„Alle Schrift von Gott eingegeben ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, dass ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt (2Tim 3,16-17).
Wir übertragen einige Stellen, die bezeugen, dass die Sünde im Herzen und Leben eines Kindes Gottes keinen Platz mehr zu beanspruchen hat, dass ein reines Herz und ein heiliges Leben Vorrechte eines jeden Christen sind. Das Wort Gottes stellt uns dieses Vorrecht einmal unter der Form eines Gebotes und ein andres Mal unter einer Verheißung dar. Aber im neuen Bunde, seitdem der Pfingstgeist ausgegossen ist, ist ja jedes Gebot Gottes eine Verheißung geworden (Röm 8,4).
Mt 1,21 „Er wird sein Volk selig machen von ihren Sünden.“
1Joh 3,8 „Der Teufel sündig von Anfang. Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“
Röm 6, das ganze Kapitel. Wir übertragen hiervon zwei Verse:
Röm 6,6 „Wir wissen, dass unser alter Mensch samt Ihm gekreuzigt ist, auf dass der Leib der Sünde aufhöre, dass wir hinfort der Sünde nicht dienen.“
Röm 6,11 „Haltet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebet Gott in Christus Jesus, unserem Herrn.“
Mt 5,48 „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleich wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“
Durch das Wörtchen „darum“ lehnt sich dies Gebot an die vorhergehenden an und bildet die Schlussfolgerung des 5. Kapitels. Wenn somit der Herr von uns verlangt, dass wir vollkommen seien, wie unser Vater im Himmel, so meint der Herr dies in dem praktischen Sinn, dass wir das Gesetz der Liebe, dessen verschiedene Anforderungen Er im Lauf des Kapitels auseinander gelegt hatte, in seiner vollen Ausdehnung erfüllen, in einer Weise, die es von Kindern eines vollkommenen Vaters billig erwartet wird.
1Pet 1,13-16 „Darum so gürtet die Lenden eures Gemüts, seid nüchtern und setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird durch die Offenbarung Jesu Christi“… …„und wie der, der euch berufen hat heilige ist, so seid auch ihr heilig in allem eurem Wandel. Denn es steht geschrieben: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.“
1Joh 2,5-6 „Wer aber sein Wort hält, in solchem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in Ihm sind. Wer da sagt, dass er in Ihm bleibt, der soll auch wandeln, gleich wie er gewandelt hat.“
1Pet 1,22 „Machet keusch eure Seelen im Gehorsam der Wahrheit durch den Geist zu ungefärbter Bruderliebe und habt euch untereinander brünstig lieb aus reinem Herzen!“
2Kor 7,1 „Dieweil wir nun solche Verheißungen haben meine Liebsten, so lasset uns vor aller Befleckung des Fleisches und des Geistes uns reinigen und unsere Heiligung vollbringen (richtiger nach Stier: …unsere Heiligkeit vollenden) in der Furcht Gottes!“
Mt 5,8 „Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.“
1Thes 5,23-24 „Er aber der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und euer ganzes Wesen, Geist, Seele und Leib, müsse behalten werden unsträflich auf die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Getreu ist Er, der euch ruft, Er wird es auch tun.“
2Pet 1,10 „Darum liebe Brüder, tut desto mehr Fleiß, eurem Berufung und eurer Erwählung fest zu machen! Denn wenn ihr solches tut, werdet ihr nie straucheln.“
Judas 24 „Dem aber, der euch behüten kann, dass ihr nicht strauchelt und stellen vor sein Angesicht unsträflich….sei Ehre….in Ewigkeit, Amen!“
Ähnlich finden sich bestimmte Verheißungen oder Gebote der Heiligkeit, Reinheit oder Vollkommenheit vielfach in der Heiligen Schrift.
Dazu kommt das persönliche Zeugnis des Apostels Paulus.
