Otto Stockmayer
Schriften von Otto Stockmayer
Mt 3 Lk 1,67 - Der Vorläufer und die Taufe JesuMt 3 Lk 1,67 - Der Vorläufer und die Taufe Jesu
Unser Kapitel redet von der Taufe der Busse durch Johannes. Busse heisst Sinnesänderung — Änderung der Sinnesrichtung, indem man seinen Sinn auf eine ganz andere Welt richtet, und wenn man das eine loslassen will, muss man anderes vor Augen haben. Die ganze Tätigkeit des Johannes war, wie aus den beiden verlesenen Abschnitten hervorgeht, eine göttliche Schöpfung, das Morgenrot eines neuen Tages. Der Geist Gottes ruhte auf diesem Kinde von seiner Geburt an, und er führte, scheint cS, schon als Junge — wie weit das zurückgeht, weiss man nicht — ein anderes Leben, wie seine Altersgenossen. Er war ein Einsiedler und lebte in der Wüste bis zum Beginn seiner öffentlichen Tätigkeit, bis er gereift war für seine Ausgabe — auch hierin war er ein zweiter Elias —, bis der Herr ihn herausrief. In der Wüste hat er Ausrüstung bekommen, seinem Gott vertrauen gelernt und die Tiefe des Abfalls seines Volks erkannt. Wen Gott brauchen soll, um auf andere einzuwirken, der muss so mit Gott abgeschlossen sein, dass seine Umgebung keinen Druck mehr auf ihn ausüben kann — er muss lernen, sich in Gott zurückzuziehen gegen die Kälte der einen und die Schmeichelei der andern. Nur Wüstensöhne können tief eingreifend auf ihr Geschlecht einwirken, und so war auch das Mönchtum trotz aller seiner Abweichungen im Mittelalter ein grosser Segen für ein Geschlecht, das in tiefe Nacht versunken war. In Klöstern konnte man noch eine Bibel finden. In einem Kloster war Luther abgeschlossen mit seinem Gott, bis er eine Bibel fand und Gott ihn dann zu seinem speziellen Dienst rufen konnte. Das war eine Erweckung, eine Reformation und ist zu erklären aus dem Lobgesang des Zacharias Lukas 1,76 ff.: „Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heissen, denn du wirft vor ihm hergehen, seinen Weg zu bereiten, Erkenntnis des Heils zu geben seinem Volk in Vergebung ihrer Sünden." Johannes ist mit seiner Busspredigt vor dem Angesicht des Herrn hergegangen. Das war eben die Zeit der Heimsuchung, und wenn Zeiten der Heimsuchung kommen, geht man Wege, die man nie gegangen ist —> da müssen sich Pharisäer und Schriftgelehrte, mitgerissen von dem Zug, der durch das Volk geht, aufmachen und Busse tun, wenn auch nur äusserlich. Sie wagen nicht, sich gegen den Strom zu stellen. Es war eine grosse Erweckung, die erste seit den Zeiten des Elias, und sie hatte eine ganz besondere Bedeutung, weil unmittelbar hinter Johannes der Herr stand. Hinter allen Männern Gottes des alten Bundes stand ja auch der Herr; aber jetzt war die Zeit erfüllt, jetzt konnte der Herr einen Lebensodem durch diese starre Masse senden, die in Selbstgerechtigkeit, Torheit und Sünde verknöchert war. Nun konnte dieser Prophet auftreten, gesalbt von Gott, und seine Predigt schlug durch — das mag auch die Schriftgelehrten erschüttert haben. In ihren Augen war er ein ungelehrter Mensch — aber der Geist war auf dem Plan, und dieser Geist trieb die Menge in die Wüste, auch die Herren Schriftgelehrten und Pharisäer. Es kam alles zusammen. Die Stunde war da, und der Mann war da. Für besondere Stunden des Reiches Gottes bereitet der Herr seine Leute. Sie sind nicht von ungefähr da, sie wachsen scheinbar aus der Zeit heraus, werden in die Zeit hineingebildet von dem, der die Zeiten macht. Die Kriegsknechte kamen, die Zöllner kamen, und sie liessen sich sagen; da waren Nachversammlungen, in denen der Prophet jeder Klaffe ihre besonderen Weisungen für ihre besonderen Verhältnisse gab. Sie kamen und bekannten ihre Sünden, und damit wurden