir auch haben mögen, der Herr kann auch uns helfen. Vers 29: „Da rührte der Herr ihre Augen an und sprach: Euch geschehe nach eurem Glauben." Wo wir etwas noch nicht klar sehen und neues Licht brauchen für tiefere Gründung und neue Erfahrung, der Herr schenkt es, wenn wir zu ihm kommen. Dann brauchen wir aber nicht viel Wesens daraus zu machen; es wird schon offenbar, daß der Herr uns begegnet ist, daß wir nicht mehr die Alten sind, daß neues Licht in unser Herz und in unser ganzes Sein und Wesen hineingeleuchtet hat. Aus Glauben in Glauben geht es dann. Und nun geht der Herr weiter; von Ort zu Ort, von Haus zu Haus bringt man ihm alle Elenden. Da war ein Mann, der war taubstumm — oder „stumm und besessen". „Nachdem der Dämon ausgetrieben war, redete der Stumme. Da verwunderte sich das Volk und sprach: „Solches ist noch nie in Israel ersehen worden." Das konnten die bisherigen Führer des Volkes nicht ertragen, daß man so viel Wesens aus diesem Manne machte — und um das Ansehen des Herrn zu schwächen, nahmen sie ihre Zuflucht zu einem furchtbaren Ausweg. Sie sagten: „Er treibt die Teufel aus durch Beelzebub, den Obersten der Teufel." In einer anderen Stelle antwortete der Herr auf diese Anklage: „Wie kann ein Reich bestehen, wenn es unter sich selbst uneins wird?" Wie wird der Teufel seine eigenen Knechte austreiben? Das hat ja gar keinen Sinn. Der Oberste der Teufel treibt seine Knechte nicht hinaus in der Stunde der Gefahr. Und es war eine Stunde der Gefahr wie noch nie. Wenn auch die Propheten geheilt und das Reich Gottes angebahnt haben, so war es doch nie in dieser Weise geschehen. Ein solcher Eingriff in die Macht der Hölle hatte noch nie stattgefunden. Der Herr geht weiter. Er durchzieht Stadt und Land — alle Städte und Dörfer. Nichts war ihm zu groß und nichts zu klein. Er predigte in den Synagogen, redete das Evangelium vom Reiche Gottes und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen. Der Herr ist heute noch der Gleiche, der er damals war. Jesajas 53, 4 gilt für alle Zeiten: „Er trug unsere Krankheiten und lud auf sich unsere Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplaget und vom Herrn geschlagen und gemartert wäre — aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten und durch seine Wunden sind wir geheilt", geheilt von Schmerzen und Krankheiten. Matthäus 9,35: „Jesus durchzog alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen, predigte das Evangelium vom Reiche Gottes und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen." Er hat Erbarmen mit dem von seinen Führern vernachlässigten Volke. Diesem armen Volke zu gute sollen die Jünger eintreten mit der Bitte, daß Arbeiter in die Ernte gesandt würden. Damit hat der Herr den Anfang gemacht, indem er zum ersten Male seine Jünger aussandte.