Ährenlese von Georg R. Brinke - Jahrgang 5, 6; 16-19 und 21
Joh 8,1 ‑11 - Jesus und die EhebrecherinJoh 8,1 ‑11 - Jesus und die Ehebrecherin
Der Abend war hereingebrochen. Das Volk verzog sich. Der Hohe Rat, der Jesum greifen wollte, mußte erfolglos heimgehen (Joh 7,53). Jesu Stunde war noch nicht gekommen. Der Herr selbst ging an den Ölberg. Gewiß ging Er dahin, um zu beten, um für den letzten Tag des Festes neue Belehrung zu erhalten (Jes 50,4). (Wie nötig für uns!). Frühmorgens war Er wiederum im Tempel, um zu lehren. Ehe der Herr Sein Werk begann, waren die Gegner schon auf der Lauer, Ihn in eine Falle zu locken.
Ein willkommener Fall. Sie brachten ein Weib zu Jesus, das im Ehebruch ertappt worden war. Nicht etwa, um ihr zu helfen, sondern um in ihrer Selbstgerechtigkeit und Heuchelei, Jesus zu versuchen und eine Anklage gegen Ihn zu finden. Dazu reden sie Ihn als Meister, an, tags zuvor nannten sie Ihn Verführer (V. 47).
Die Anklage (V. 4). Dieses Weib ist im Ehebruch ergriffen worden. Mose hat geboten, solche zu steinigen (3. Mose 20,10; 5. Mose 22,21; Hiob 31,9.12; 1. Mose 38,24). Die Pharisäer gebärdeten sich als Feinde der Sünde, der Herr aber kannte ihre Heuchelei (Mt 23,27.28).. Die Pharisäer sagten sich: „Verurteilt sie Jesus nach dem Gesetz, daß sie gesteinigt werde, so kommt Er mit den Römern in Konflikt (Joh 18,31). Spricht Er sie frei, so bricht Er das Gesetz Mose.“ Die Pharisäer waren ihres Sieges gewiß, aber sie irrten sich.
Betrachten wir ein wenig die Angeklagte. Das Weib stand voll Scham und Furcht in ihrer Mitte. Wer kann ihr Empfinden beschreiben, denn ihre Sünde war offenbar. Das Gesetz verurteilte sie zur Steinigung, sie bebte und zitterte: Das Weib ist ein Bild des Sünders, der, überführt von seiner Schuld, vor dem heiligen Gott steht. Das Gewissen verklagt ihn (Ps 32,4), er kennt nur noch ein „wehe mir“ (Jes 6,5). So zitternd werden dereinst alle Sünder vor dem gerechten Richter stehen (Off 20,11-15).
Wir fragen uns: wo ist der Ehebrecher? Offenbar konnte er entfliehen. Das tat der Sünder von Kain an bis heute, aber kann er wirklich entfliehen (Ps 139,7; Heb 2,3)? Es gibt für den Sünder nur eins: wie das Weib vor Jesus stehen bleiben und Gnade erlangen oder ohne Buße und Vergebung von ihm gehen wie die Verkläger des Weibes: Die Pharisäer fragten:
Was sagst Du? Jesus schwieg. Sollte Er urteilen, so müßte er alle verurteilen, denn alle haben gesündigt. Die Pharisäer waren sich ihres Erfolges gewiß; dabei gerieten sie in ein Netz, aus dem sie nicht herauskamen. Neu sehen wir Jesu Erbarmen. Er will nicht nur dem Verklagten, sondern allen helfen. Jesus beugte sich zur Erde und schrieb in den Sand (Jer 17,13). Da Er aber lange schwieg, drängten sie auf Sein Urteil (V. 7).
Höre die weise Antwort. „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ Wiederum neigte sich Jesus zur Erde. Zutiefst getroffen gingen alle davon. Ihr Gewissen verklagte sie. Sie wollten nicht von Ihm beschämt werden, denn Jesus kannte ihre Vergangenheit wie die aller Menschen (Joh 2,25; 4,18). Sie eilten davon (2Sam 19,3). Unser härtester Verkläger ist das eigene Gewissen: Es ist nicht zum Schweigen zu bringen (Ps 32,4). Es gleicht einem nagenden Wurm, der nicht stirbt, einem Spiegel, der alles wiedergibt, es schreit und verklagt (Mk 6,14). Jesus, der weise Richter, legte die Vollstreckung des Urteils auf die Verkläger (V. 7), aber keiner rührte einen Stein an, sondern sie verschwinden vom Ältesten bis zum Geringsten. Hier bot sich den Pharisäern eine neue Gelegenheit, mit sich und Jesus ins Reine zu kommen. Alle, die vom Gewissen überführt sind, aber vor dem Richter fliehen, können unmöglich vom Erlöser freigesprochen werden.
Allein mit Jesus. Der Herr richtete sich auf und fragte das Weib: „Wo sind deine Verkläger?“ Auch sie hätte davongehen können wie die Verkläger. Viele sind auf der Flucht, anstatt zu Jesus zu kommen und einen Freispruch zu erhalten. Jesus fragte weiter: Hat dich niemand verurteilt? Sie antwortete: „Herr, niemand.“ Niemand war geblieben, sie zu steinigen, und sie fragte sich, was Jesus tun würde? Er, der allein das Reden zur Steinigung hatte, spricht sie frei. Es ist oft unerträglich, in das Urteil heuchlerischer Mitsünder zu geraten. Das Weib kam
Von Mose zu Christus. Sie war nicht, wie
Ein neues Leben. Die Worte Jesu: „Gehe hin, sündige nicht mehr“ besagen indirekt, daß ihr die Sünde leid war, daß ihr Jesus wie jener Sünderin in Lk 7,50 ein ähnliches Wort zusprach. Wer bei Jesus bleibt, seine Sünde richtet, mit ihr bricht, beginnt ein neues Leben. Man denke an Manasse, der nach seiner Buße alles beseitigte, was er zuvor an Götzen errichtet hatte (2Chr 33).