Ährenlese von Georg R. Brinke - Jahrgang 5, 6; 16-19 und 21
Joh 19,6 - Jesus vor PilatusJoh 19,6 - Jesus vor Pilatus
Sehet, welch ein Mensch! Diesen Ausspruch tat Pilatus nach der grausamen Geißelung des Herrn. Was bezweckte er mit dieser Tortur? Allgemein wurde die Geißelung an Verklagten angewandt, die ihre Schuld leugneten. Die Geißelung war derart unerträglich, daß oft selbst Unschuldige ihre Taten bekannten, die sie nicht getan, nur um die Qualen zu beenden. Jesus aber schwieg trotz heftigster Schmerzen. Damit war aufs neue Seine Unschuld bewiesen. Gestützt darauf wollte Ihn Pilatus freigeben. Sehet, welch ein Mensch, der trotz größter Qualen seine Unschuld bewiesen hat. Dieser Anblick sollte Mitgefühl in den Juden wecken, sie aber blieben hart.
Ähnliche, ja schlimmere Methoden üben in unserer Zeit Diktatoren an Unschuldigen, um die gewünschten Geständnisse zu erpressen. In 4. Mose 5 finden wir etwas Ähnliches, aber unter göttlichem Befehl und Seiner Leitung.
Wer sah den gegeißelten Herrn? Alle Klassen, Jude und Heide. Versuchen wir ihre Gedanken über Jesus zu erfahren.
Was sah Pilatus im Herrn? Keinen Verbrecher, sondern einen von dem Juden aus Neid Verklagten. Er, sein Weib und Herodes erklärten Ihn als gerecht (Mt 27,19; Lk 23,15). Aber warum gab er nicht Jesus los? Um seine Stelle zu retten (Joh 19,12).
Was sah die Priesterschaft? Einen, der ihretwegen blutüberströmt vor ihnen stand, den sie trotz Unschuldsbeweise umbrachten. Warum? Weil Jesus ihre Sünde und Heuchelei aufdeckte, ihre Traditionen verwarf und allein die Schrift gelten ließ. Der Anblick des Gegeißelten rührte sie nicht. Seither haben Millionen von Frommen und Kirchen unmenschlich um Jesu willen gelitten. Religiöser Fanatismus ist zum grausamsten fähig, das beweist die Kirchengeschichte. Heute, da das Gesetz uns vor Tätlichkeiten schützt, leiden viele durch das grausame Schwert der Zunge, das viele moralisch tötet.
Was sah die breite Masse? Sie war blind und ließ sich nur von den Ältesten beeinflussen und nicht vom Blut des Unschuldigen. Noch gestern riefen sie „Hosianna“ und heute „kreuzige Ihn“. Keine Masse ist so gefügig als die Menschenmasse. Heute windet sie Kränze und morgen wirft sie Steine (Lies Apg 14,13.19).
Was sahen die Soldaten? Einen verächtlichen Juden, den sie kaltblütig schlugen, seine Kleider begehrten, Ihn mit Dornen krönten und mit Spott übergossen. Sie begehrten einen König, der sie über blutige Schlachtfelder zu Ruhm und Ehre führe.
Was sah Judas in dem Gegeißelten? Seine Schuld (Mt 27,4). Was sahen jene Frauen? Seine Schmerzen, die sie mit Ihm fühlten unter Schluchzen und Tränen.
Was sah der Hauptmann in Jesus? Gottes Sohn (Mt 27,54).
Was sah bald danach der Schächer? Seinen alleinigen Retter, der ihn annahm und ins Paradies führte (Lk 23,39).
Was sehen wir in dem Gegeißelten? (Job. 1, 29)
Seine Gottheit. Nur der Sohn Gottes vermochte, ohne zu klagen, solches unsertwegen zu erdulden. Er hatte Macht, Seine Gottheit zu offenbaren wie auf Tabor (Mt 17) oder wie bei der Gefangennahme (18, 6). Warum tat Er es nicht?
Weil es der Wille Gottes war (Heb 10,7.10).
Weil Er uns durch Seinen Tod zu Gott zurückführen wollte, um uns mit Gott zu versöhnen (2Kor 5,19).
Seine Unschuld. Selbst Seine Richter mußten sie zugeben. Erneut hatte die Geißelung Seine völlige Unschuld bewiesen. Dort litt Er als das Lamm ohne Fehl (1Pet 1,19; Heb 7,26). Nur ein Schuldloser konnte unsere Schuld tragen. Der Gerechte starb für die Ungerechten. Ich habe es verschuldet, was Du Herr hast erduldet.
Seine Größe. Wir sehen sie so vielfach in den Evangelien im Lieben, Dienen, in Demut und Sanftmut, hier aber im Dulden, ohne zu klagen. Als Paulus von seinen Richtern zu Unrecht geschlagen wurde, widersprach er (Apg 23,3). Jesus aber tat Seinen Mund nicht auf, Erlitt willig und trank des Vaters Kelch. Leicht hätte Er Seine Größe offenbaren können, wie Er das nach Off 19,11ff. tun wird. Aber er ist erschienen, um Sünde hinwegzunehmen. Ein zweitesmal aber wird Er Seine Größe und Macht offenbaren. Hier zwar sehen wir wahre Größe und Majestät mit Dornen gekrönt.
Der Zweck des Anschauens des Gegeißelten. Pilatus ließ Ihn geißeln, um Jesus auf diese grausame Weise zu befreien, nicht nach Rechtspruch. Wir aber sehen und erkennen Gottes Zweck und Ziel, die Erfüllung der Schrift.
Durch Seine Wunden sind wir geheilt.
Von Ihm lernen, standhaft in Leiden zu sein. Betrachtet Den, der so
großen Widerspruch erduldete, auf daß ihr nicht ermattet (
Daß wir Ihn inniger lieben und Ihm, dem Lamme, folgen.
Daß wir Sein Leiden, Sein Kreuz zu unserem Ruhme machen.
Daß wir von Seiner Gesinnung lernen (Phil 2,5). Und daß wir, wie Petrus, es nicht lassen können, von Dem zu zeugen, was wir gesehen und gehört haben (Apg 4,20; 1Joh 1,1-3).
Ein Zukunftsbild. Nach Joh 19,37; Sach 12,10 und
Off 1,7 wird jedes Auge Ihn sehen, wenn Er mit allen Seinen Heiligen
erscheinen wird (Off 19,11.14; z. Thess. 1, 7). Israel wird Ihn an
Seinen Wunden erkennen, Buße tun und Ihn aufnehmen (