Otto Stockmayer
Schriften von Otto Stockmayer
Mt 5 - „Der Heiland lehrt vom Berge"Mt 5 - „Der Heiland lehrt vom Berge"
Im letzte»» Verse des vorhergehenden Kapitels lese»» wir: „Es folgte ihm viel Volks nach...." und das 5. Kapitel fängt an »nit den Worten: „Da er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Und er lehrte sie und sprach..“ Diese sogenannte Bergpredigt, die uns — Gott sei Dank — so wohl bekannt ist, war zunächst an die Jünger gerichtet, und dann scheint es, daß sich je länger je mehr eine große Volksmenge zu den Jüngern scharte. Wir lesen am Schluß der Bergpredigt in Kapitel 7, 28: „Und es begab sich, als Jesus diese Worte geredet hatte, entsetzte sich das Volk über seine Lehre, denn er redete gewaltig und nicht wie die Schriftgelehrten ...Und 8, 1: „Es folgte ihm viel Volks nach ...." Man kann ja auch die Kreise nicht von einander trennen. Das heißt, es gibt ja gewiß — es soll und wird immer Jünger geben, die ungeteilt dem Herrn nachfolgen, wohin er geht. Aber dahin kommt es nicht immer gleich am ersten Tage. Manchmal kann man eine Rede nicht gleich annehmen — sie dünkt einem zuerst zu hart — da wartet dann der Herr und läßt später wieder eine Stunde kommen, wo er abermals ruft. Wie wichtig ist es, daß wir als wahre Jünger und Jüngerinnen dem Herrn Raum machen! Seit dem Pfingstfeste sind wir ja auch als seine Kinder in einer anderen Stellung ihm und seinem Worte gegenüber, und es kommt alles darauf an, daß Gottes Worte sich tiefer einsenken in Mark und Bein, in unser innerstes Wesen, und von dort aus alle Gebiete beherrschen — unser Berufs-, Familien-, Gemeindeleben. Es kommt darauf an, daß alles in die Jüngerschaft — das heißt — in die Nachfolge des Herrn hineingestellt werde, daß wir in der Nachfolge des Lammes Lämmer werden, wir, die wir von Natur Löwen sind, die sich immer Recht verschaffen wollen und andere kratzen, die nun aber — vom Herrn überwunden — in seiner Nachfolge lernen, evangelisch zu denken und evangelisch zu wandeln. „Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr." Wenn wir arm geworden sind in uns selbst, öffnet sich uns der Weg für das Reich der Himmel. Wir haben dann ein offenes Herz für das Wort Gottes — und wenn das bei dem einen oder andern von uns nicht so sein sollte — so gehe er zum Herrn und laste sich von ihm sagen, was bei ihm die Zirkulation des Wortes hemmt, und warum bei ihm das Wort nicht alles beherrschen kann. Und er redet so gerne zu denen, die ihm näher kommen wollen und die in die selige Freiheit der Kinder Gottes eingehen wollen. „Selig sind die Trauernden, denn sie sollen getröstet werden." Hinter aller Trauer und allem Schmerz, den das Familien-, Gesellschafts- und Gemeindeleben mit sich bringen, ist großer Trost. Durch Läuterung hindurch öffnet der Herr unser Herz für himmlischen Trost. Das geht durch Traurigkeit hindurch. „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen." Sie haben nicht gewalttätig ein Stück Erde an sich gerissen, wollen nicht gewalttätig am väterlichen Erbe fefthalten — an allem, was ihnen eigentlich zukäme. Sie haben sich Übervorteilen lasten, anstatt andere vor Gericht zu ziehen. Das sind die Sanftmütigen, die die Erde preisgeben; gerade sie werden dann die Erde erben und auf der neuen Erde mit dem Herrn herrschen — auf der neuen Erde, wo Gerechtigkeit, Friede und Freude herrschen wid. „Selig sind die, die nach Gerechtigkeit hungert und dürstet, denn sie werden satt werden." Selig sind die, die nicht stehen bleiben bei der Klage über die Ungerechtigkeit derer, unter denen sie leiden, sondern die vielmehr über aller Ungerechtigkeit den Herrn einen immer tieferen Hunger in ihrem Geiste wirken lasten, so daß es sie nur noch nach dem einen hungert und dürftet — es ihrem Gott recht zu machen. Das liegt in dem Hungern und Dürsten, von dem hier die Rede ist. Man sagt sich da: „Und wenn ich es keinem Menschen recht machen kann, so will ich es doch meinem Gott recht machen." Zuerst haben sie den vollen Segen der Vergebung der Sünden, und dann werden sie in die Nachfolge Jesu hineingestellt und in der Nachfolge Jesu bewahrt, wo sie je länger je mehr dem Bilde des Meisters gleichgeftaltet werden. Im Bilde Jesu ist Sättigung, und zwar eine Sättigung, die nicht hochmütig macht — wo