Otto Stockmayer
Schriften von Otto Stockmayer
Mt 20,1-28 - Im Reiche Gottes ist alles Gnade: die Berufung, die Arbeit, der Lohn, und nur durch Leiden und Dienen führt sie zur Herrlichkeit.Mt 20,1-28 - Im Reiche Gottes ist alles Gnade: die Berufung, die Arbeit, der Lohn, und nur durch Leiden und Dienen führt sie zur Herrlichkeit.
„Das Himmelreich ist gleich . ." Das kommt immer wieder. Das Himmelreich ist hier mit einem Weinberg verglichen — d. h. im Grunde — die Zubereitung für das Himmelreich. Das Himmelreich selbst ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist. Das kann man hienieden schon haben, und es ist das eine Zubereitung für die obere Welt. Allerdings wüsten wir hienieden an eine Herrlichkeit in der oberen Welt glauben, wie auch daran, daß wir schon hienieden eine Herrlichkeitsstellung haben in ihm. Es gibt Seelen, die schon frühzeitig bekehrt worden sind, und wer bekehrt ist, bekommt eine Arbeit im Reiche Gottes. Der Herr verwendet ihn. Er läßt seine Kinder nicht müßig am Markte stehen. Man bekommt einen Dienst im Reiche Gottes, wie schon in den irdischen Verhältnissen — im Familienkreise — jedem eine Arbeit zugewiesen ist, und es ist ein Jammer, wenn jemand nicht mehr arbeitsfähig ist und seine Zeit infolgedessen müßig verbringen muß. Es geschieht ja viel für solche Arme, aber immerhin ist es schwer, nicht mehr arbeiten zu können in einer Zeit, wo andere noch ihr Brot verdienen können. Wie viele beklagen sich über die ihnen zugewiesene Arbeit, aber es ist das Arbeiten eben einmal (seit dem Fall) Lebensbedingung für uns. Lieber im Schweiße seines Angesichts sein Brot verdienen müssen, als gar nichts zu tun haben! Der Herr des Weinbergs sah andere am Markte müßig stehen, als er um die dritte Stunde ausging, und sprach zu ihnen: „Gehet ihr auch hinein in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist." Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und neunte Stunde und tat gleich also . . ." Diese verschiedenen Stunden des Tages entsprechen den verschiedenen Stusen des Lebensalters. Die einen werden in der Jugend bekehrt, andere später und andere erst im Greisenalter. Die Hauptsache ist, daß man geht, wenn man angerufen wird, und nicht denkt: Ich kann mich auch später bekehren. Man wird sonst eine Last für andere und hoffnungslos fürs Jenseits. „Ich will euch geben, was recht ist", sagt der Herr zu denen, die er um die dritte, sechste und neunte Stunde dingt. Schließlich ist er noch einmal abends um fünf Uhr ausgegangen, und da waren immer noch Leute, die müßig am Markte standen. Zu diesen sprach er: „Was steht ihr hier den ganzen Tag müßig? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand gedingt. Er sprach zu ihnen: Gehet ihr auch hin in den Weinberg, und was recht sein wird, soll euch werden", und es wurde ihnen mehr als recht war. Vers 8: „Da es nun Abend ward, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Schaffner: Rufe den Arbeitern und gib ihnen den Lohn, und heb an an den letzten bis zu den ersten. Da kamen, die um die elfte Stunde gedinget waren, und empfing ein jeglicher seinen Groschen. Da aber die ersten kamen, meineten sie, sie würden mehr empfangen; und sie empfingen auch ein jeglicher seinen Groschen. Und da sie den empfingen, murrten sie wider den Hausvater." Sie fanden ungerecht, daß sie nicht mehr bekommen hatten. Sie waren Lohndiener — Leute, die sich in einer Gemütsverfassung und inneren Stellung befanden, wo man keinen Blick hat in die Herrlichkeit eines dem Herrn geweihten Lebens — die sich nicht klar machen, daß es sich da nicht um Lohndienerei handeln darf, sondern daß es Gnade ist, wenn man Zeit und Kräfte dem Herrn der Herrlichkeit weihen darf. Das hat schon an sich selbst seine Belohnung — ganz abgesehen davon, was dem treuen Diener vorbehalten ist in der Herrlichkeit. Und da lernt man in der Arbeit seinen Herrn kennen, seine Geduld und Fürsorge. Man wird erprobt in der Arbeit. Nur keine Seitenblicke! Vers 11: „Sie murrten wider den Hausvater und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleich gemacht, die wir des Tages Last und die Hitze getragen haben." Wo Lohndienerei ist, da sind auch Seitenblicke. Da will man sehen, ob man nicht etwa zurückgesetzt worden ist. Vers 13: „Er antwortete aber und sagte zu einem unter ihnen: Mein Freund, ich tue dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir eins geworden um einen Groschen? Nimm, was dein