Jesus Christus, gestern, heute und derselbe auch in Ewigkeit (Heb 13,8)
Wenn sich ein Christentum, das sich zwischen Fallen und Aufstehen hin- und her bewegt und bei dem man sich immer wieder überwinden und beflecken lässt, vor der Schrift nicht standhalten kann; wenn es eine Tatsache ist, das Jesus Christus Welt, Sünde und Teufel überwunden hat; wenn wir zu einem Leben steten und völligen Sieges über die Sünde berufen sind und der Herr bereit ist, uns in dieses Leben einzuführen und darin zu bewahren: wie kommt es, dass so wenige Christen darin wandeln?
Vor allem haben wir anzuerkennen, dass der Herr im Laufe der letzten Jahre manchen mit starker Hand aus den Banden der Trägheit und Schläfrigkeit, in der er sich hingeschleppt hatte, herausgerissen hat. Manchmal sind die Ketten gefallen und er hat seine Götzen verbrannt. Mit dem Frieden, der in sein Herz zurückkehrte, hat er auch wieder Kraft bekommen zu freudigem Dienst und Zeugnis. Wo aber der Herr ein Werk angefangen hat, da wird er es auch hinausführen auf den Tag seiner Ankunft. Ihm sei Lob und Anbetung!
Dabei bleibt auch immer noch die Frage: Warum sind ihrer so Wenige, die in ununterbrochener Gemeinschaft mit Gott wandeln, die wissen, was es heißt: In Jesus bleiben? Warum so wenige Überwinder?
Wie mannigfaltig die Ursachen auch sein mögen, so lässt sich doch die Antwort auf diese Frage in dem einen Wort zusammen fassen: „Um ihres Unglaubens willen.“
Der Unglaube ist es, der tausende von Christen hindert, die Gabe Gottes zu ergreifen. Eine Seite im Erlösungswerk Christi haben sie erfasst und sich gläubig angeeignet: sie sind der Vergebung ihrer Sünden und der Gotteskindschaft gewiss; aber die andere Seite ist ihnen noch verdeckt. Sie haben noch nicht erkannt, dass durch Jesu Kreuzestod ihr alter Mensch gekreuzigt, dass ihr Fleisch verurteilt und abgetan, aller und jeder Lebensfähigkeit für immer beraubt ist. Sie haben noch nicht erkannt und können noch nicht glauben, dass sie durch Jesu Opfer wirklich, völlig und für immer von jeder Knechtschaft und Gebundenheit befreit und Gott wieder wahrhaftig geheiligt sind, dass Jesu seine und ihre Feinde überwunden und ihnen alle und jede Macht über die Seinigen genommen hat.
Der Unglaube so vieler Gotteskinder äußerst sich aber nicht nur gegenüber dem Werk, sondern auch gegenüber der Person ihres Erlösers. Sie glauben nicht an die Herrlichkeit und Seligkeit eines Lebens, das man Ihm rückhaltlos und für immer übergeben hat, in dem man Ihn alles sein lässt; sie glauben Ihm nicht, wenn Er seinen Schafen Leben und volles Genüge verspricht. Sie können es nicht fassen, dass es keine größere Gnade und herrlichere Erlösung gebe, als von sich selbst und allem Eigenen los zu sein und mit allen Kräften und Trieben dem Herrn zu leben, dass alles außer Christus, woran unser Herz hängt, nur Schaden und Jammer ist. In dieser Verblendung schonen sie ihr eigenes Leben und nähren ein geheimes Einverständnis mit den Feinden Christi, wenn er diese in ihrem Herzen und Leben bekämpft. Sie sehen nicht ein, dass es lauter Erbarmen und Herablassung von Seiten Gottes ist, wenn er uns einladen lässt (Röm 12,1), Ihm unsere Leiber und damit uns selbst zum Opfer zu bringen.