man nicht auf andere herabsieht oder sich gar dessen brüstet, man folge dem Meister treuer nach als der Bruder oder die Schwester. Die wahre Gerechtigkeit ist mit Liebe verbunden und mit Barmherzigkeit. „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen." Und wie sehr wir von feiten Gottes der Barmherzigkeit bedürfen, merken wir allmählich, beten ihn dafür an und lernen geduldig und barmherzig sein allen gegenüber — den Nahen und den Fernen. Und dann: „Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen." Reines Herzens — gereinigt und gelöst von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes — von geschlechtlicher Befleckung, Selbstbefleckung, von Befleckung in der Phantasie- und Gedankenwelt oder im Herzen — gereinigt durch das Blut des Lammes, das wahrhaft rein macht. „Sie werden Gott schauen." Mit dem Blute gedeckt und mit Blut gereinigt, dürfen sie mit ihm wandeln, im Geiste sein Angesicht leuchten sehen — jetzt im Geiste, und wenn er dereinst kommt, sehen wir es mit leiblichen Augen. „Selig seid ihr, wenn sie euch um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles wider euch, so sie daran lügen." Vor allem kommt es also immer wieder darauf an, daß die, die uns unfreundlich gegenüber stehen, keinen Vorwand für eine solche Stellung finden — daß in unserem Gang, unserer Gesinnung, unserem Charakter nichts wirklich Anlaß gebe, unfreundlich oder gar feindselig uns gegenüber zu sein. „Jetzt geht das Gericht über die Welt," sagt Jesus, und wo wirkliche Nachfolger Jesu sind, geht das Gericht über die Welt. Da wird die Welt gestraft durch den Charakter der Jünger Jesu, die mit ihrem Wandel Jesu Licht hineinleuchten lassen in eine dunkle Umgebung. Das bringt Leiden mit sich, aber ein fruchtbares Leiden. „Euer Lohn wird groß sein", sagt darum auch der Herr Jesus. „Freuet euch" — anstatt den Kopf hängen zu lasten und zn klagen, „freut euch und frohlocket." „Das Reich Gottes ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist", und das unter allen Verhältnissen; denn — vergeßt nicht — „also haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch gewesen sind." Und soweit ihr etwas von Prophetencharakter habt und den Propheten gleicht, die vor euch gewesen sind, soweit müßt ihr euch auf Verfolgung gefaßt machen. Es ist da eine verborgene Feindschaft, wenn sie auch nicht immer hervortritt. Zu Jesu Zeiten und später nach der Ausgießung des heiligen Geistes gab eö ja eine Zeit, wo das ganze Volk den Jüngern freundlich gesinnt war. Nach Pfingsten heißt es: „Sie hatten Gnade beim ganzen Volk." Das sind aber nur Durchgangszeiten. Es dauert nicht lange. Und nun, in Vers iz bis 16 sind zwei Bilder, die sich einander ergänzen, und die die Aufgabe, den Charakter der Jünger Jesu in dieser Welt charakterisieren. „Ihr seid das Salz der Erde." Diese Erde wäre bereits dem Gericht anheimgefallen, wenn keine Gemeinde da wäre, die für die Verlorenen einsteht. Das ist das Salz der Erde, das die Welt noch vor Verwesung bewahrt. Wenn die Kinder Gottes nicht überall — auch auf den Kriegsschauplätzen — zerstreut wären und nicht ihre Bitten auffteigen ließen zum Gnadenthron, dann wäre längst das Gericht vollzogen worden. „Ihr seid das Salz der Erde", das die Verwesung noch aufhält — aber „wenn das Sal; dumm wird", seine Kraft verliert, „womit soll man salzen?" Da ist keine Hilfe mehr. Aber es verliert seine Kraft nicht, solange der heilige Geist in den Kindern Gottes wohnt. Wenn sie sich auch je und je anklagen müssen, ihn betrübt zu haben, so wollen sie ihn doch um keinen Preis absichtlich oder wissentlich betrüben, und damit bewahren sie ihren Salzcharakter. „Näher, mein Gott, zu dir . . .!" Dadurch, daß sie ihm immer näher treten und über Fleisch, Welt und Sünde siegen, werden sie das Salz der Erde. — Das Salz aber, das dumm wird, das seinen Charakter verliert, ist nur noch dazu gut, hinausgeworfen zu werden auf den Düngerhausen. „Und ihr seid das Licht der Welt. Es wird die Stadt, die auf einem Berge gebaut ist, nicht verborgen bleiben...." Dann muß aber unser Lebe» durchleuchtet, unser Dichten und Trachten, unser ganzes Leben mit Christo in Gott verborgen sei», dann strahlt das Licht hinaus gerade, wenn wir es nicht suchen, sondern einfach unsern Lichtcharakter wahren.