Unser Vater in dem Himmel.
Wir wollen bei den ersten Worten des Vaterunsers noch einen Augenblick stehenbleiben. „Unser Vater.“ Er ist ja dein Vater und mein Vater, lieber Bruder, liebe Schwester; aber wir haben bereits den ersten Schritt aus unsrer Not heraus getan, wenn wir nicht nur „mein“, sondern „unser Vater“ sagen. Anstatt uns untergehen zu lassen in der eigenen Not, - die einen immer grössern Massstab annimmt, je mehr uns durch Befassen mit derselben der Blick getrübt wird, - anstatt uns untergehen zu lassen in unsrer Not, sage ich, legt uns die Schrift mit dem heiligen Gebet, das der Herr Seine Jünger lehrte, ein „Unser“ in den Mund und öffnet damit unsern Kerker, der uns nur noch sehen liess, was wir persönlich durchmachen, und uns den Ausblick auf die Not des Bruders und der Schwester unmöglich machte. „Wisset, dass eben dieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen“ (1Pet 5,9). Wenn einem die Wellen schier über dem Kopf zusammenschlagen, ist das schon eine grosse Hilfe. Es erweitert den Horizont; man schliesst dann die andern mit ins Gebet ein, und weit entfernt, dass wir dadurch persönlich zu kurz kämen, schafft uns Gott im Gegenteil eine Hilfe damit, dass wir nicht in der schwierigen Lage, in der wir uns befinden, bei der Gegenwart stehenbleiben.
„Unser Vater.“ Was ist das für ein Schmerz für einen irdischen Vater und eine irdische Mutter, wenn sie kein Brot mehr haben, wenn sie am Ende ihrer Weisheit angelangt sind, wenn die Kinder durch Tiefen gehen, wo man ihnen nicht mehr helfen kann oder wo sie sich nicht mehr helfen lassen wollen! Welche Beruhigung ist es da für einen solchen Vater und eine solche Mutter, wenn sie ihre Augen aufheben und im Blick auf ihre Kinder sagen dürfen: „Unser Vater, Du bist in den Himmeln; ich weiss nicht, was in dem Nachbarland vorgeht; ich kann nicht hinreisen und mich nach meinem Kind umsehen, aber Du kannst es erreichen.“ O was ist das für eine Erleichterung, den Weg direkt zum Thron hinauf nehmen zu dürfen, hinauf an den Ort, wo ein Vater wohnt, dessen Auge den Südpol und Nordpol durchschaut! „Unser Vater, der Du bist in den Himmeln“ - nicht nur gerade über uns, sondern in den Himmeln, die die Erde umschliessen, alle Schwermutshöhlen, Knechtschaften, Gebundenheiten. In allen Verfolgungswahn, in alle möglichen Verdunkelungen, in das alles hinein greift unser Vater. „Besuche meinen Bruder, meine Schwester, mein Kind, Vater; ich kann ihnen nicht helfen, tue Du es!“