Der Gedanke einer unbedingten Auslieferung an den Herrn erschreckt sie und es dünkt sie hart, die Zügel ihres Lebens aus den Händen geben zu sollen, über Gaben, Zeit und Geld nicht mehr selber verfügen zu dürfen. Vielfach steckt auch im Herzen noch ein geheimes Misstrauen gegen Gott, als hätte er keinen sicheren Blick, oder keine feste Hand, um die, die sich Ihm anvertrauen, jederzeit und in allen Lagen richtig zu leiten, als wäre Er fähig, willkürliche, phantastische und ungeheuerliche Anforderungen zu stellen und Dinge von uns zu verlangen, die sich vor einem geraden, nüchternen und gesunden Urteil nicht mehr rechtfertigen würden.
Dieser unverantwortliche Unglaube ist der tiefste Grund, warum es bei so wenigen und bei vielen erst so spät zu einer gänzlichen und bleibenden Übergabe an den Herrn kommt und warum dann so wenige die Kräfte des Todes und der Auferstehung Christi in ihrer Fülle an sich erfahren. Wohl ist man bereit seinen Hirten auf grüne Auen und zu frischen Wasser zu folgen; aber man traut Ihm nicht, wenn es sich darum handelt, mit Ihm in die dunklen Täler des Leidens uns Sterbens zu gehen, sei es in den einfachen Vorkommnissen des täglichen Lebens, sei es in tief eingreifenden Heimsuchungen, man kann sich nicht entschließen, Ja und Amen zu sagen zu allem, was Er einem schickt. Wer aber mit dem Herrn nicht in die Schule gehen will, in der er selbst Gehorsam gelernt hat, dem wird der Weg zur wahren Heiligung ewig verschlossen bleiben (Heb 5,8 und 12,10). Solange wir uns vom Herrn nicht in den Schmelztiegel werfen lassen wollen, kann Er uns auch nicht reinigen von den Schlacken unseres eigenen Wesens, von sündlichem Dichten und Trachten; Herz und Phantasie bleiben befleckt. Kann man ohne Leiden nicht ins Reich Gottes eingehen, so gelangt man ohne Leiden nicht zu einem Leben der Gerechtigkeit, des Friedens und der Freude im Heiligen Geist (Apg 14,22 und Röm 14,17).
Ohne Leiden wird die eigene Kraft und das eigene Wesen nicht gebrochen; man kommt nicht zur Erkenntnis seiner Schwäche und Ohnmacht. Wer aber noch in eigener Kraft dasteht, der kann jeden Augenblick fallen. Gegen fallen geschützt ist man nur, wenn man ihm Staube liegt. Auch für seinen Dienst kann der Herr nur die brauchen, die sich im Ofen der Trübsal läutern lassen. Er gebraucht nur gereinigte Gefäße und alle Kinder Levis, alle die Ihm dienen wollen, müssen durchs Feuer (Mal 3,3 und 1Pet 1,7)
Was aber auch die Führungen des Herrn sein mögen, durch die er uns läutert und für seinen Dienst sowohl als auch für die Herrlichkeit zubereitet, sie sind bitter und peinlich, nur solange wir unserem Herrn misstrauisch widerstreben. Wie der Stachel des Todes die Sünde ist, so liegt auch der Stachel der mannigfachen Leiden, die dem Tod voraus gehen, in unserem Trotz und Widerstand. Ist man einmal in die Schule des Herrn eingetreten und hat man sein Joch auf sich genommen, ist erst der letzte Rest von Widerstand gebrochen und jeder Gedanke der Schule zu entlaufen und Christi Joch abzuschütteln, aus dem Herzen geschwunden, so macht man sofort die Erfahrung, dass Christi Joch sanft und seine Last leicht ist. Man kann ihm dann auch für die Demütigungen danken. Wenn wir im Schmelztiegel sind, so genügt es uns zu wissen, dass der Herr Jesus sich neben uns setzt (Mal 3,3), um das Feuer zu überwachen, damit die Hitze auch zu keinem tausendsten Teil den Wärmegrad übersteige, der für das Werk unserer Heiligung erforderlich ist, darum strecke deine Hände aus, mein Bruder und lass dich gürten von deinem Gott (Joh 21,18), lass dir das Letzte, dass dir noch lieb und teuer ist fahren, seien es Erinnerungen und Zukunftsträume; traue der Liebe deines Gottes und es wird nicht solange währen, so wirst du beschämt sein durch die Erfahrung der zarten Schonung und treuen Fürsorge, mit der Er dich umgibt und leitet! Dein Herz wird in seinen Wegen und in seinen Gedanken Erquickung, Ruhe und Sicherheit finden.