In diesem Briefe an die Philipper (4,13) schreibt er: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus“. In seinem Brief an die Römer (8,35+37): „Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Fährlichkeit oder Schwert?…in dem allem überwinden wir weit, durch den, der uns geliebt hat“, im zweiten Korintherbrief (2,14) „Aber Gott sei gedankt, der uns allezeit Sieg gibt in Christus.“ und im ersten Brief „Ich bin mir nichts bewusst. Die Philipper ermahnt er (4.8) „Weiter liebe Brüder, was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich, was wohl lautet, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denket nach!“…und setzt hinzu (V. 9) „welches ihr gelernt und empfangen und gehört und gesehen an mir.“
Wir haben gesehen, dass er zu den Korinthern sagen konnte „Seid meine Nachfolger, gleich wie ich Christi.“ (1Kor 11,1). Zu den Thessalonicher kann er sagen „Ihr seid meine Zeugen und Gott, wie heilig und gerecht und unsträflich wir wandelten unter euch Gläubigen, wie ihr denn wisset, dass wir, wie ein Vater seine Kinder, einen jeglichen unter euch ermahnt und getröstet und bezeuget haben, dass ihr wandeln sollet würdig des Gottes, der euch berufen hat zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit.“ (1Thes 2,10-12). Auf seiner letzten Reise nach Jerusalem richtet er an die in Milet versammelten Älteste von Ephesus folgende Worte „Ihr wisst, wie ich allezeit unter euch gewandelt habe vom ersten Tage an, da ich nach Asien kam und dem Herrn gedient mit aller Demut.“ (Apg 20,18-19).
Und als er endlich am Ziele angekommen, auf seine Laufbahn zurück blickend, kann er ähnlich wie sein Meister sagen „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten.“ (2Tim 4,7) vgl. mit Joh 17,4).
Wir bemerken bei dieser Gelegenheit, dass die Heilige Schrift die Kinder Gottes nirgends Sünder nennt. Röm 5,8 sagt der Apostel „Darum preiset Gott seine Liebe zu uns, dass Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren“ und Gal 2,17 „Sollten wir aber, die da suchen durch Christus gerecht zu werden, auch noch selbst als Sünder erfunden werden, so wäre Christus ein Sündendiener, das sei ferne!“
Phil 3.12 „Nicht das ich es schon ergriffen habe, oder schon vollendet sei. Der Apostel erkennt an, dass es eine Vollkommenheit gibt, die ihm noch fehlt. Es steht ein Ziel vor ihm, das er noch nicht erreicht hat. Zu gleicher Zeit rechnet sich der Apostel nach V. 15 zu den Vollkommenen und V. 17 stellt er sich als Vorbild hin, das alle nachahmen sollen. Man sieht daraus, dass man nach der Schrift zu den Vollkommenen gehören kann, ohne zur Vollkommenheit (Vollendung) gelangt zu sein.
Für uns Menschen, solange wir auf Erden sind, heißt „vollkommen sein“ nicht „vollendet sein“, einen Stand erreicht zu haben, wo man nicht mehr wachsen kann, sondern ganz, völlig, entschieden sein, nach Herz und Wandel richtig, normal zu stehen. Siehe Heb 10,22. Damit, dass in einem Herzen keine Regung der Empfindlichkeit oder des Neids, des Hochmutes oder sündigen Lust mehr aufkommen kann; damit, dass unser Tun und Lassen unverrückt unter der Unterweisung des Geistes und im Gehorsam des Wortes steht, damit ist Unreines und Eigenes es noch nicht spurlos verschwunden. Es gibt ein Werk der Reinigung, Umgestaltung und Erneuerung, das sich durch das ganze Leben des Kindes Gottes hindurch zieht. Nur stufenweise werden wir in des Herrn Bild verklärt, und kommen Gott näher.
Zinzendorf drückt sich hierüber folgendermaßen aus: „Dies Werk (der Heiligung) führt der Heiland vom ersten Tage an bis auf den letzten Tag des Lebens fort. Wir werden immer heiliger, gerechter und seliger; und Unheilig sein, macht der Heiland nicht nach und nach gut, wie es die Sittenlehre zu tun sucht, sondern es muss alles auf einmal verleugnet werden. Der Heiland schwemmt alles Böse mit seinem Blute auseinander und unterdrückt es mit seiner Kraft und zerreißt das System des Sündigens. Das Gute aber hat seine Grade. Der Mensch wird keuscher, demütiger, freigiebiger , geschäftiger - der Schüler wird zum Mann und nach und nach zum Lehrmeister“.
