Samuel aber richtete Israel sein Leben lang und zog jährlich umher zu Beth-El und Gilgal und Mizpa.
Es ist tief bedeutungsvoll, dass das Richten Samuels nach dem herrlichen Siege noch keinen Abschluss fand. Er richtete Israel alle Tage seines Lebens. Alle Tage gibt es etwas zu richten, alle Tage wollte das Unkraut aufschiessen oder Wurzel fassen; alle Tage setzte sich neuer Staub an; allezeit gab es Brüder oder Schwestern, die nicht mehr auskamen, während über dem gemeinsamen Feinde die persönlichen Feindschaften vergessen worden waren. Nun man Frieden mit den Philistern hatte, erhoben sich andre Schwierigkeiten, in den Haushaltungen, zwischen Nachbarn u.s.w. O wie Not tut es, dass wir wachen, wenn wir gereinigt worden sind, damit sich nicht wieder Staub ansetzt im Dienste des Herrn! Auf einmal kann ganz unerwartet ein Missverständnis auftauchen. Es herrscht nicht mehr die frühere Geduld und Verträglichkeit, wir stehen nicht mehr über den Dingen des Alltagslebens, und zwar einfach, weil man nicht unter dem Richterstuhl geblieben ist. Der Richterstuhl ist das Wort Gottes; es ist ein Richter der Absichten und Hintergedanken des Herzens. Es gibt Dinge, deren sich der Mensch, der nicht unter dem Wort Gottes, sondern unter Menschenwort steht, gar nicht bewusst ist. Alle Tage wird Gericht gehalten, und es gilt in Friedenszeiten nie auf Lorbeeren auszuruhen. Die Friedenszeit unter Salomo nach der Kriegszeit unter David hatte ihre grossen Gefahren. Es war zu viel Herrlichkeit da, und der Herr muss uns Herrlichkeit mit viel Vorsicht zumessen, damit wir sie ertragen können. Wir können andern nur zur Orientierung dienen, wenn wir selbst als Gerichtete dastehen, die nichts Gutes in sich suchen, sondern vor dem Herrn wandeln. Jeder Tag hat seine eigene Plage und Physiognomie. An jedem neuen Tag sollen wir uns darum in neuer Weise unters Wort beugen, das richtende Wort, das dadurch zugleich der Leitstern auf unserm Wege wird. Soweit wir uns vom Wort durchrichten lassen, erleuchtet es unsre Herzen, unsre Häuser und alle unsre Bewegungen. Auf diese Weise werden wir Lichtkinder, während wir sonst leicht Stickluft um uns verbreiten, so dass die Leute nicht mehr atmen können in unsrer Nähe.
Jahr für Jahr zog Samuel umher nach Bethel, Gilgal und Mizpa. Das waren geweihte Stätten. In Bethel war Gott dem Jakob erschienen, als er vor seinem Bruder floh; zu Gilgal war die Schmach, die Schande Ägyptens, von Israel weggewandt worden. Dort hatten sich alle Gott geweiht, und die Stätte war ein guter Boden, wo das Volk durch das Gericht der Beschneidung gegangen, ehe Gott es als Sein Volk annehmen konnte, und wo eine Grenze aufgerichtet wurde zwischen ihm und Ägypten. Israel konnte nur als ein Gott geweihtes Volk wandeln, wenn Gott als Führer vor ihm herging und die Riesenstädte unter seine Füsse beugte. Bethel, Gilgal, Mizpa waren Mittelpunkte, und jede von ihnen hatte ihre eigene Gestalt, ihren Charakter. Grossstädte sind einander nicht gleich, es konzentriert sich da der Geist eines Stammes, eines Volkes.