Solange dich Unglauben und Misstrauen zurückhalten alles in des Herrn Hände abzugeben und du in dieser schwersten aller Sünde gefangen bist (Joh 16,9), solange ist es dir nicht möglich, von besonderen Sünden bewahrt zu bleiben. Unglaube und Misstrauen sind die Wurzel aller anderen Sünden. Aber auch nachdem du im Vertrauen schon alles dem Herrn ausgeliefert hast, darf es dich nicht verdrießen, wenn du nicht gleich verstehst, dich von Ihn Stunde für Stunde, Augenblick für Augenblick vor Sünde bewahren zu lassen; wundere dich nicht, wenn dir dann auch manchmal der Zugang zu diesem Pfad wie verschlossen scheint oder wenn du wenigsten erst nur schwankenden Fußes darauf zu gehen vermagst! Zulage hast du in dir selbst und für dich selbst gelebt, als dass es dir leicht werden könnte, dich dieser traurigen Welt zu entreißen, deinem eigenen Leben fremd zu werden und mit deinem Glaubensblick so im Herrn gewurzelt zu bleiben, dass keine Sünde mehr in dir aufkommen kann.
Bleibe nur fest, um keinen Preis mehr etwas von dir wissen zu wollen, weigere dich standhaft, mit deiner Vergangenheit und deinem eigenen Leben wieder anzuknüpfen und deine Treue wird reich belohnt werden! Nachdem der Herr deine Aufrichtigkeit und Lauterkeit erprobt hat, wird er unmittelbar und gewaltig ins Mittel treten; Er wird deine Banden lösen und die Macht der Sünde in dir brechen. Er wird dich in eine reinere Luft einführen in der dir der Blick auf Ihn und damit jeder Sieg bedeutend leichter wird. Der Heilige Geist wird dir die Augen öffnen, dass du erkennst, was du für einen Heiland hast, einen Heiland, auf den man sich verlassen kann und dem gegenüber Zweifel und Misstrauen verstummen müssen.
Was den Weg hiezu und namentlich die ersten Schritte auf diesem Weg erschwert, das ist, außer den erwähnten inneren Schwierigkeiten, insbesondere der Tatsache, dass das christliche Leben unter uns im allgemeinen auf einer so niedrigen Stufe steht und was die unmittelbare Folge davon ist, dass wir kein normales und gesundes Christenleben, dass wir keine christliche Familie mehr bilden. Was das Erste betrifft, so wird es auch Aufrichtigen schwer fallen, sich die Vorrechte eines Kindes Gottes in ihrer ganzen Fülle anzueignen. Wie bestimmt die Erklärungen der Heiligen Schrift auch sein mögen, es ist immer schwer, zu erfassen und sich anzueignen, was man von niemanden verwirklicht sieht.