Röm 7,7-25: Die Erklärung dieses Abschnittes ergibt sich aus der Stellung, die er im Zusammenhang des Briefes einnimmt. Dass die Gnade gekommen sei, uns Freiheit von der Sünde zu bringen (Kap. 6), konnte der Apostel leicht nachweisen; hatte aber die Gnade die Aufgabe, uns auch vom Gesetz zu erlösen (7,7-25) von der Aufgabe zu reden die das Gesetz im Leben des Menschen zu erfüllen hat, von der Stellung, indem er dem Gesetz gegenüber sich befindet.
In den Versen 7, 12 und 14 zeigt er, was das Gesetz ist; in den Versen 8-11 beschreibt er die bedenklichen Wirkungen, die es im Menschen hervorbringt, oder „in mir“, wie der Apostel sich ausdrückt, indem er sich selbst in die Lage eines Menschen unter dem Gesetz hineinstellt. Das Gesetz, fährt er in V. 13 und 14 fort, ist für die Wirkungen nicht verantwortlich; es hat mir nur meinen wahren Zustand zum Bewusstsein gebracht. Dieser Zustand ist aber folgender (V 14-24): Ich trage zwei Menschen in mir; der eine ist fleischlich, an die Sünde verkauft und tut das Böse; der andere, der inwendige Mensch oder das Gemüt, der Sinn nach V. 25, aber nicht etwa der geistliche Mensch, was etwas ganz anderes wäre hat Lust am Gesetz Gottes, d.h. ist damit einverstanden und pflichtet ihm bei; aber mein Wille ist unmächtig, dasselbe zu erfüllen; ich bin geknechtet von der Macht der Sünde, die in meinen Gliedern ist. Es ist dies ein Zwiespalt im innersten Grund meines Wesens, aus dem ich keinen Ausgang sehe und der mich der Verzweiflung nahe bringt. „Ich elender Mensch, ruft der Apostel aus, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? (V. 24). Hier angekommen, kann der Apostel nicht umhin still zu stehen, um seinem Gott zu danken für die Erlösung, die er in Jesus Christus gebracht hat (V. 25a), womit er in das 8. Kapitel vorgreift. In der zweiten Hälfte des 25. Verses fasst er dann noch einmal die Stellung des Menschen, der unter dem Gesetz steht und sich selbst überlassen ist, in die Worte zusammen „So diene ich nun, ich selbst, d.h. ich, eine und dieselbe Person, oder ich in mir selbst überlassen, mit dem Gemüte dem Gesetze Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde.“
Indem der Apostel am Anfang des 8. Kapitels seine durch die Frage von Vers 7,7 ununterbrochene Auseinandersetzung wieder aufnimmt, gibt er damit zu gleich die einzig mögliche Lösung, um aus dem Zwiespalt herauszukommen, in dem uns der Schluss des 7. Kapitels gelassen hat. Die Lösung kann nur vom Geiste Gottes kommen, der in dem ganzen Anschnitt (7,7-25) nicht einmal erwähnt ist. Der Geist des Lebens, der in Jesus Christus ist und uns in Jesus Christus versetzt, ist die einzige Macht, die die vom Gesetz erfolglos gestellten Anforderungen in uns zu erfüllen vermag und die uns damit sowohl vom Gesetz der Sünde und des Todes als vom Gesetze selbst erlöst (Röm 8.1-4 / 7,3-4).
War es die Absicht des Apostels im vorliegenden Abschnitt ein Bild vom Zustand des Menschen unter dem Gesetz zu geben, so fällt die Frage weg, ob derselbe sich nur auf Erweckte oder auch auf Wiedergeborene bezieht. Die Ohnmacht, in welcher der vom Geiste Gottes erweckte Mensch dem Gesetz gegenüber sich befindet, solange er den Geist Gottes noch nicht hat, kehrt auch beim Kinde Gottes wieder, sobald es nicht mehr nach dem Geiste wandelt. Jeder Christ, der sündigt und nicht alsbald zum Herrn zurückkehrt, fällt unter das Gesetz zurück. Der Heilige Geist, den er betrübt hat, steht in ihm nicht mehr auf dem Plan, als eine lebendige, siegreiche Macht, auf die er sich im Augenblick der Versuchung stützen könnte. Er fällt wieder seinen eigenen Anstrengungen, seiner natürlichen Ohnmacht anheim.
