Otto Stockmayer
Schriften von Otto Stockmayer
Mat 16,13-28; 17,1-18 - Niemand als Jesus allein!Mat 16,13-28; 17,1-18 - Niemand als Jesus allein!
Im 16. Kapitel sehen wir, wie Petrus vom Geist Gottes gebraucht wird für dieses herrliche Bekenntnis: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes." Eine Offenbarung Gottes, ein Wort, in dem der Herr sofort nicht den Petrus, sondern eine Offenbarung des himmlischen Vaters in Petrus erkannt hat; und auf dieses hin gibt ihm der Herr, weil sein Vater selbst gesprochen hatte, diese wunderbare Stellung, daß dieses Bekenntnis die Grundlage sein soll für den ganzen Aufbau der Gemeinde. Es ist nicht die Person des Petrus, es ist sein Bekenntnis, die Offenbarung, die er da gehabt hat, „auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen . . ." Und dann gibt er ihm diese Macht, zu lösen und zu binden, die er an anderer Stelle seinen Jüngern überhaupt gibt.
Nun, wie merkwürdig! Kaum war Petrus ein Kanal geworden für die Offenbarung Gottes mit diesem herrlichen Bekenntnis — nun die Kehrseite Vers 21—23. Kaum hatte der Herr gesprochen von seinem Leiden — ja, „Christus, der Sohn des lebendigen Gottes", das war dem Petrus recht; aber nun kommt das andere Gebiet, das Leiden des Meisters: viel leiden, verworfen werden von diesem Geschlecht, von den Ältesten, Hohenpriestern und Schriftgelehrten — und da fährt Petrus heraus: Nimmermehr, schone dein, das widerfahre dir nicht! Wir sind immer dankbar, wenn uns jemand versteht, in dunklen Stunden uns ermutigt und hilft, einen dunklen Weg zu gehen, und wie leicht kann es dann geschehen, daß wir uns in die Abhängigkeit, den Einfluß dieses Bruders oder der Schwester stellen, die uns in dunkler Stunde vielleicht einen Tag vorher so mächtig zur Seite gestanden, uns gestützt und den Weg gezeigt halten, den wir zu gehen hatten.
Der Herr hat ein offenes Auge; er erkennt in diesem Wort Petrus sofort ein Wort des Satans. Der gleiche Petrus, Organ des Heiligen Geistes, einen Augenblick später leiht er seine Stimme dem Satan. „Du bist mir ein Fallstrick, denn du hast nicht das Göttliche im Auge, sondern das Menschliche." Es ist eben ein großer Unterschied, ob der Herr uns da und dort Blicke anvertrauen kann in seine Herrlichkeit hinein, oder ob wir wirklich schon den Sinn Jesu haben. Später konnte der Apostel sagen: Wir aber haben Christi Sinn. Und hier: Du haft nichts Göttliches im Auge, sondern Menschliches. Es ist oft leichter, selber ein schweres Opfer auf sich zu nehmen, als andere ein solches aufladen oder tragen zu sehen, durch dunkle Stunden gehen zu sehen. Wohl uns, wenn wir immer bereit sind, anderen Handreichung zu tun; aber wohl uns auch, wenn wir uns nie stellen zwischen den Bruder und die göttliche Führung und ihn abzuhalten suchen von einem dunklen, schweren Weg, den der Herr ihn hat gehen heißen!
Heb 9,14. Durch den ewigen Geist hat sich der Herr geopfert. Es ist die einzige Stelle, die ich weiß, wo der Geist Gottes der ewige Geist genannt wird, und warum hier? Damit wir ein für allemal wissen, daß der Geist, durch den Christus sich geopfert hat und den Weg nach Golgatha ging, noch derselbe ist, dieselbe Kraft hat, und es nur darauf ankommt, daß wir uns nichts zutrauen, sondern alles abhängig machen von der Hilfe und Gnade des Geistes. Dann sind wir geborgen im Gefühl unserer Schwachheit; dann hat der Geist Raum, und der eigene Geist tritt zurück, und wir wissen nachher nach solcher Leidenszeit, wer uns hindurchgetragen, und wie wir hindurchgekommen sind.
Eine weitere tiefe Lektion finden wir im Anfang des 17. Kapitels. Da nimmt Jesus sechs Tage nachher die drei Jünger, die ihm am nächsten standen, mit sich hinauf auf einen hohen Berg, und dort wird er verklärt. Da erschienen ihnen Moses und Elias und redeten mit ihm, — nach einem anderen Evangelium — von dem Ausgang, den er nehmen sollte zu Jerusalem. Sechs Tage, nachdem ihn Petrus nicht hatte nach Jerusalem gehen lassen wollen, da kommen die Geister der Vollendeten und ermuntern den Herrn auf dem Wege des Leidens.