Was das zweite betrifft, so sind wir als Kinder Gottes nicht für ein Pflanzenleben angelegt. Pflanzen finden alles, was sie zu ihrem Wachstum bedürfen, in den Einflüssen der Sonne, der Luft und des Bodens, ohne von einander abhängig zu sein. Kinder Gottes hingegen sind aufeinander angewiesen. Sie bilden einen Leib, eine Familie, in der alles Glieder sich gegenseitig mitteilen, was einem jeden von Haupt her zufließt. Ein Gesetz der Liebe hat bei der Wiederbringung alles Verlorenen gewaltet und dieses Gesetz zeigt sich auch darin, dass wir in Wohl und Schmerz solidarisch miteinander verknüpft sind. Kommt nun das Familienleben, kommt die brüderliche Gemeinschaft zum Ausdruck, findet unter den Gliedern des gleichen Leibes keine fortwährende geistliche Handreichung statt, so werden diesen Mangel besonders diejenigen schmerzlich empfinden, die noch Kinder im Glauben sind. Für sie wäre es wichtig, Väter in Christus zu finden, die ihnen mit ihrer Erfahrung und ihrem Rat zur Seite stehen und ihre ersten Schritte auf dem wunderbarem Pfad des Glaubens leiten würden. Ihnen würden Männer in Christus not tun, in derer Berührung ihr inneres Leben allmählich erstarken könnte.
In so schwierigen Verhältnissen fühlen wir uns doppelt gedrungen den Seelen zuzurufen: Lasset den Mut nicht sinken! Noch schlimmer und bedenklicher als die Sünde selbst wäre Verzagtheit und Entmutigung. Wer von einem Falle nicht gleich wieder aufsteht, der fällt leicht immer tiefer und tiefer. Was der Apostel Johannes in seinem ersten Brief seinen Brüdern schreibt, das schreibt er ihnen, auf dass sie nicht sündigen (1Joh 2,1); aber er setzt alsbald hinzu „und ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher“. So wichtig ist es, dass wir allen Ernst anwenden und entschieden dabei bleiben, dass das Sündigen aufhören muss, so wichtig ist es und soviel liegt Gott daran, dass wir den Mut nicht verlieren, wenn es uns nicht mit einem Male gelingt, aus dem Sündigen nicht völlig heraus zu kommen. Wenn der Herr von uns sündigen Geschöpfen verlangt, wir sollen unseren Brüdern, wenn sie reuig zu uns kommen, nicht siebenmal, sondern siebzig mal sieben mal vergeben sollen. (Mt 18,22), bindet er sich nicht durch dieses Gebot, uns gegenüber das Gleiche zu tun? Nur Pharisäer können anderen Lasten auflegen und selber nicht mit dem kleinen Finger rühren. Ist es nicht lauter Erbarmen, wenn uns unser Gott ein solches Gebot gegeben hat und soll es uns da noch bange werden, wenn wir auch ein siebenmal siebzigstes Mal mit der Bitte um Vergebung zu Ihm kommen müssten?
Um vor Verzagtheit bewahrt zu bleiben, vergiss nicht, dass die Lebensverbindung mit Christus, in die dich die Wiedergeburt eingeführt hat ununterbrochen fortgeht durch alle Wechsel und Trübungen hindurch, die deine Gemeinschaft mit Gott unter dem Einfluss der Sünde erfährt. Jede Untreue betrübt den Heiligen Geist (Eph 4,30); aber auch wo der Saft aus dem Weinstock sich nicht mehr in die Rebe ergießen kann, ist die Rebe damit noch nicht vom Weinstock losgelöst. Des Herrn Eigentum bist du trotzdem geblieben; Er ist dir nicht untreu geworden. Anstatt dich zu fragen, ob der Herr den Bund noch aufrecht erhält, den Er mit dir geschlossen, stütze dich im Gegenteil auf diesen, seinen Bund. „Seine Gabe und Berufung können ihn nicht gereuen“; Sein Bund ist ewig und unzerbrüchlich.
