Denn wir müssen alle geoffenbart werden vor dem Richterstuhl Christi, auf dass ein jeglicher empfange, was er in dem Leibe getan, es sei Gutes oder Böses.
Es erhebt sich die Frage und fällt je und je manchen Christen schwer aufs Herz: „Haben wir als Gläubige noch vor einem Richterstuhl zu erscheinen?“ Eine Übersetzung sagt: „geoffenbart werden,“ die lutherische „erscheinen.“ Die Ausdrücke bedeuten nicht das gleiche. Erscheinst du vor einem Richterstuhl, so magst du durch einen Ankläger vor denselben gefordert sein; wirst du hingegen vor einem Richterstuhl offenbar, so braucht keine Anklage vorzuliegen. Es ist das gleiche Wort wie in Kolosser 3,4: „Wenn Christus, unser Leben, geoffenbart wird, dann werdet auch ihr mit Ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit.“ Das Wort „geoffenbart werden“ ist ein sehr starker Ausdruck, und Gott bewahre uns in Gnaden davor, ein Wort in Heiliger Schrift abzuschwächen! Wir lassen es in seiner ganzen Kraft stehen, so sehr es auch andern Stellen zu widersprechen scheinen mag. Die einzige Regel für ein richtiges Verständnis des Wortes Gottes ist, dass wir uns vom Geist Gottes Schrift durch Schrift erklären lassen. Da merken wir, wie ein Wort das andre näher bestimmt und ins rechte Licht stellt.
Gestattet mir ein Beispiel. Wenn ich die Grenze des Auslands überschreite, so muss ich den Zoll passieren. Führe ich etwas Verzollbares bei mir, so halte ich es bereit und gebe es an. So kann die Behörde nichts Strafbares an mir finden. Ich bin vor diesem Gerichtsstuhl offenbar geworden und kann unangefochten die Grenze überschreiten.
Wenn Christus, unser Leben, geoffenbart wird, so wird nichts wider Ihn zeugen; denn in Seinem irdischen Leben hat Er sich auch nicht in einem einzigen Stück verfehlt. Ja, der Fürst dieser Welt wird kommen; aber er wird nichts an Ihm finden (Joh 14,30), absolut nichts. Der Messias, den die Menschen verwarfen, dessen göttliche Berufung und Ansprüche sie nicht anerkannten, der während Seines ganzen Erdenlebens nie etwas zu verheimlichen hatte - wird vor dem gesamten Weltall in Seiner Herrlichkeit offenbar werden, und diejenigen, die auf Erden ein mit Christus in Gott verborgenes Leben geführt haben, werden mit Ihm offenbar werden, und weder der Teufel noch irgendein Wesen im Himmel oder auf Erden wird eine Anklage gegen sie erheben können. Nicht nur um ein Offenbarwerden unsrer Werke handelt es sich, „auf dass ein jeglicher empfange, was er im Leibe getan hat, nachdem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses,“ sondern um ein Offenbarwerden dessen, was wir in Wirklichkeit vor Gott sind.