Otto Stockmayer
Schriften von Otto Stockmayer
Mt 25,1-31 - Wachet auf, ruft uns die StimmeMt 25,1-31 - Wachet auf, ruft uns die Stimme
Bei den Gleichnissen, die unser Herr und Meister uns in den Evangelien gegeben hat, dürfen wir nie aus den Augen verlieren, daß in einem solchen Gleichnis auch Züge sind, die sich nicht auf die Vergleichung beziehen, und wir müssen da vor allem ins Auge fassen, um was es sich bei unserem Herrn im betreffenden Gleichnis handelt. Der Grundgedanke beim Gleichnis von den törichten und klugen Jungfrauen ist offenbar: die klugen Jungfrauen hatten Öl in ihren Gefäßen mitgebracht, so daß sie nachfüllen konnten — die törichten hatten nur so viel Öl, als in ihren Lampen war, und das ging bald zu Ende. Ich denke, damit will uns der Herr wohl sagen, daß es hauptsächlich darauf ankommt, daß wir mit ihm in Verbindung sind — also mit der Quelle. Die Quelle fließt fortwährend. Unser Vorrat ist bald erschöpft. Mit unserer Frömmigkeit — Glaube, Liebe und Hoffnung — mit dem, was der Herr in uns geweckt hat, ist es bald aus in den Erfahrungen des Lebens, wenn wir nicht mit der Quelle in Verbindung stehen. Ist man mit der Quelle in Verbindung, so kann man immer nachschöpfen und der Vorrat geht nie aus. Der Geist Gottes hat unergründliche Tiefen. Wenn wir Geifteskinder sind und im Geiste wandeln, so bleiben wir durch den Geist immer in Verbindung mit der Quelle — mit dem Herrn Jesus Christus, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Darin liegt alles, was wir brauchen bis hinein in die Herrlichkeit. Wir können einander wohl Handreichung tun, aber Geistesmitteilung können wir einander nicht geben — da muß jeder von uns an die Quelle gehen und selbst schöpfen. „Aus seiner Fülle haben wir alle geschöpft Gnade um Gnade." „Die Jungfrauen schlafen alle ein" — das heißt — die Erwartung des Herrn trat bei ihnen in den Hintergrund. Sie schliefen ein, ohne daß sie damit aufhörten, Geisteskinder zu sein — auch wenn das Kommen des Herrn momentan in den Hintergrund trat. Sie waren mit der Quelle in Verbindung, und da mag der Herr noch so lang mit dem Kommen verziehen. Sind wir in Verbindung mit ihm, so reifen wir auch durch das Warten auf die Zukunft des Herrn. Der Unterschied zwischen den törichten und den klugen Jungfrauen tritt zu Tage in dem Augenblick, wo der Bräutigam erscheint, — im Augenblick, wo der Ruf ertönt: „Gehet aus ihm entgegen!" Da merkten die törichten Jungfrauen bald, daß sie nicht mit dem Öl in ihren Lampen auskamen. Ihre Lampen erloschen. Es kommt da zum Abschluß, was jeder von Geistesleben in sich trägt. Da kann man nicht nachhelfen. „Geht zu den Krämern" — geht zu euren Gott und kauft — aber es war zu spät dazu. Sie hatten die Zeit versäumt, in wahres Geistesleben einzugehen — in Geistesleben und Geisteskräfte, die sie durch alles hindurchgetragen hätten. Nun kommt die Hochzeit, und es wird alles hineingerufen, was bereit ist, und dann wird abgeschloffen. „Die Tür ward verschlossen." Die törichten Jungfrauen kommen nach und klopfen und rufen: „Herr, Herr, tu uns auf!" Er aber antwortete und sprach: „Wahrlich, ich kenne euch nicht." Es hat sich nie ein Band geknüpft zwischen diesen Jungfrauen und dem Herrn. Sir waren noch gebunden an die Sichtbarkeit, und da wird man nicht plötzlich herausgehoben, wenn man sich im Leben nicht hat lösen lassen von aller Macht der Sichtbarkeit — von allem, was das Leben Aufregendes mit sich bringt. Es muß das alles verarbeitet und überwunden werden bei denen, die als Tempel des Heiligen Geistes durch den Geist alles Lähmende, Hemmende, Schwächende in den Erfahrungen deö Lebens überwinden können, und anstatt überwunden zu werden, durch alles hindurch dem Herrn nur immer näher kommen. Gerade, damit wir nicht stehen bleiben bei dem, was wir haben, sendet der Herr solche Dinge, damit wir durch sie tiefer eindringen in die Lebensgemeinschaft mit ihm und