Schriften von Otto Stockmayer
Mt 5,17-32 - Nicht aufzulösen, sondern zu erfüllenMt 5,17-32 - Nicht aufzulösen, sondern zu erfüllen
„Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten auszulösen — ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen." Da möchte ich nun daran erinnern, daß durch das ganze Gesetz Mose und auch später durch die Propheten hindurch eine große Weissagung sich hinzieht, und das ist die Weissagung vom Lamme Gottes — eine Weissagung, die Johannes der Täufer beim Abschluß des alten Bundes noch einmal ausgenommen, indem er Jesus einführte als das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt. Alle die tausende und abertausende von Lämmern, die an Ostern geschlachtet wurden, waren nur eine Weissagung auf das Opferlamm, das im Laufe der Zeiten unsere Sünden ans Kreuz hinaufnehmen sollte, um sie dort für immer zu tilgen. Das ist vollbracht. Damit sind Gesetz und Weissagung erfüllt, und damit treten wir Kinder Gottes unter ein neues Gesetz, unter die Macht der Gnade, die in uns wirkt, was im alten Bunde das Gesetz vergeblich von uns gefordert hat. Zuerst mußte Jesus das Gesetz erfüllen, um uns seinen Geist zu geben, damit durch seinen Geist alles in uns erfüllt würde, was geschrieben steht, und auch wir erfüllte Gottesworte würden, während der Herr Jesus das ganze fleischgewordene Wort Gottes war. „Wer mich siehet, der siehet den Vater", konnte er sagen. Wir vertreten nur Strahlen der göttlichen Gnade. Wohl uns, wenn wir es treu und ausharrend tun! „Bis daß Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Titel noch ein Buchstabe vom Gesetz, bis daß es alles geschehe." So soll also auch unser Leben eine vollkommene Darstellung des Willens Gottes sein, das Strahlen göttlicher Herrlichkeit hineinsendet in unsere Umgebung, in die Welt, vor allem aber in die Gemeinde. „Wo jemand dieser kleinsten Gebote eines auflöst und die Leute also lehret, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich," — „wer aber tut und lehret" — wohl zu beachten die Aufeinanderfolge! — wer zuerst selbst tut, selbst durch den Geist die kleinsten Gebote des Willens Gottes erfüllt — der wird groß heißen ..." Erft wenn das Licht in uns Gestalt gewonnen und unser Leben durchleuchtet hat, erst wenn es unseren Charakter umbildet und unser Tun und Lasten gefangennimmt unter den Gehorsam des Kreuzes, — erst dann könen wir auch mit Macht und Autorität lehren. Wir tun, was wir lehren. „Wer tut und lehret, der wird groß heißen im Himmelreich." — Wo aber jemand ftehenbleibt bei dem, was die Schriftgelehrten fordern, — westen Gerechtigkeit nicht weit über diese Welt hinausgeht, — der wird nimmermehr eingehen in das Himmelreich. Dieses Himmelreich ist also Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist. Zuerst Gerechtigkeit aus Gnaden, — zuerst aus Gnaden ein Kind Gottes geworden, — zuerst in die Kindschaft eintreten — und dann die Heiligung, — ein Leben, das Gott geweiht ist, und in dem Gerechtigkeit, Friede nud Freude sich Tag für Tag erneuern, — sei es, dasi die Sonne leuchtet oder, daß der Tag trübe ist. Überall und allewege heißt es, die Gebote Gottes erfüllen und in den Linien und in der Nachfolge Jesu Christi wandeln. „Ich habe euch ein Beispiel hinterlassen, daß ihr sollt nachfolgen meinen Fußstapfen." Das war das erste — und das zweite: Ich habe euch durch meinen Tod erlöst von euren Sünden, von der Knechtschaft eurer Eigenart, eurer Natur, eurer Temperamentsünde. Von allem, was nicht mit meinem Willen stimmt, hat euch mein Tod erlöst — und durch meinen Geist gebe ich euch Macht zu wandeln, wie ich gewandelt habe auf Erden, — ein