sie vorbereitet für Jesus. Mit dem Bekenntnis ihrer Sünden waren sie noch nicht gelöst. Johannes hatte ein Mass des heiligen Geistes, wie man es seit Elias nicht gekannt hat; aber er war nur Bahnbrecher für den Grösseren. Und nun kommt merkwürdigerweise, zur grossen Überraschung des Johannes, der, dem er Bahn brechen sollte, und stellt ihm das in seinen Augen ungeheuerliche Verlangen, er solle ihn taufen. Und Johannes schreckt zurück. Sollte er Jesum taufen mit der Taufe der Busse zur Vergebung der Sünden? Was, du kommst zu mir! Das war ein rechter Bussprediger, der an seinem Ort und an seiner Stelle bleibt und zurückschrickt, sobald man ein Ansinnen stellt, das über seine Berufung hinausgeht. Der Herr erklärte ihm nichts — es wäre über seinen Horizont hinausgegangen — Johannes hatte so stark betont, dass die Taufe nicht alles sei, und die Leute aufs Innere gewiesen; aus dem gleichen Grunde meinte er nun, den Heiland zurückweisen zu müffen; in seinen Augen wäre die Taufe Jesu ein Schauspiel, eine Lüge. Johannes ist desorientiert; aber der Herr entgegnet einfach: „Lass es jetzt zu!" Nun hätte Johannes auch wieder rebellieren können; aber er beugt sich. „Ich bin nicht wert, ihm die Schuhriemen aufzulösen." Damit spricht er aus, was manche unter uns vielleicht noch nicht kennen: ich darf meinen Herrn nicht zur Rede stellen, nicht meistern wollen — ich beuge mich und tue, was er mich heisst. Wenn wir uns so zum Herrn stellen, dann wachsen wir in ihn hinein und er kann uns weiterführen. Wenn wir aber meinen, wir dürften ihm sagen, was seiner würdig ist oder nicht, dann treten wir aus den uns zugewiesenen Bahnen. Johannes zeigt sich seiner Stellung als Bahnbrecher würdig. Er war gross darin, dass er wusste, Jesus wird sich schon zu seiner Zeit rechtfertigen — er, dem ich den Weg bereite, tut nichts Schiefes. Er gab seine Vernunft gefangen in den Gehorsam Jesu, wie wir sie gefangen geben in den Gehorsam des Kreuzes. Wir, lieben Freunde, wir wissen, warum gerade Jesus sich vor allen taufen lassen musste mit der Taufe der Busse. Nicht mit einer persönlichen Versündigung ist er, der Reine, ins Wasser gestiegen. Es war die Stunde, wo er als sündentragendes Lamm in die Welt hineintrat, und da musste er, belastet mit der Sünde der ganzen Welt, er, der Reine, unter die Wasser der Busse hinunter. Das war seine Weihe — damit wurde er eingeweiht in seinen Beruf, zu sterben am Kreuz als Lamm Gottes. Unsere Sünden, auch meine und deine, Hal der Herr damals schon hinuntergetragen in die Wasser der Taufe, um sie dann hinauftragen zu können ans Kreuz. „Das Blut Jesu Christi macht rein von aller Sünde" die, die nicht mit dem heiligen Blute spielen, sondern sich im Blute lösen lassen, nachdem sie Busse getan haben und appellieren an die lösende Kraft des Blutes Christi, die die Wasser der Taufe nicht geben konnten. Da versteht man dann, dass der Himmel zerriss und die Stimme Gottes ertönte: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe", weil er sich unter die Sünde der Welt hinunterstellte und die Sünde der Welt so ganz zu der seinen machte, dass er sich der Taufe der Busse unterzog. Und Wohlgefallen hat der Herr an uns, wenn wir uns, gereinigt und gesalbt, hinunterstellen unter die Sünden derer, über die wir zuerst geseufzt haben. Seufze nicht! — du gehörst ins Wasser und ins Grab, und da willst du noch rechten mit deinem Bruder und merkst nicht, dass Gott dir gerade diesen an die Seite gestellt hat, damit du durch seine Ungerechtigkeit deine Ungerechtigkeit und Leidensscheu kennen lernst. Das Lamm Gottes zeugt Lämmer, und der aus den» Lamm Gezeugte klagt nie über andere, nur über sich selbst.