dadurch Überwinder werden; denn er vergißt unser nie. Er vergißt nie unser jeweiliges, geistliches Alter, noch wie weit er zur Zeit mit uns gehen kann. Er ist sicher darin, daß er uns weder überschätzt noch unterschätzt, sondern macht, daß wir immer mehr reifen, und daß unser Bewußtsein sich immer tiefer einsenke in den heimatlichen Boden der Ewigkeit. — Vers 14: „Gleichwie ein Mensch über Land zog, rief seinen Knechten und tat ihnen seine Güter aus. Und einem gab er fünf Zentner, dem andern zwei, den dritten einen, einem jeden nach seinem Vermögen und zog bald hinweg . . ." Vers 20: „Da trat hinzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte andere fünf Zentner dar und sprach: Herr, du haft mir fünf Zentner getan; siehe da, ich habe damit andere fünf Zentner gewonnen. Da sprach sein Herr zu ihm: Ei, du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen; ich will dich über viel setzen — gehe ein zu deines Herrn Freude." Was uns der Herr auch an Erfahrungen, an innerer Ausrüstung, an Erkenntnis, an Licht über das Wort Gottes gegeben hat — was wir haben, ist immer verhältnismäßig wenig, und es kommt alles darauf an, daß wir e§ treu verwalten für den Herrn, damit unser Leben etwas abwerfe für ihn, daß das Licht, das er in uns angezündet hat, anderen leuchte und ihnen zurechthelfe — denn ein Licht kann nicht verborgen bleiben. „Man stellt es auf den Leuchter, damit es leuchte allen, die im Hause sind." Unser Leben ist ein Leuchter — da kommt es darauf an, daß in unserem Leben ein Licht brenne. Wir dürfen da aber nicht Menschengunst ins Auge fasten, sondern nur das eine, daß wir dem Herrn Frucht bringen in dem Rahmen, in den er uns gestellt hat — daß unser Leben Lichtstrahlen hinauswerfe in eine dunkle Welt und in eine dunkle Zeit. Auch dem, der zwei Talente hat und seinem Herrn zwei weitere Talente einbringt, sagt letzterer: „Du bist über wenigem getreu gewesen; ich will dich über viel setzen — gehe ein zu deines Herrn Freude." Wie herrlich ist es, zu wissen — auch wenn wir das reichste Leben hätten, es ist nur ein Vorschmack von dem, was unser in der oberen Welt wartet. „Ich will dich über viel setzen." Vers 24: „Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wußte, daß du ein harter Mann bist; du schneidest, wo du nicht gesäet hast, und sammelst, wo du nicht gestreuet hast — und fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner . . ." Es ist doch unverschämt von einem Knecht, mit einem Vorwurf vor seinen Herrn zu treten — aber noch viel schmählicher ist es, wenn wir unserm Herrn Vorwürfe machen, als sei er schuld daran, wenn unser Leben ihm keine Frucht bringt. „Ich fürchtete mich", sagt der böse Knecht, Das war Knechtefurcht — nicht Kindessinn. „Da haft du, was dein ist." Dazu brauchte der Herr keinen Knecht, daß ihm dieser sein Geld verwahre. Dazu hat man Banken. „Der Herr antwortete ihm: Du Schalksknecht — du fauler Knecht — wußtest du . . ." Mit seinen eigenen Worten wird er verdammt. Stand ich vor dir als ein harter, ungerechter Mann, sagt er gleichsam, so hättest du umsomehr alles aufbieten sollen, um meinen Forderungen gerecht zu werden, der du gar nicht das Recht und die Stellung hast, über deinen Herrn zu richten. Du bist mein Knecht — mein Sklave —, mit dem ich machen kann, was ich will. Knechte kann man nicht in die Finsternis hinauswerfen — das tut man mit Sklaven. „Wer da hat, dem wird gegeben, daß er Überfluß habe — wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, das er hat." Der, der nichts gewonnen hat mit dem, das er hatte, dem wird schließlich sogar die Möglichkeit genommen, etwas zu gewinnen. „Und den unnützen Knecht werfet hinaus ... wo wird sein Heulen und Zähneklappern." Man braucht also kein besonderes Lasterleben zu führen, um in diese äußerste Finsternis hinausgeworfen zu werden. Es genügt, daß man kein Geistesleben hat, und sich nie gebeugt hat unter die Gnade.