So wichtig es aber ist, dass wir uns unter keinen Umständen entmutigen lassen, so wichtig ist es auch, dass wir uns nicht mit einer Vergebung begnügen, die von keiner Reinigung unseres Herzens begleitet wäre. „So wir unsere Sünden bekennen“, sagt der Apostel Johannes in seinem ersten Briefe (1,9). „so ist Er treu und gerecht, dass Er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Untugend.“ Wo es zu keiner Reinigung kommt, da kehren die gleichen Sünden immer wieder und wir fallen je länger je mehr in ein inneres Siechtum, in einen Zustand der Gebundenheit und Lähmung. Das Herz verliert seine Empfänglichkeit für die Zucht der göttlichen Gnade, für die Offenbarung seiner Heiligkeit und Liebe. Um dem zu entgehen, bedürfen wir nach jeder begangenen Sünde nicht nur die Vergebung, sondern auch der Reinigung; es muss wieder zu einer völligen Wiederherstellung unserer Kindschaft zu Gott kommen. Die Bedingung hiezu ist nach dem Wort des Apostels ist, dass wir unsere Sünden bekennen. Darunter dürfen wir aber nicht ein flüchtiges Bekenntnis verstehen; unser Bekenntnis muss gründlich und vollständig sein. Wir müssen unserem Gott alles sagen, was wir Ihm zu sagen haben und dürfen nicht fürchten die Dinge beim Namen zu nennen. Haben wir dies getan, so müssen wir stille halten und warten, was uns Gott zu sagen hat. Was wir von Sünden zu bekennen haben, hat seinen Wert nur; wenn wir dadurch Gott Gelegenheit und Raum geben, sich seinerseits auszusprechen. Die einzelnen Fehler und Sünden, die uns begegnen, sind nichts Zufälliges, sondern kommen aus einem unrichtigen Herzenszustand, wie Geschwüre aus unreinem Blut. Wir kennen aber unser Herz nicht, nur Gott; nur Er kann uns den verborgenen Grund aufdecken, aus dem wir aus der Wahrheit, aus der Lauterkeit oder aus der Demut gewichen sind, wo wir dem eigenen Leben und dem eigenen Willen wir irgendwie wieder Raum gegeben haben. Bei jeder Sünde in innerer Regung, Wort oder Tat in Begehung oder Unterlassung müssen wir uns vom Herrn sagen lassen, wie das gekommen ist; wir müssen uns richten lassen. Das Stehen vor Gott führt dann bald zu einem liegen im Staub. Wer sich aber vom Herrn demütigen, richten und strafen lässt, den heilt Er; was Er aufdeckt, dass nimmt Er weg. Überall wo sein Flammenblick eindringt, kommt mit dem Licht auch Freiheit und Erlösung (Joh 8,32). So führt ein Bekenntnis der Sünde, bei dem man Gott gründlich mit sich reden lässt, durch Gericht hindurch zu einer Reinigung, die man vorher nicht gekannt, zu einer Reinigung der inneren Luft und unseres ganzen Wesens. Es wird dadurch in ganz neuer Weise ein Wall zwischen uns und der Sünde aufgerichtet, sodass es nachher nicht so leicht zur gleichen Sünde mehr kommen kann.
Wird die Erfahrung einer wirklichen Reinigung von Sünde verhältnismäßig nur von sehr Wenigen gemacht, so liegt der Grund namentlich darin, dass in der gegenwärtigen Christenheit der Boden für eine gründliche Busse erst wieder gewonnen werden muss. Ein Auge entzündet sich durch das Eindringen eines Fremdkörpers, wie klein dieser auch sei und bleibt entzündet, bis er wieder entfernt ist. Was gesund und lebenskräftig ist, stößt sofort alles ihm Feindliche oder Fremde von sich. Busse ist eine Entzündung des inneren Auges, die der Heilige Geist wirkt, sobald dasselbe durch eine Sünde getrübt worden ist und die Er, wo das Auge noch gesund genug ist, fortsetzt, bis aller Sündenstoff aus dem inwendigen Menschen ausgeschieden ist.