Kol 3,1-5 Wenn es in V. 3 heißt „ihr seid gestorben“ und V. 5 „So tötet nun eure Glieder.“(eigentlich „stellet für tot“), so könnte es scheinen, als ob auch Tote, der Sünde tatsächlich Gestorbene, ihre Glieder immer wieder zu töten hätten. Aber V. 3 sagt nicht: ihr seid gestorben, tote Leute, sondern wörtlich : „Ihr starbet“. Der Apostel erinnert seine Brüder an die Stellung zur Welt, zur Sünde und zum eigenen Ich, die der Kreuzestod und die Auferstehung Christi dem Sünder zuweisen. Mit dieser Bekehrung haben die Kolosser diese Stellung als die Ihre anerkannt und sind in dieselbe eingetreten in ein Leben der Heiligkeit und Freiheit von Sünde. Aber diese Stellung muss bewahrt werden durch den Glauben; man muss darin nur, solange man sich durch den Glauben für gestorben hält. Wahrscheinlich haben es die Kolosser hierin fehlen lassen und sich wieder Befleckungen zuschulden kommen lassen, wie die von denen V. 3 redet. Daher die Ermahnung des Apostels, abzulegen und tot zu machen, was mit der Stellung und der Berufung eines Gestorbenen im Widerspruch steht. Röm 8,13 „Wo ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben.“
Hier steht die Zeitform der Gegenwart. Gestorbene Glieder bleiben nur tot, solange wir ihnen durch entschiedene Glaubensstellung jegliches Leben entziehen. Unser Fleisch bleibt nur gekreuzigt, solange wir nach dem Geist wandeln. „Wo ihr aber durch den Geist….“.
Röm 7,1-6 „Der erste Mann, von dem diese Stelle redet, kann, wie es uns scheint, nicht das Gesetz sein; dasselbe ist im Text ausdrücklich hiervon unterschieden. Es kann darunter nur der Leib der Sünde, das Fleisch verstanden werden (V. 5). Ehe die Sünde im Fleische Christi verdammt wurde (Röm 8,3) waren wir an unserem Leib der Sünde und des Todes gebunden (Röm 7,23-24), gerade wie eine Frau durch das Gesetz an ihren lebenden Mann gebunden ist (V. 2). Jetzt hingegen, durch den Leib Christi, durch dessen Tötung, sind wir getötet (V. 4), d.h. von den Banden des Leibes gelöst; in seinem Leib sind unsere Sündenleiber gekreuzigt, in seinem Fleisch ist unser Fleisch abgetan: wir sind nun nicht mehr im Fleisch (V. 5). damit, dass unser erster Mann gerichtet, ausgeliefert und abgetan worden ist, ist dem Gesetz Genüge geschehen. Zu gleicher Zeit ist durch den Tod dieses unseres ersten Mannes unsere Verbindung mit Ihm gelöst und sehen wir aus diesem doppelten Grund nicht mehr unter dem Gesetz; wir sind frei.
Die Erfahrung hiervon, sowie von allem, was uns Christi Leiden erworben, hängt von unserem Glauben ab. Wirklich, wahrhaftig und tatsächlich hat Gott die Sünde der ganzen Welt auf das Lamm Gottes geworfen (Jes 53,6) und doch hat die Mehrheit der Menschen diese gleiche Last noch auf sich liegen. Wieso und warum? Weil sie entweder noch gar nichts wissen, was Gott in Christo für sie getan hat (Röm 10,14), oder weil sie sein Werk durch ihren Unglauben verleugnen, d.h. für sich ungeschehen machen. Wirklich und wahrhaftig hat Christus die Welt überwunden (Joh 16,33); deswegen ist sie für uns doch erst überwunden, wenn wir erstens von diesem Sieg Christi Kenntnis haben und sodann ihn im Glauben erfassen (1Joh 5,4). Ebenso verhält es sich mit der Kreuzigung und Vernichtung des Fleisches. Solange uns die Bedeutung der Kreuzigung von Christi Fleisch nicht aufgeschlossen ist, oder wir das in Christi Fleisch über unser eigenes Fleisch ausgesprochene Todesurteil nicht unterschrieben haben, fahren wir fort im Fleische zu sein. Hingegen diejenigen, die Christus angehören, haben gekreuzigt (oder kreuzigten) ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden (Gal 5,24). Sie haben den Leib des Fleisches ausgezogen (Kol 2,11). Solange sie im Glauben ihre Einheit mit Christo festhalten, in ihm und in seiner Lebensgemeinschaft bleiben, solange und soweit bleiben auch ihre Sündenleiber abgetan. Ihr Leib ist jetzt tot um der Sünde willen (Röm 8,10).
