Unser Wort führt uns zu den Juden in die babylonische Gefangenschaft, wo sie 70 Jahre ihrer Sünde wegen schmachten mußten (Jer 5,11; Dan. 9, 2). Die Frommen sehnten sich nach dem Tempel und den Gottesdiensten zurück, die andern nach ihren Weinbergen und Feigenbäumen. An die Ursachen ihrer Härten dachten sie kaum. Sie reizten Gott durch ihren Götzendienst, aber Buße taten sie nicht. Sie begingen einen bekannten Fehler, andern die Schuld zuzuschieben und in diesem Falle Gott selbst. Juda beklagte sich über die lange Zucht, wie der Sträfling im Gefängnis über seine Härten, aber nicht über sein Vergehen. Und dasselbe tat Juda, es war eine doppelte Klage. Zweierlei nennt Jesaja. a) daß Gott sie vergessen habe: Mein Weg ist verborgen vor Gott. Dieselbe Klage hören wir oft in unseren Tagen von denen, die den guten Kampf des Glaubens aufgegeben haben, anstatt auf die zahllosen Verheißungen zu blicken und die müden Knie aufzurichten (Heb 12,12); b) daß Gott ihr Unrecht, das sie tragen müssen, nicht rächt. Du hörst den Spott und Hohn, siehst die Gewalttaten, die die Feinde uns zufügen. Du siehst und hörst alles und kümmerst Dich nicht um uns. Etwa wie die Jünger, die dem Herrn sagten: Fragst du nichts danach, daß wir umkommen (Mk 4,38) und wie Asaph klagte (Ps 73): Wie lange sollen die Gottlosen sich über uns freuen?

Gottes vierfache Antwort. Sie war ein schmerzhafter Vorwurf. Warum sprichst du also über deinen Gott? Scheust du dich nicht, den großen Gott anzuklagen? Sind es nicht eure Sünden, die euch von mir scheiden? Gedenke, daß all deine Prüfungen Selbstverschuldung sind. Hast du vergessen, wer dein Gott ist? Er ist ein ewiger Gott. Er war, ehe die Berge wurden, und bleibt derselbe in alle Ewigkeiten (Ps 90,2; Heb 13,8): Er steht zu Seinen Verheißungen, kann aber Sünde nicht anschauen (Hab 1,13): Der Schöpfer der Enden der Erde. Blicke bis an ihre Enden und staune, was er geschaffen hat (Ps 19). Vergiß nicht, daß du selbst Sein Geschöpf. bist, auf erstaunliche Weise bereitet. (Ps. 100, 3;139, 14). Er ist auch dein Vater, der dein Bestes sucht. Der allweise Gott. Sein Verstand ist unausforschlich. Überall sehen und hören wir Seine Weisheit. All Sein Handeln ist Weisheit, du aber wirfst ihm Vergeßlichkeit vor.

Der große Erhalter. Wir sind nicht nur Seine Geschöpfe, sondern die Schafe seiner Weide (Ps 100,3). Er bezeugt es, indem Er uns auffordert, auf Ihn zu harren. Bedenke, wie niedrig und untreu du deinen Gott einschätzest.

Ein gebendes Gott (Joh 3,16; 2Kor 9,15; Röm 8,31). Die auf Ihn harren, sind zu jeder Zeit und überall von Ihm umgeben. Sie harren wie die Vögel im Nest und zwitschern fröhlich ihrer Mutter zu. Sie öffnen weit ihren Schnabel und lassen ihn füllen (Ps. 81, 11). Weit mehr erhalten alle, die auf den Herrn harren, Leben und Freude die Fülle. Was verhieß der Herr diesen Gefangenen, diesen Müden? Was erhalten sie? Dreierlei nennt der Prophet: Neue Kraft; sie machen herrliche Erlebnisse und einen neuen Lauf.

Neue Kraft. Er gibt den Müden Kraft, Kraft aus der Höhe (Apg 1,8). Mehr Kraft als die des jungen Mannes in seiner Stärke, denn auch junge Männer ermüden. Nicht so, die auf den Herrn harren. Wie wir durch gesunden Schlaf zu leiblicher Frische erquickt werden, werden die auf den Herrn harren mit Kraft von oben ausgerüstet. Er gibt Kraft zum Ausharren in Trübsalen wie einem Hiob (Jak 5,11; Röm 12,12; Ps 25,1), Kraft zum Tragen eines Unrechtes, wie ein Joseph und Jeremia im Gefängnis. Er gibt dem müden Diener Kraft, wie einst dem Elia in der Wüste (1Kön 19,4). Satan hat es besonders auf die Diener Gottes abgesehen und macht sie mutlos. Gott aber rüstet sie aus mit neuer Freudigkeit (1Kor 15,58). Wer kennt nicht die bösen Anschläge Satans gegen Gottes Diener durch Verleumdungen schlimmster Art? Der Herr schenkt aber Gnade zum Aufrichten der müden Knie (Heb 12,12). Er gibt Kraft in schwersten Lagen. Paulus sagt, daß er im Kampf für das Evangelium wie mit wilden Tieren gekämpft und gesiegt habe (1. Kor. 15, 32). Er überwand sie wie einst David in der Wüste (1Sam 17,34). Die neue Kraft reicht aus, den ärgsten Feind, Satan, unter unsere Füße zu treten (Röm 16,20).

Herrliche Erlebnisse. Daß sie auffahren wie Adler. Getragen auf Adlers Flügeln (2. M. 18, 4). Sie machen Höhenerfahrungen wie die Jünger auf Tabor und sagen: Hier ist gut sein (Mt 17; Joh. 15, 11; Eph 3,19). Sie sind hoch über dem Nebel und genießen Höhensonne. Die irdischen Umstände sind oft erdrückend aber dem Geiste nach bewundern sie die Engel, die sie umgeben (Dan 6,23) und beten an.

Ein neuer Lauf. Sie laufen und ermatten nicht: Sie gehen und ermüden nicht. Sie gehen durch das Tränental, bleiben also nicht stehen. Sie machen es zu Quellenorten, graben Gruben für andere dürstende Pilger. Sie sind gestärkt wie die Emmausjünger, die nachts noch zwei Stunden laufen, um andere zu erfreuen. Auf den Herrn Harrende sind zu allem bereit. Mit Ignazius sagen sie: „Ich bin Gottes Weizenkorn, bereit zermalmt zu werden, um anderen Brot zu geben!“ Singe mit dem Dichter: „Harre meine Seele, harre des Herrn, alles Ihm befehle, hilft Er doch so gern.“