Solche Menschen sind wahrhaft göttlicher Reue nicht fähig, weil ihnen die Furcht Gottes, der Sinn für Gottes Heiligkeit, Größe und Majestät abhanden gekommen ist und dies wiederum, weil sie sich daran gewöhnt haben, mit den Gnadengütern, die der sterbende Christus uns vermacht hat, leichtsinnig umzugehen. Heiden sind in Verfinsterung und Verstockung gesunken, weil sie die Offenbarung Gottes in Natur und Gewissen nicht gewürdigt und gebraucht haben (Röm 1,19-22). Christen fallen in Verfinsterung und Verhärtung, wenn sie die Offenbarung Gottes am Kreuz nicht würdigen und brauchen, wenn sie sich in irgend einem Punkt noch von Mächten beherrschen lassen, die Christus in den Staub gelegt hat. Wer dagegen treu auf dem angegebenen Weg wandelt, der darf bald erfahren, dass die Gnade wirklich von Sünde frei macht; er lernt die Kraft des Todes und der Auferstehung Jesu Christi kennen.
Zum Schluss weisen wir noch darauf hin, wie wichtig es für Kinder Gottes ist, ihre Aufgabe und ihre Berufung in ihrem Leben nicht aus den Augen zu verlieren und diese Berufung ist, Frucht zu bringen für ihren Vater im Himmel (Joh 15,8). Dem Dienste der Sünde können wir unsere Glieder nur dadurch entziehen, dass wir sie in den Dienst des Herrn stellen (Röm 6,13) und von Sünde bewahrt bleiben wir nur, solange wir Ihm Leben, Zeit und Kräfte weihen. Das eigentliche Wesen der Sünde liegt ja darin, dass man für sich selbst lebt. Gott hat uns neu geschaffen, damit wir in den guten Werken wandeln, die Er für uns bereitet hat. Zu Reben Jesu Christi hat uns Gott gemacht, damit wir die Lebenskräfte des Weinstocks in uns ergießen können und wir in ihrer Kraft viele Früchte tragen zu Seiner Ehre. In sein wunderbares Licht hat ER uns versetzt und Sein Eigentum sind wir geworden, damit wir in unserem Sein und Wesen, in Wort und Wandel, Seine Tugenden verkünden.
Es ist ein Grundgesetz der geistlichen Welt, dass man sein Leben nur findet, indem man es verliert. Als Kinder Gottes ist uns ein Erbe versichert, dessen Reichtum und Herrlichkeit alles Denken übersteigt und das unverwelklich droben auf uns wartet. Eben dadurch sind wir aber für dies gegenwärtige Leben Fremdlinge geworden, die darin nichts mehr zu suchen, zu erwarten oder zu fürchten haben. Wer darum zu einem Leben ununterbrochenen Gemeinschaft mit Gott, zu einem steten bleiben in Jesus gelangen will, der sucht dabei nicht das eigene Leben, auch nicht im geistlichen Sinne. Er suche beim Herrn nicht geistlichen Genuss und innere Befriedigung. Er sehe ab von sich selbst, im in reinem, uneigennützigen Dienen einzig nur die Wünsche und Interessen seines Herrn ins Auge zu fassen. Sein Herr sorgt dann für ihn im Geistlichen wie im Leiblichen. Er gibt seinen Schafen Leben und volles Genüge. Wer seine Befehle erfüllend, Ihm dient, den behandelt er als Freund, dem offenbart Er sich selbst, Gott zu erkennen und Jesus Christus, den er gesandt hat. Sein Dienst ist Leben und Seligkeit.