Der Geist Gottes ist ein Geist der Herrlichkeit, und in jedem Wege der Entsagung, des Leidens und des Opfers läßt er uns Trost und Handreichung zukommen. Er ermuntert uns auf dem Wege, er ist ein ewiger Geist, heute noch derselbe, kann heute noch das Schwächste hindurchtragen mit Geisteskraft.
Diese Geister der Vollendeten, Moses und Elias, hatten einen klaren Blick da hinein, daß alles davon abhing für die Menschheit, daß der Herr sich nicht abhalten läßt, den Todesweg zu gehen, den Weg nach Golgatha, und da kommen sie, nachdem Petrus gesagt hatte: Herr, schone dein selbst, das widerfahre dir nicht! — da kommen sie dem Herrn der Herrlichkeit zu Hilfe; wenn man so sagen darf, da lassen sie aus dem Himmel ihre Stimme hören; um keinen Preis durfte der Herr abgehalten werden, diesen Weg zu gehen; keinen anderen Weg gab es für die Rettung der Menschheit. Was sie mit ihm geredet haben, das hat wohl Petrus nicht gehört oder nicht verstanden; es war ihm nur, wie wir sagen würden, unendlich wohl, heimatlich in der Nähe dieser himmlischen Geister, dieser Vollendeten, die mit dem Herrn redeten von seinem Ausgang in Jerusalem.
Ja, da war kein Verlaß auf seine Jünger; aber es ist Verlaß auf den himmlischen Vater für jeden, der einen Leidensweg geht, wo andere ihn abhalten möchten, und er weiß, er hat den Weg zu gehen. Er hat Verlaß, er kann sich verlassen auf die Handreichung seines Gottes und Heilandes. Durch Seinen Tod hat der Herr dem die Macht genommen, der des Todes Gewalt hatte, Hst für immer und ewig erlöst, die durch Todesfurcht ihr Leben lang Knechte gewesen waren. Todesfurcht, Leidensfurcht, Furcht vor Demütigung, vor irgend einem Wege, den unsere Phantasie uns darstellt mit furchtbaren Schrecken — blicken wir nie auf den Weg, bleiben wir nicht stehen dabei, blicken wir nicht auf uns selbst und auf unser armes, trotziges und verzagtes Herz; fragen wir uns nur immer das eine: Herr, willst du diesen Weg? Ist das mein Weg? Und hat uns der Herr in stiller, heiliger Stunde einmal den Weg versiegelt, dann hüten wir uns, unser Herz schwach werden zu lassen und blicken wir nicht auf den Weg, sondern auf den Herrn: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben." Wo du einen Weg siehst und der Weg für dich so dunkel ist ich bin dein Licht, Kraft und Heil heute wie in allen Zeiten. „Dies ist mein lieber Sohn ... den sollt ihr hören."
Und dann bald darauf heißt es: „sie erschraken, sie fürchteten sich sehr. Da trat Jesus hinzu, rührte sie an und sprach: Stehet auf und fürchtet euch nicht! Und als sie aufstanden und die Augen öffneten, da war nur noch Jesus da." — Wir dürfen, Gott fei Dank, viel erleben an diesen Tagen; wir haben auch die Freude, manchem Bruder, Schwester, Freund, Freundin zu begegnen und Austausch zu haben an Erfahrungen, einander zu stärken, und dann rückt jetzt allmählich Tag und Stunde näher, wo wir auseinandergehen, jeder in das Seine, und dann gilt auch für uns: Sie sahen niemand mehr als Jesus allein. Der Bruder, die Schwester, die uns gegrüßt, erquickt, sie sind nicht mehr da. Wir finden die alten Aufgaben und die alten Schwierigkeiten wieder, die wir zurückgelassen haben in der Heimat, und doch kann alles neu werden, wenn wir nun scheidend von hier unseren Blick richten auf Jesus. „Aufsehen auf Jesus", man könnte noch wörtlicher übersetzen: wegsehen von allem auf Jesus, nichts und niemand sehen als Jesus allein und an Jesu Hand zurückgehen in die alten Verhältnisse und in die alten Aufgaben und ihm vertrauen, daß er noch alles neu machen wird, wenn nur in uns erst eine gründliche Erneuerung stattgefunden hat und wir uns nicht mehr fürchten, in dunkle Täler hineinzusteigen. Sein Stecken und Stab trösten uns; er geht mit uns. Lieber durchs dunkelste Tal mit dem Herrn als auf grünen Auen ohne ihn. Er weiß im Leben jedes einzelnen Licht und Schatten zu verteilen in unendlich verschiedener Weise, für jeden nach feiner Anlage und seinen Bedürfnissen; er kennt uns mit Namen und weiß, was wir brauchen. „Ich bin bei dir, fürchte dich nicht!"
So wollen wir denn, wenn jetzt das Ende der Versammlungen naher rückt, in diesen letzten Tagen recht stramm an unseren Heiland uns halten und auf sein Wort uns stützen, um niemand zu sehen als Jesum allein.