Schriften von Otto Stockmayer
Mt 6,16-34 - Euer himmlischer Vater weißMt 6,16-34 - Euer himmlischer Vater weiß
„Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer sehen wie die Heiden...." Eine wörtliche, buchstäbliche Anwendung auf unser Leben und auf unsere Verhältnisse haben diese Worte wohl nicht. Es wird sich niemand unter uns versucht fühlen, zu fasten, um die Augen anderer auf sich zu ziehen. Vielmehr verbirgt man sich vor anderen, als daß man sich vor ihnen bloßlegt. Der Herr muß uns leiten in einen mit Christo in Gott verborgenen Wandel —> er muß uns zeigen, was und wieviel wir anderen mitteilen können. Es muß jedes Kind Gottes seine eigene Privathaushaltung und Abrechnung mit seinem Gott haben, in die niemand anders hineinsieht und wo niemand anders durchsieht; aber wir können immer wieder von anderen lernen — auch für unser Gebetsleben, und wo wir uns in irgendeiner Form ein Fasten auferlegen — eine Zeit des Alleinseins und besonderer Stille mit Gott, da muß es unter seiner Leitung sein, sonst kommt nichts dabei heraus und bringt keinen Segen. Ein mit Christo in Gott verborgenes Leben bringt früher oder später Segen auch nach außen hin.
Der zweite Abschnitt — Vers 19 bis 24 — hat das Schätzesammeln zum Gegenstand. „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und die Diebe nachgraben und sie stehlen...." In bezug auf Vers 22: „Das Auge ist des Leibes Licht. Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein" — ist das einfältige Auge gemeint, das die Sachen klar sieht, so wie sie sind — nicht doppelt und verkehrt —, dadurch wird dann der ganze Leib und das ganze Lebensgebiet erleuchtet von innen heraus. Man kann darunter auch das Gewissen verstehen, das vom Geiste Gottes erleuchtet ist und das dann Licht wirst aus alle Beziehungen des Lebens — Arbeit und Ruhen — Reden und Schweigen —, auf unsere Beziehungen zu den Nahen und Fernen. Es ist damit gemeint: ein klares, Helles Auge, in dem der Himmel sich spiegelt, ein Herz, das Gottes Geist erleuchten und leiten kann. Dazu gehört wesentlich, daß man sich nicht Schätze sammelt auf Erden, sondern Schätze im Himmel. „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zufallen." Nun haben ja Angestellte in der Regel ihre Alterspensionen, und ich denke, es wird das Wort Gottes da wohl kaum etwas dagegen haben, wenn die heute gutgestellten, gutbezahlten Angestellten etwas fürs Alter zurücklegen; es ist das eine einfache Vorsorge für den Herbst, die jeder trifft. So ist es auch natürlich, daß im Lebensherbst der eine und andere dafür sorgt, daß er noch für die Abendstunden das Nötige hat, wenn der Herr ihm dafür Raum macht. Man darf da natürlich nicht leichtsinnig sein, aber andererseits sich auch nicht der Sorge hingeben, wenn der Herr nicht Raum macht. Er sorgt für uns und kleidet uns. Da gilt es haushälterisch und vorsichtig mit allem umzugehen, aber nicht ängstlich sein — aber treu. Beides muß sich gegenseitig ergänzen. Der Schatz aber ist im Himmel; und wenn man alles von diesem Standpunkt aus ansieht und beurteilt, so gibt das ein einfältiges Her; und ein einfältiges Auge. Das wirft Licht auf alle Verhältnisse.
Zwei Herren dienen ist noch niemand gelungen. — Dient jemand dem einen, so muß er den anderen unberücksichtigt lassen. „Entweder er wird den einen Haffen und den anderen lieben; oder er wird dem einen anhangen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon." Hassen heißt unberücksichtigt lassen. Wie ihr nicht zwei Herren dienen könnt, so könnt ihr auch nicht Gott dienen und dem Mammon. „Sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motten noch Rosi sie fressen", und dann vertraut dem Herrn, daß er euch im irdischen Leben das Nötige gibt, wenn ihr nicht leichtsinnig durchs Leben gegangen seid.
Vers 25—33 kommt nun das dritte. Die einen wollen reich werden, die anderen werden vom Sorgengeift gequält. „Darum sage ich euch" — es gehört mit dem Vorangehenden organisch zusammen. „Darum sage ich euch: Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet — auch nicht für euren Leib, was ihr anziehen werdet...." Hat euch der Herr einen Leib geschenkt — hat er euch ins Dasein gerufen — hat er euch gesund erhalten oder trägt er euch durch alles hindurch oder gibt er euch bei aller Schwachheit noch die Fähigkeit, an irgendeinem Orte oder in irgendeiner Weise zu dienen, so laßt euch genügen. Dann dürft ihr versichert sein, daß er euch weiter helfen wird. „Sehet einmal die Vögel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater nähret sie doch ...." Sie finden immer wieder einen Zweig, wo sie ihr Nest bauen können; sie finden immer wieder Samen, Nahrung für ihre Jungen und für sich selbst — und wenn der Herr so für die Vögel sorgt, wieviel mehr wird er es für euch tun! „Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?" O, daß wir doch die Natur — auch die Tierwelt — immer mit den Augen der Heiligen Schrift ansehen und daraus die Fürsorge für alles Geschaffene lesen und dann den Schluß daraus ziehen wollten, daß er auch die Krone der Schöpfung nicht an unerträgliche Verhältniße dahingeben wird!