Wer dies einmal erfasst hat, der hat nur noch ein Verlangen, dass der Herr ihn gebrauche, wie und wann Er will. Er denkt nicht mehr daran, sich seine Tätigkeit selbst auszuwählen. Er fragt nicht, wozu er sich hingezogen fühlt, wozu er eine Vorliebe hätte; ohne dem Spiel seiner Einbildung Raum zu geben, ohne nach hohen und außerordentlichen Dingen zu trachten, arbeitet er treu, da wo ihn der Herr hinstellt. Der Wert und die Bedeutung einer Tätigkeit liegen ja nicht in der äußeren Natur, sondern im Geist, in dem man sie treibt, dass man nämlich alles im Namen und zur Ehre Gottes tut, aus Liebe zu seinem Herrn und Heiland. An Haushaltern sucht der Herr nicht mehr, denn dass sie treu erfunden werden (1Kor 4,2).
Lebt der Gerechte des Glaubens, so dient er auch im Glauben. Im Glauben hat er gelernt, nicht mehr hinter seinem Hirten zurück zu bleiben; im Glauben lernt er Ihm nicht mehr voraus zu eilen; er lässt sich erst zubereiten für den Dienst, der ihm zugedacht ist. Was den wahren Knecht kennzeichnet, ist nicht nur brennender Eifer, sondern vorerst geduldiges Warten. Wer sich nicht in der Stille langsam zubereiten lässt, gleicht einem Baum, der unreife Früchte trägt oder gar zusammen bricht unter der Last von Früchten, die er noch nicht reif und stark genug ist zu tragen. In Gottes Haushaltung ist alles so eingerichtet, dass die Früchte den Lebenssaft des Baumes nicht nur aufzerren, sondern ihn erneuern und vermehren. Ein Arbeiter in des Herrn Weinberg, der recht steht und im Geiste dient, lebt von seinem Dienste; er zieht daraus Wachstum und Gedeihen für sich selbst, für seinen eigenen inwendigen Menschen. Wenn der befohlen hat, dass, die das Evangelium verkünden, sich vom Evangelium nähren (1Kor 9,14), so gilt dies nicht nur für ihre leiblichen, sondern auch für ihre geistlichen Bedürfnisse.
Die Frucht, die alle anderen in sich schließt, ist die Liebe. Wer sich im Glauben Christus völlig überlässt und zur Verfügung stellt, in dessen Herz wird die Liebe Gottes ausgegossen durch den Heiligen Geist. Erfüllt mit der Liebe, mit der Christus uns geliebt hat (2Kor 5,14), und erfüllt mit Liebe zu Ihm (Joh 21,15), vermögen wir seine Lämmer zu weiden, die Kleinen und Schwachen zu pflegen und als wirkliche Priester anderer Lasten zu tragen. Wir vermögen dann, wenn auch nur in unserem geringen Teil, am Wiederaufbau eines wirklichen Gemeindelebens mitzuarbeiten, indem wir den jungen Pflänzlein, die in unserer Nähe erblühen, nachgehen soweit wir sie mit unserer Pflege erreichen können. Als Ersatz für das Familienleben, dass wir den Neubekehrten noch nicht bieten können, werden wir ihnen wenigstens nach bestem Wissen und Vermögen und Rat und Tat an die Hand gehen. Neben der Liebe zu den Gliedern des Leibes Christi entfaltet sich dann in unserem Herzen auch die Liebe zu den noch Verlorenen, eine tatkräftige, einsichtsvolle und fruchtbare Liebe. Geleitet, belebt und getragen vom Geiste Gottes, der unser Herz erfüllt in dem Masse, als die Sünde daraus weicht, sind wir fortan nicht mehr auf unsere eigenen Gedanken, Versuche und Anstrengungen angewiesen um dem Heiland Seele zuzuführen. Unser Zeugnis wird lebendig und fruchtbar durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Es muss der Sünde, den Krieg erklärt werden, damit Jesus wieder ein Volk habe, über das er verfügen könne, ein Volk, dass seine Tugenden verkündigt und Ihn der Welt offenbart. Jesus Christus muss seine Gemeinde wieder haben, eine Gemeinde die durch ihre Einigkeit, Zeugnis davon ablegt, dass Er in die Welt gekommen ist, vom Vater gesandt.