ist, und gehe hin. Ich will aber diesem Letzten geben gleichwie dir." Das ist meine Sache; da hast du mir nichts dreinzureden, hast kein Recht, mich zur Rechenschaft zu ziehen. „Oder habe ich nicht Macht, zu tun, was ich will mit dem Meinen? Siehest du darum fcheel, daß ich so gütig bin?" anstatt an meine Liebe zu glauben und versichert zu sein, daß dir nicht gedient wäre mit dem, was andere haben? Du könntest es gar nicht verwalten. Das ist nicht Ungerechtigkeit, sondern Mannigfaltigkeit in meiner Handlungsweise dem Einzelnen gegenüber. Vertrauen wir der Güte unseres Gottes und wenn er uns viel anvertraut hat, und darum auch viel von uns fordert, so ist das ein Vorzug — der Rahmen, in dem wir ihn bester kennen lernen, gerade durch das, was er uns mehr anvertraut als anderen. „Sieh aber auch nicht scheel, wenn ich einem andern gebe, was ich dir vorenthalten habe." So können Erste Letzte und Letzte Erste werden, und Erste und Letzte, das bemißt sich nach der Treue, mit der man das Anvertraule verwertet. Es bemißt sich nicht darnach, ob man viel oder wenig getan hat, sondern ob man mit dem Anvertrauten treu umgegangen ist, und zwar umso treuer, se weniger man anverlraut bekommen hat. Vers 17—19: „Und Jesus zog hinauf gen Jerusalem und nahm zu sich die zwölf Jünger besonders auf dem Wege, gab ihnen Privatunterricht und sprach zu ihnen: Siehe, wir gehen hinauf gen Jerusalem . . . und am dritten Tage wird er wieder auferstehen." Diese Worte haben keinen Boden bei den Jüngern gefunden. Sie hatten immer nur die Herrlichkeit vor sich — ein Kapitel wie z. B. das 53. Kapitel des Propheten Jesajas war ihnen verschlossen. „Durch Leiden zur Herrlichkeit" — das ist der göttliche Weg, um eine im Höhenwahn befangene Welt wieder zurechtzubringen. „Ihr werdet sein wie Gott", hat der Teufel im Paradies zu Eva gesagt. Der Herr Jesus wußte, was seine Aufgabe hier unten sein würde und welchen Ausgang er würde nehmen müssen, um unser Erlöser zu werden, — aber im Augenblick, wo er es seinen Jüngern nahe zu bringen versucht hatte, kommt eine Mutter und hätte gern ein besonderes Herrlichkeitsvorrecht für ihre Söhne. Sie hat Herrlichkeitsblicke und ist tief innerlich überzeugt: was auch die nächste Zeit für den Herrn noch bringen möge, steht doch die Herrlichkeit hinter allem Leiden, und da möchte sie ihren Söhnen einen Anteil sichern. Der Herr wendet sich an die Söhne mit der Frage: „Könnt ihr den Kelch trinken . . ?" Sie sprachen zu ihm: Wir können es." Ja, ihr lieben Brüder, das ist bald gesagt. Das hätten sie aber nie gekonnt, wenn der Heilige Geist nicht über sie ausgegossen worden wäre. „Ja, ihr werdet meinen Kelch trinken . . ., aber euch zu geben, daß ihr sitzet zu meiner Rechten und Linken, das steht nicht mir zu . . ." Ihr müßt zuerst den Leidensweg gehen, aber selbst auf diesem Wege kann ich euch nicht garantieren, daß ihr eine besondere Herrlichkeitsstellung einnehmen werdet in meinem Reiche. Das hat mein Vater zu bestimmen. Und nun die Entrüstung der anderen, daß die Brüder so etwas begehrten! Sie hätten Loch auch gern eine solche Herrlichkeitsstellung. O, diese Erbärmlichkeit, immer etwas Besonderes haben zu wollen! Wo noch solches Begehren ist, da ist die Liebe Gottes noch nicht ausgegossen in ein Menschenherz, die Liebe, mit der Gott jeden liebt, ob er hienieden eine Ehrenstellung einnimmt oder nicht. Es darf jeder dem Herzen Jesu so nahe treten wie nur möglich — und je näher wir ihm hier unten gekommen sind, um so näher werden wir ihm such droben sein. Wir brauchen uns nicht um das Herz unseres Vaters im Himmel zu streiten, wie Kinder sich um den Schoß der Mutter streiten. Wenn andere ihm näher treten, so soll uns das ein Ansporn sein, alles andere liegen und stehen zu lassen, um uns ihm zu nähern durch alles, was er im Laufe eines Tages in unser Leben hinein-legt. Vers 25 weist der Herr sie zurecht, indem er zu ihnen sagt: „Die Herren dieser Welt . . . aber so soll es bei euch nicht sein." Da gilt es nicht zu herrschen, sondern zu dienen. „Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener." „Gleichwie des Menschen Sohn nicht gekommen ist, daß er sich dienen lasse . . . und gebe sein Leben zur Erlösung für viele." Lösegeld haben wir nicht zu geben für andere — das hat der Herr getan, aber wir können ihnen dienen und ihnen dazu verhelfen, daß sie dem Herrn näher kommen und ihren Anteil bekommen an dem vom Herrn bezahlten Lösegeld.