Leben zu führen in Gerechtigkeit, Friede und Freude, und zwar durch alles hindurch. Dann kommt der weitere Abschnitt von Vers 21 bis 26, bei dem wir noch einen Augenblick stehen bleiben wollen. „Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht töten, wer aber tötet, der wird dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnet, der wird dem Gericht verfallen sein.... wer aber sagt: Du Narr, der ist des höllischen Feuers schuldig." Das ist das Gesetz Mose, verschärft durch den Herrn Jesus, der das ganze Gesetz erfüllt hat, der uns gefangennimmt in den Gehorsam des Kreuzes und der Wahrheit, und der allen seinen Geist gibt, durch den man das ganze Wort erfüllen kann. „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den heiligen Geist", und sie macht es uns zur Freude und zum inneren Bedürfnis zu wandeln, wie er gewandelt hat, in seinen Fußftapfen zu wandeln und in der Kraft des heiligen Geistes zu überwinden, wie er überwunden hat. Und da nimmt es der Herr sehr genau. „Wenn du nun deine Gabe auf dem Altar opferst und wirst allda eingedenk, daß dein Bruder etwas wider dich habe, so laß allda vor dem Altar deine Gabe und geh hin und versöhne dich mit deinem Bruder und dann komm und opfere deine Gabe." Damit daß wir uns auf den Weg machen, Gott eine Opfergabe darzubringen, machen wir dem Geiste Gottes Raum, mit uns ins Gericht zu gehen, ehe wir das Opfer auf den Altar niederlegen. „Laß deine Gabe vor dem Altar und gehe hin ...." Wenn wir unser Leben nicht vorher ordnen nach Gottes Willen, ist ihm eine Opfergabe unserseits nicht angenehm. Er will den ganzen Menschen haben, unser Herz, unseren Willen, unsere Lebensbeziehungen, häuslichen Pflichten in Besitz nehmen. Es muß alles, was die Sünde dem Herrn gestohlen, in den Dienst der Eitelkeit gezogen hat, zurückgebracht werden in den Dienst Gottes und in die Linien seines heiligen Willens. Und da geht Gott allmählich vor. Da kann ihm oft mehr daran liegen, daß wir zuerst unser Leben in Ordnung bringen, als daß wir ihm Opfer darbringen. Ist einmal alles göttlich geregelt, dann kann er unsere Anbetung, unser Opfer annehmen als im Geist und in der Wahrheit dargebracht. „Laß deine Gabe...." Dazu gehört eine tiefe Aufrichtigkeit, ein völliges Absehen von dem, was Menschen denken oder sagen können. Wer seine Sachen mit Gott in Ordnung bringen will, tut es um jeden Preis, ob andere ihn verstehen oder nicht. Wenn uns nur unser Gott versteht, — mit den anderen wird er es dann schon in Ordnung bringen. Und nun noch Vers 25 und 26: „Sei deinem Widersacher willfährig bald, dieweil du noch bei ihm auf dem Wege bist, auf daß dich nicht dein Widersacher überantworte dem Richter und du werdest in das Gefängnis geworfen." Wie manches Kind Gottes ist im Gefängnis, in Gebundenheit, und da kann somit der verborgene Grund darin liegen, daß man nicht in der richtigen Beziehung steht zum Nächsten, zu den Mitverbundenen. „Solange du mit ihm auf dem Wege bist...und du etwa selbst ins Gefängnis wandern mußt, weil du deinem Bruder nicht gerecht geworden bist. Dann geht es nach dem Gesetz: „Ich sage dir, du kommst nicht von dannen heraus, bis du den letzten Heller bezahlt hast." Das sind nun freilich schwierige Fragen. Im Gefängnis — Gebundenheit — die Bilder können natürlich nicht gepreßt werden. Die Gebundenheit wird gerade dadurch gelöst, — das Gefängnis wendet sich, — es gibt frische Luft, freie Bewegung, — die Gebete steigen frei empor, sobald wir hienieden alles in Ordnung gebracht haben und anderen nicht mehr fordernd gegenübertreten, sondern vergebend und lösend. „Vergib uns ...., wie wir vergeben haben ...."