Kol 3.9 „Lüget nicht gegeneinander, da ihr ausgezogen habt den alten Menschen mit seinen Taten und angezogen habt den neuen. In den drei Stellen, in denen die Heilige Schrift vom alten Menschen redet, redet sie von ihm in der Vergangenheit. Röm 6,6 „Unser alter Mensch wurde mit Christus gekreuzigt.“ In Eph 4,17-25 ermahnt der Apostel seine Brüder, nicht nach der Heiden Weise zu wandeln (4.17-19), indem er auf die Zeit zurückgeht, als sie mit Christus bekannt wurden und sie daran erinnert, was damals mit ihnen vorgegangen ist, wie sie gelehrt und dazu gebracht worden waren ihren früheren Wandel zu entsagen (4.20-22). „Ihr aber“, schreibt er, habt Christus nicht so kennen gelernt, wenn ihr wirklich Ihn gehört habt und in ihm gelehrt worden seid.
Unter dem alten Mensch versteht die Heilige Schrift offenbar das, was Kinder Gottes vor ihrer Bekehrung gewesen waren; es ist ihr früherer, ihr voriger Mensch, gebunden und hingegeben, wie wir waren, an das Gesetz der Sünde im Leib, an das Fleisch mit seinen Lüsten uns Begierden.
Heb 12,1 übersetzt Luther unrichtig: „Lasset uns ablegen die Sünde, so uns immer anklebt und träge macht.“ In Lange's Bibelwerk z.B. heißt es: „Lasset uns nach Ablegung jeglicher Behinderung und der rings umstellenden Sünde laufen!“ Laufen kann nur, wer Lasten zu denen vor allem die Sünde gehört, erst abgeworfen hat. Unter der Sünde V. 4, der gegenüber wir bis auf's Blut widerstehen sollen, kann nach V. 3 nur die Sünde in der Welt, der Widerspruch der Welt gegen das Evangelium gemeint sein, nicht aber die Sünde in uns. Unser Herr hat im Erdulden des Widerspruchs der Sünder sein Blut vergossen, das habt ihr nicht getan, sagt der Apostel V. 4.
Jak 4,14-15 „Ein jeglicher wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust gereizt und gelockt wird, danach, wenn die Lust empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist gebiert sie den Tod.“ Der Apostel unterscheidet zwischen einem Keim der Lust, den wir in uns tragen uns aus den die Versuchungen entspringen (V. 14), und der Lust, die empfangen hat. (V. 15). Unsere eigene Lust, die uns reizt und lockt, ist unsere verdorbene Natur, „unser Fleisch“ die Lust, die empfangen hat, sind bewusste Regungen der Lust, die aus diesem verdorbenen Grunde hervorgegangen sind. Die Lust im letzteren Sinne ist Sünde, auch wenn sie nicht zu Wort oder Tat, zu äußerlich vollendeter Sünde wird. Es denke also niemand, dass unreine Regungen an sich keine Sünde seien, sobald wir sie mit unserem Willen sogleich und entschieden abweisen. Genügt nicht das zehnte Gebot und das Wort des Herrn Mt 5,28 (s. auch V. 8), um eine Auffassung zurück zuweisen, die den Standpunkt der Heiligkeit herabsetzt und gegen die das christliche Gewissen jederzeit Einsprach erheben wird?
