Eins ist Not.
Was von dem Dienst gesagt ist, mit dem Martha ihren Herrn zu ehren suchte, findet seine Anwendung auf allen Dienst, auf alle Arbeit im Weinberg des Herrn, die man im Geist der Martha vollbringt. Der Jünger wie der Sünder hat Mühe, zu erkennen, dass er Gott nur geben kann, was ihm Gott zuerst gegeben, dass er Gott nicht zu bieten wagen darf, was ihm nicht von Gott gekommen. - Der Sünder hat Mühe, zu verstehen, dass aller Kraftaufwand, um die Bande der Sünde zu zerreissen und seinem Gott näherzukommen, Vermessenheit von seiner Seite ist; er begreift nicht, dass er erst dann anfängt, Gott zu ehren, wenn er sich seine bodenlose Verderbtheit, seine Hilflosigkeit und Unfähigkeit, Gott zu gefallen, eingesteht und fernerhin alles von Gottes Gnade und Erbarmen erwartet. - Der Jünger hat Mühe, sich zu den Füssen des Meisters zu setzen, um Ihm in Einfalt und Demut zuzuhören, um zu empfangen, anstatt geben und wirken zu wollen! Man sieht überall um sich her Werke, die zu gründen, Lücken, die auszufüllen, Bedürfnisse, die zu stillen wären. - O so denke doch ja niemand, er ehre Gott oder fördere Gottes Sache, wenn er sich in Aufregung stürzt!
Vielleicht sagst du, die Liebe Jesu Christi treibe dich. Aber was für eine Liebe denn? Du wirst doch nicht denken, den Herrn lieben zu wollen, wie man ein Wesen liebt, dessen Stütze und Versorger man ist? Kann die Liebe zu deinem Gott und Heiland etwas andres sein als die Liebe eines schwachen Kindes, das alles von seinem Vater erwartet?
Oder ist es die Liebe zu den Seelen, die dir keine Ruhe lässt? Aber du bist ja unfähig, eine einzige zu retten, und du weisst recht wohl, dass Jesus die Seelen lieber hat als du, dass Er nichts für sie gespart hat und dass Er heute noch alles tut, was zu ihrer Rettung geschehen kann. Allerdings braucht Er hierzu menschliche Werkzeuge; aber Seine mächtigsten Werkzeuge sind die, die ein Priesterherz haben, die bei Ihm lernen, die Last der Seelen auf sich zu nehmen und bei Ihm niederzulegen. Wenn das Gebet deiner Liebe nicht genügt, wenn du das Bedürfnis empfindest - und du sollst es empfinden, - den Seelen von ihrem Heiland zu reden, deine Kraft und dein Leben für sie darzustrecken, so vergiss nicht, dass der Herr nur Maria-Seelen das Vorrecht anvertraut, Seine Zeugen zu sein. Du musst erst still „sitzen zu Seinen Füssen“, damit Er dich bilde und unterweise. Eilst du in Seinen Weinberg, ehe Er dich gerufen und dich zubereitet hat, so kannst du sicher sein, Schaden anzurichten.
Oder wolltest du gar sagen, „der Eifer um Sein Haus verzehre dich?“ - Hat Er denn auch schon deinen Stolz und Hochmut verzehrt, deine Eigenliebe und Eitelkeit, deine Trägheit und Feigheit, deine Aufregung und Ungeduld? Überwinde dich doch erst und habe die Kraft, „stillzuhalten“, bis der Meister dich ruft! Er lässt dich gewiss nicht zu lange warten. Und sollte es Ihm gefallen, dreissig Jahre auf deine Zubereitung zu verwenden, so könntest du nachher um so sicherer sein, in drei Jahren mehr zu wirken, als es sonst in der ausgedehntesten Laufbahn geschehen wäre. Wolle doch niemand Frucht bringen vor der Zeit! Es wären sicherlich unreife Früchte und zur Unehre des Meisters, dem man zu dienen wähnt.