„Wer ist unter euch, der seiner Gestalt eine Elle zusetzen möge, ob er schon darum sorgt?" Wir können weder unser Leben noch unsere Statur verlängern — warum wollen wir dann für die Kleidung sorgen? Solange der Herr uns das Leben schenkt, hat er auch Nahrung und Kleidung für uns. Laßt einmal euren Blick über die Schöpfung schweifen, und betrachtet die Lilien des Feldes, die niemand gesät hat. Von Gott gepflanzt, wachsen sie mit dem Getreide; kein Mensch hat den Samen ausgestreut, und sie selbst arbeiten und spinnen nicht, und doch haben sie eine wunderbare Herrlichkeit. Wie herrlich ist eine Lilie, diese prachtvolle Erscheinung der Reinheit und Lauterkeit. „Sie arbeitet nicht und spinnt nicht." Wir sollen arbeiten, uns aber nicht abarbeiten im Sorgengeist. Wir sollen alles erwarten von unserem Gott, unabhängig von der Arbeit, aber wir müssen treu sein in der Arbeit, die unser Gott uns anvertraut hat, und müssen ihm damit dienen. „Ich sage euch, daß auch Salomo in all seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist, als derselben eine." Aller Reichtum und alle Herrlichkeit, zu denen ein Mensch gelangen kann, sind gering im Vergleich zu der Herrlichkeit, die Gott in der Natur niedergelegt hat in seiner Macht und Freundlichkeit.
„Wenn nun Gott das Gras auf dem Felde also kleidet, das doch heute stehet und morgen in den Ofen geworfen wird, wieviel mehr wird er das euch tun, o ihr Kleingläubigen." Es ist ja kaum der Mühe wert, es für eine so kurze Spanne Zeit also zu kleiden, und doch tut er es. „Wird er es nicht viel mehr euch tun.... Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen ...." Wir sehen nicht mehr durch. Vielleicht geht es jetzt noch ein paar Wochen oder Monate oder auch ein Jahr, und was dann? Was dann? Sind dann die Vorratskammern unseres Gottes erschöpft? Ist dann seine Treue geschwunden? Ist er irgendwie in Verlegenheit, uns auf andere Weise durchzubringen, als wir bisher gewohnt waren? Wunderbar und seltsam zugleich, daß der Mensch so große Mühe hat, sich seinem Gott anzuvertrauen! Ja, noch einmal — treu sein, treu mit allem haushalten, aber dann auch gewiß sein, daß der Herr ebenfalls treu sein und für uns sorgen wird!
„Nach diesem allen trachten die Heiden." Sie haben keinen lebendigen Gott und können daher nicht wissen, wie es gehen wird — aber ihr habt einen Vater droben im Himmel, und ein Vater sorgt für seine Kinder — und was je von Vaterliebe und Vatertreue in einem Menschen gewesen ist, ist nur ein schwaches Abbild von der Fürsorge und Treue Gottes. Gute und Böse werden von Gott getragen, geduldet und gepflegt. „Euer Vater weiß, was ihr bedürft," und sobald ein rechter Vater irgendeinem Bedürfnis in seiner Familie auf die Spur kommt, schafft er Abhilfe, anstatt es sich selber wohl sein zu lassen. Das wäre gegen alle Vaterliebe, die Gott in ein Vaterherz niedergelegt hat.
„Darum trachtet vor allem nach dem Reiche Gottes...." Das Reich Gottes, nach dem wir trachten sollen, das ist der Herr. Sein ist das Reich und die Kraft. Trachtet, daß er zu seinem Rechte kommt, auf den Thron kommt und Herrscher wird in unserem Leben, daß wir ein kleines Königreich sind, wo er regiert, ermunternd, aufhaltend — vielleicht auch zerstörend, wo es sein muß. Sein Reich ist ein wohlgeordnetes Reich, wo man oft nicht sehen mag, wie man durchkommen soll, wo man es aber unter allen Umständen seinem Gott recht zu machen sucht. Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist ist da, wo man eö Gott recht machen will, es koste, was es wolle, und es kostet nie mehr als das eigene Leben. Wer es dahingibt, um Gott gerecht zu werden, der findet es doppelt und dreifach wieder. „Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen...." — jetzt gehen die Vorräte aus, wie jener Witwe, die noch einen Rest von Mehl hatte, und die noch einen Kuchen backen wollte für sich und ihren Sohn, um dann zu sterben. „Sorget nicht für den kommenden Tag ...." „Es ist genug, daß jeder Tag seine eigene Plage habe."
Um die eine kostbare Perle zu finden, muß man durchgraben durch alles, was einem den Blick trübt. Wo Gott sagt, man kann nicht, soll der Mensch es nicht versuchen, aber er versucht es immer wieder in seiner Torheit, und dann macht er es keinem recht — weder der Welt noch Gott, er schwebt zwischen Himmel und Erde dahin. Wo Mammonsdienst ist, da ist Sorgengeift. Der euch das Leben geschenkt, wird er euch nicht auch Speise schenken? Der den Leib so wunderbar gebaut hat im Mutterleibe, wird er euch nicht auch Kleidung schenken? Die ganze Natur gibt uns Anschauungsunterricht. Dieses Wort ist an Israel gerichtet. Israel kannte Jehova. Jehova hatte Israel erwählt als sein Bundesvolk, und Israel kann sich auf Jehova verlassen. Das Reich Gottes ist überall, wo Gott herrscht, wo Gott zu seinem Rechte kommt. Das ist Reichsgottesgerechtigkeit — alles andere ist Selbstgerechtigkeit. Wir sollen es Gott recht machen, nicht eine Gerechtigkeit aufrichten, in der wir uns bespiegeln, das ist Heuchelei. Du brauchst nicht zu den Übungen des heutigen Tages auch noch die Sorgen für den morgenden Tag hinzuzunehmen. Lerne du heute deinem Gott vertrauen, dann wird der morgende Tag sich ganz anders gestalten, als du in deiner Bangigkeit gefürchtet hast.