Es ist Gottes Liebeswille, dass seine Kinder Ihm dienen Hand in Hand, dass sie zur Arbeit in seinem Weinberge sich verbinden in aufrichtiger gegenseitiger Hochschätzung, in ungefälschter Bruderliebe. Wie willst du aber dieser hohen Berufung nachkommen, solange die Erfolge, mit denen Gott die Arbeit deiner Brüder krönt, imstande sind Gefühle des Neids und der Eifersucht in dir zu wecken? Wie kannst du deinen Brüdern noch mit der gleichen Herzlichkeit die Hand drücken, ihnen frei ins Auge schauen, nachdem dein Herz sie gerichtet und Übles von ihnen gedacht hast? Wiederum, wie willst du die Früchte, für die dich Gott erwählt und gesetzt hat, wie willst du seine Tugenden verkünden, solange dein Herz nicht gereinigt ist, solange das Zeugnis, das der Herr dir anvertraut, ja selbst ein Gebet, das er dir ins Herz und in den Mund legt, Regungen des Hochmuts in dir erweckt?
Lass es erst darauf ankommen, dass der Herr dein Zeugnis an den Seelen mit sichtbarem Segen begleite und dadurch dem Reich der Finsternis ein empfindlicher Stoß versetzen werde; lass es erst geschehen, dass der Herr dich in engerem oder weiterem Kreise zum Werkzeug einer Erweckung braucht, wozu wir ja als Christen nach Mt 5,13 und 14 alle bestimmt sind: und du wirst alsbald merken, dass dich der Arge zur Zielscheibe seiner giftigen Pfeile ausersehen hat und mit Anfechtungen alle Art auf die einstürmt. Was unreines in dir schlummerte, was von Selbstgefälligkeit und suchen eitler Ehre bisher nur in flüchtigen Regungen und kaum beachtet durch dein Herz zog, das wird der Feind wachrufen. Die Gefahr dem geistlichen Hochmut zum Opfer zu fallen, kann in kurzem so drohend werden, dass der Herr um dich zu retten, genötigt ist, den Strom seiner Segnungen aufzuhalten. Oh lass um Jesu Christi, deines Heilands willen, der dich mit seinem Blut erkauft hat, keine Stunde länger den alten Sauerteig in dir gären. Lass den Herrn hinausschaffen, was dein Herz noch unreines birgt, auf dass er über das geringste Gefäß verfügen könne frei und uneingeschränkt! Er muss dich brauchen können, auch für Grosses uns Außerordentliches (Joh 14,12), ohne dass dein geistliches Leben darunter leidet. Oh lasst uns alles in den Tod geben, allem eigenen Leben für immer entsagen, damit er nicht aus Liebe und Schonung für seine Werkzeuge genötigt sei, auf einen Teil vom Lohn seiner Schmerzen, von den Früchten seines Todes und Seiner Auferstehung zu verzichten!
Noch ein Beispiel: Du spürst nur selten und vorüber gehend ein Gefühl der Eifersucht oder sonstige unreine Regungen und du hältst dich dabei nicht weiter auf. Nun bringt dich aber der Herr in Berührung mit einem eher unglücklichem Wesen und es gilt jetzt in der Kraft Gottes, in der Kraft seiner Heiligkeit und Liebe deinem Bruder zu Hilfe zu kommen. Wie willst du es aber wagen, solchen Geistern entgegen zu treten und den Kampf mit ihnen aufzunehmen, solange du selbst von den Gefühlen, die sich in andern verkörpert haben, nicht völlig frei uns rein bist? Und solltest du es dennoch wagen, so kann dir der finstere Geist entgegnen: „Jesus kenne ich wohl und um Paulus weiß ich wohl; wer aber bist du? (Apg 19,15) und vielleicht musst du an der Wucht, mit der plötzliche besondere Versuchungen auf dich eindringen, gewahr werden, dass der unreine Geist wenigsten versucht hat, sich auf dich selbst zu werfen.
Es gilt sich ans Wort zu halten. Lange genug hat die Gemeinde Gottes geseufzt über ihre Ohnmacht, das ihr anvertraute Pfund zu verwerten und ihr Licht leuchten zu lassen. Wenn das Salz einen guten Teil seiner Kraft verloren hat, kommt es nicht vor allem daher, dass die Christen die Gebote und Verheißungen ihres Gottes nicht mehr hoch und wert halten? Dadurch, dass wir dieselben in ihrem vollen Sinne wieder erfassen und glauben, werden wir der Welt von der Wahrheit des Evangeliums wieder den überzeugenden Beweis liefern, den sie von und erwartet; und dieser liegt in einem echt biblischem Christentum, in einem Christentum, das Herz und Leben umgestaltet.